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Wissenschaftler sprechen sich gegen "selective sweeps" als Motor der menschlichen Evolution aus

Wissenschaftler in Europa und den Vereinigten Staaten stellen die traditionelle Vorstellung menschlicher Evolution infrage. In den letzten 35 Jahren haben Genetiker "selective sweeps" als nützliche genetische Mutationen definiert, die sich schnell in der menschlichen Populatio...

Wissenschaftler in Europa und den Vereinigten Staaten stellen die traditionelle Vorstellung menschlicher Evolution infrage. In den letzten 35 Jahren haben Genetiker "selective sweeps" als nützliche genetische Mutationen definiert, die sich schnell in der menschlichen Population ausbreiten und eine wichtige Triebkraft der menschlichen Evolution darstellen. Eine in der Zeitschrift Science veröffentlichte Untersuchung legt jedoch nahe, dass solche Ereignisse eher selten gewesen sein könnten und ohne größeren Einfluss auf die Entwicklung unserer Gattung. Stattdessen könnten in erster Linie kleinere Veränderungen mehrerer Gene Variationen des menschlichen Phänotyps hervorgerufen haben. Daher seien neue Modelle erforderlich, um die genetischen Entwicklungsstufen zurückzuverfolgen. Nach Untersuchung der Sequenzen von fast 200 menschlichen Genomen sprachen Wissenschaftler von neuen Beweisen, die gegen "selective sweeps" als vorherrschende Art menschlicher Anpassung sprechen. "Unsere Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass menschliche Anpassung in der jüngsten Vergangenheit nicht durch einzelne Veränderungen von großer Wirkung erfolgte, sondern durch häufige Änderungen an vielen Stellen des Genoms", erklärt Dr. Molly Przeworski, Mitautorin und Professorin für Humangenetik, Humanökologie und menschliche Evolution an der Universität Chicago. "Alles deutet darauf hin, dass menschliche Anpassung - wie auch die meistverbreiteten menschlichen Krankheiten - eine komplexe genetische Architektur besitzt. Dem klassischen Modell eines "selective sweep" zufolge tauchen neue vorteilhafte Gene auf, die sich schnell innerhalb der Population verbreiten. Aufgrund seiner schnellen Verbreitung wird das Gen mit weniger Variationen eher im Genom fixiert als ein Gen, dass sich langsamer ausbreitet. Genetiker haben dieses Modell benutzt, um nach genetischen Segmenten zu suchen, die von "Trögen" geringerer Variationsbreite umgeben sind, dem theoretischen Fußabdruck eines "selective sweep". Durch Anwendung des Modells ließen sich über 2 000 Gene ermitteln - etwa 10 % des menschlichen Genoms -, was darauf schließen lässt, dass "selective sweeps" häufig vorkommende Ereignisse waren, bei denen sich die menschliche Evolution immer weiter von der unserer affenartigen Vorfahren entfernte. "Das Modell des 'selective sweep' entstand 1974 und ist seitdem das vorherrschende Modell", erläutert Dr. Przeworski. "Fairerweise sollte man sagen, dass es das bis heute gültige Modell bei der Erforschung der Selektion gewesen ist, sei es beim Menschen oder bei anderen Organismen." Jedoch könnten Gensegmente, die von Bereichen niedriger Vielfalt umgeben sind, auch durch andere evolutionäre Mechanismen entstanden sein. Um herauszufinden, ob "selective sweeps" die Hauptursache dieser Tröge gewesen sind, verwendete das Team Daten von 179 Personen aus dem 1 000-Genome-Projekt, einem internationalen Forschungsvorhaben zur Katalogisierung genetischer Variationen des Menschen. "Dies ist eine Datenbank von bahnbrechender Bedeutung, mit der tatsächlich zum ersten Mal eine derartige Analyse durchgeführt werden konnte", betont Ryan Hernandez, Professor für Bioengineering und Therapiewissenschaften an der Universität von Kalifornien in San Francisco. Das Forschungsteam untersuchte Gene mit humanspezifischen Substitutionen, deren Nukleotidsequenz sich von der nah verwandter Affenarten unterschied. "Die phänotypische Variation bei Menschen ist doch nicht so einfach zu erklären wie wir anfangs dachten", erklärt Dr. Hernandez. "Die Idee, dass sich menschliche Anpassung durch einzelne Veränderungen im Aminosäurebereich vollziehen könnte, klingt gut, und es ist großartig, dass es einige konkrete Beispiele dafür gibt, aber insgesamt ist diese Betrachtungsweise zu vereinfachend." Weitere Hinweise, die die gängige Theorie der "selective sweeps" widerlegen, konnten durch den Vergleich von Genomvariationen verschiedener Bevölkerungen erbracht werden. Da sich die Bevölkerungen in Nigeria, Europa, China und Japan vor ungefähr 100 000 Jahren auseinanderentwickelt und anschließend an unterschiedliche Umgebungen angepasst haben, könnte man erwarten, dass sich durch häufige "selective sweeps" deutliche genetische Unterschiede zwischen den Bevölkerungen herausbilden konnten. "Diese Ergebnisse stellen die Auffassung infrage, dass sich durch Anwendung des Konzepts eines "selective sweep" noch viel mehr aufklären lassen werde. Außerdem bleibt abzuwarten, wieviele der bisherigen Resultate überhaupt validiert werden können", so das Fazit von Dr. Przeworski. Experten aus Israel und dem Vereinigten Königreich haben zu dieser Studie beigetragen.Weitere Informationen hierzu finden Sie unter: Science: http://www.sciencemag.org/ Universität Chicago: http://www.uchicago.edu/index.shtml

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Israel, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten