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Inhalt archiviert am 2023-03-09

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100 Jahre alte Scott-Sammlungen beweisen beschleunigtes Moostierchen-Wachstum heute

Wissenschaftler in Polen, im Vereinigten Königreich und in den USA haben bei der Analyse von Proben eines Meereslebewesens, die 1901 auf einer berühmten Südpolexpedition gesammelt wurden, herausgefunden, dass am Pol Kohlenstoffsenken im Entstehen begriffen sein könnten. Dem Te...

Wissenschaftler in Polen, im Vereinigten Königreich und in den USA haben bei der Analyse von Proben eines Meereslebewesens, die 1901 auf einer berühmten Südpolexpedition gesammelt wurden, herausgefunden, dass am Pol Kohlenstoffsenken im Entstehen begriffen sein könnten. Dem Team zufolge wuchsen die Bryozoen bis 1990 gleichbleibend - dann verdoppelte sich ihr Wachstum. Die Erkenntnisse, die neue Einblicke in Abläufe geben, wie Kohlendioxid (CO2) auf dem Meeresboden gespeichert wird, und Geologen sowie Umweltschützern eine Hilfe bei der Vorhersage des Klimawandels sein könnten, werden im Fachblatt Current Biology vorgestellt. Der von den Wissenschaftlern untersuchte winzige Wasserorganismus ist das Moostierchen Cellarinella nutti (C. nutti), ein wirbelloses Tier, das Nahrung durch Herausfiltern aufnimmt und korallenähnlich verzweigt ist. C. nutti gibt es in der Antarktis in Hülle und Fülle: Deshalb verwenden die Forscher dieses Tierchen sehr gern für ihre Studien. Ein Vorteil bei der Bewertung von C. nutti ist, dass es in seinem Skelett deutliche makroskopische Umweltaufzeichnungen aufbewahrt - die Daten lassen sich an jahresringähnlichen Linien in diesem Kalkskelett ablesen. "Dies ist einer der Beweise, dass sich das Leben in der Antarktis in jüngster Zeit drastisch verändert hat", erklärt Hauptautor David Barnes vom British Antarctic Survey. "Diese Tiere entnehmen dem Kreislauf mehr Kohlendioxid und speichern es auf dem Meeresgrund." Nach Angaben des Forscherteams weist das schnelle Wachstum von C. nutti auf eine unmittelbare Zunahme der regionalen Produktion an Phytoplankton - der Nahrung der Bryozoen - hin. In Meerwasser gelöstes CO2 ist wichtig für diese Algen; es sichert ihr Überleben. Der Kohlenstoff aus den Algen wird zuerst von C. nutti aufgenommen und dann in das Skelett und andere Gewebe eingebaut. Wachsen die Lebewesen, so brechen einige Teile ihres Körpers ab und sinken auf den Meeresboden, wo sie im Sediment begraben werden. "Auf diese Weise nimmt die Menge an auf dem Meeresgrund lagerndem Kohlenstoff zu", wie Dr. Barnes erläutert, "während uns weltweit immer mehr die Notwendigkeit bewusst wird, Kohlendioxid in der Atmosphäre reduzieren zu müssen." Wahrscheinlich sind Ozonverluste für die Veränderung verantwortlich. Derartige Verluste haben seit 2000 einen Anstieg der Windgeschwindigkeiten ausgelöst. Dr. Barnes weist darauf hin, dass das Plankton von diesen stärkeren Winden enorm profitiert: Die Winde wehen das Eis beiseite und verbessern die Zirkulation des Oberflächenwassers. "Falls wir recht haben, stellt dies ein seltenes Beispiel für ein Tier dar, das auf ein globales Phänomen - das Ozonloch - reagiert und damit ein anderes - den Treibhauseffekt - beeinflusst", so Dr. Barnes. Große Unterstützung fand die Forschungsarbeit in den im Rossmeer gesammelten alten Proben von Marineoffizier Robert Falcon Scott - Entdecker und Polarpionier, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Discovery-Expedition (1901-1904) und die Terra-Nova-Expedition (1910-1914) zum Südpol anführte. Außerdem wurden bei der Studie auch Proben aus Museen in Neuseeland, im Vereinigten Königreich und den USA verwendet. "Scotts berühmteste Reise war der Wettlauf um die Ersterreichung des Südpols gegen den norwegischen Entdecker [Roald] Amundsen, den der Norweger gewann", erzählt Dr. Barnes. "Scotts Leute und er selbst starben 1912 während des Rückmarsches zum Nahrungsdepot und daher assoziiert man seine Heldentaten oft nicht mit Erfolg. Bei weitem nicht so bekannt ist, dass seine Reisen in erster Linie wissenschaftlichen Charakter hatten, und die von seinem Team angelegten Sammlungen an Material und Informationen auch nach heutigen Maßstäben beeindruckend sind." Die Studie trägt dazu bei, die große Herausforderung zu meistern, wirklich besser zu verstehen, auf welche Weise weit greifende Prozesse wie der Klimawandel und das Ozonloch unseren Planeten beeinflussen. Obwohl noch mehr Forschung zu investieren ist, um die Bedeutung der Rolle des Moostierchens C. nutti für die Umwelt zu verstehen, gehen die Forscher davon aus, dass diese wahrscheinlich eher gering ist. "Trotzdem denken wir, dass die Kombination von Schelfeis- und Meereisverlusten aufgrund des Klimawandels und die Wirkung der durch den Ozonverlust ausgelösten Windgeschwindigkeiten etwas Hoffnung auf die dringend erforderliche Bindung von Kohlendioxid auf dem Meeresgrund des Südpolarmeers aufkommen lässt", erläutert Dr. Barnes. "Es gibt nur wenige andere Orte auf der Welt, wo globale und regionale Veränderungen tatsächlich dazu führen könnten, dass mehr Kohlendioxid aus dem System entfernt wird." An dieser Studie wirkten Experten des Instituts für Meereskunde an der polnischen Akademie der Wissenschaften, Sopot, Polen, des Natural History Museum, London, Vereinigtes Königreich, des National Museum of Natural History, Smithsonian Institution in Washington DC, und des Virginia Museum of Natural History, Martinsville, in den USA mit.Weitere Informationen unter: British Antarctic Survey: http://www.antarctica.ac.uk/ Current Biology: http://www.cell.com/current-biology/

Länder

Polen, Vereinigtes Königreich

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