Neue Forschungsergebnisse lassen auf Positives für Medikamente zur Raucherentwöhnung hoffen
Haben Sie jemals versucht, das Rauchen aufzugeben? Leiden Sie an Schlafstörungen? Oder sind Sie von einer Muskelkrankheit betroffen? Dann könnten die neuesten Erkenntnisse eines EU-finanzierten Forscherteams Musik in Ihren Ohren sein. Die im Fachjournal Public Library of Science (PLoS) Biology vorgestellten Ergebnisse zeigen angesichts der Erkenntnisse über die Effekte des mysteriösen Gifts Curare auf die Membranproteine in Ionenkanälen etliche neue Perspektiven für die Entwicklung von Behandlungen von einer Vielzahl weit verbreiteter Erkrankungen auf. Die Forschungsarbeit, die Finanzmittel des NEUROCYPRES-Projekts innerhalb des Themenbereichs "Gesundheit" des Siebten Rahmenprogramms (RP7) erhielt, bereichert nun unser Wissen über dieses Gift, das der Wissenschaft lange ein Rätsel blieb. Die menschliche Zellmembran - die Wand einer lebenden Zelle - enthält über 7.000 Proteine, aber bisher konnten die Forscher lediglich Struktur und Funktion von 27 dieser Proteine identifizieren. Ionenkanäle sind eine wichtige Klasse von Membranproteinen, die für den Informationsaustausch zuständig ist. Ionenkanäle kann man sich schalterähnlich vorstellen, da sie wie mikroskopisch kleine Poren geformt sind, die sich öffnen und schließen können. Die Ionen - geladene Teilchen - können so durch sie hindurch in die Zellen oder aus den Zellen hinaus strömen. Gifte können diese Kommunikation zwischen Zellen im Körper unterbrechen, indem die Ionenkanäle blockiert werden. Die lähmende Wirkung von Curare auf die Struktur der Ionenkanäle konnte von den Forschern in einer Serie dreidimensionaler (3D) Bilder abgebildet werden. Professor Ulens, einer der Autoren der Studie und Direktor des Labors für Strukturelle Neurobiologie an der belgischen Katholieke Universiteit Leuven, erklärt, was aus den 3D-Bilder zu schlussfolgern ist: "Wir sind Schlosser, die in atomaren Größenordnungen untersuchen, wie ein Schlüssel - das Gift - in das Schloss einer Tür - den Ionenkanal - passt und auf welche Weise der Schlüssel die Tür verschlossen hält. Einige Arten von Gift passen nur zu einer Verriegelung, aber Curare ist ein Generalschlüssel, der verschiedene Ionenkanäle verschließen kann." Mit dem 3D-Wissen über die Struktur dieses Schlosses will das internationale Team aus Belgien, Russland, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten jetzt wie Generalschlüssel wirkende Medikamente für eine Klasse von Erkrankungen entwickeln. Sie hoffen außerdem auf spezielle Arzneimittel für einzelne Krankheiten wie zum Beispiel Tabaksucht, da Nikotin einen ganz bestimmten Ionenkanal beeinflusst. Die geheimnisvolle Natur der Membranproteine hielt jedoch für die Forscher einige Herausforderungen bereit. Die Standardmethode zur Untersuchung von Proteinen ist die Röntgenkristallstrukturanalyse, bei der Proteinkristalle in Wasser gezüchtet und dann mit Röntgenstrahlen durchleuchtet werden, um deren Struktur zu betrachten. Das Züchten von Kristallen aus fetthaltigen Membranproteinen gestaltet sich jedoch aufgrund der fettigen Natur der Zellmembran eher schwierig. Professor Ulens beschreibt, wie sich sein Team dieser Herausforderung stellte: "In den letzten zehn Jahren mussten sich die Forscher eher mit einem Blick durch die Hintertür begnügen: einer chemische Kopie eines Abschnitts des Ionenkanals - chemisch ähnlich, aber nicht porös. Im Ergebnis dessen war die Kristallbildung wesentlich einfacher. Unser Labor konnte nun erstmalig den Hintereingang zu dem Ionenkanal benutzen, der Curare-sensitiv ist. Wir können uns jetzt ein Bild davon machen, auf welche Weise diese Klasse von Ionenkanälen chemische Substanzen erkennt." Curare hat eine derart lähmende Wirkung, dass eines seiner Bestandteile sogar in der Lungenchirurgie zum Einsatz kommt. Es ist außerdem das mysteriöse Gift, das die indigenen Völker des Amazonas bei der Jagd verwenden: Pfeile werden mit dem Gift präpariert, um getroffene Beutetiere zu lähmen. Wissenschaftler haben auf der ganzen Welt hart daran gearbeitet, die 3D-Struktur von Membranproteinen zu bestimmen und sie als einen Schlüsselprozess für die pharmakologische Forschung zu nutzen. Das NEUROCYPRES-Projekt hofft nun, diese Arbeit voranzutreiben und die grundlegenden Mechanismen der Funktionsweise der Rezeptoren zu enthüllen und damit neue Wege einer rationellen Arzneimittelgestaltung (Rational Drug Design) zu erschließen. Professor Ulens hofft außerdem, dass die Erkenntnisse seines Teams die Entwicklung von Medikamenten in eine neue Richtung lenken wird. Er erklärt: "In der Vergangenheit entwickelte die Pharmaindustrie Medikamente, indem hunderttausende Substanzen in Ionenkanälen freigesetzt wurden. Verursachte eine bestimmte Substanz eine Reaktion, so wurde es am Patienten erprobt: Versuch und Irrtum als klassische Forschungsmethode. Unsere Forschungsergebnisse resultieren in einer stärker zielgerichteten Entwicklung von Medikamenten: durch Gewinnen von Wissen zur [3D-] Struktur eines Ionenkanals können spezielle Medikamente entwickelt werden, die an das Protein gebunden sind."Weitere Informationen unter: Katholieke Universiteit Leuven: http://www.kuleuven.be/english/(öffnet in neuem Fenster) NeuroCypres: http://www.neurocypres.eu/(öffnet in neuem Fenster)
Länder
Belgien, Niederlande, Russland, Vereinigte Staaten