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Inhalt archiviert am 2023-03-09

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Linguisten finden Zusammenhang zwischen historischem Kontext und der Entwicklung einer Sprache

Wir kommunizieren über sehr viele unterschiedliche Sprachen, die über die Jahrtausende entstanden sind. Die Feinheiten ihrer Entwicklung bleiben allerdings größtenteils ein Rätsel ... bis heute! In einer neuen Studie unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instit...

Wir kommunizieren über sehr viele unterschiedliche Sprachen, die über die Jahrtausende entstanden sind. Die Feinheiten ihrer Entwicklung bleiben allerdings größtenteils ein Rätsel ... bis heute! In einer neuen Studie unter der Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in den Niederlanden hat man herausgefunden, dass sich die Wortstellung bei Sprachen aus verschiedenen Sprachfamilien auf unterschiedliche Weise entwickelt haben. Die in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Erkenntnisse zeigen, dass Sprachen nicht in erster Linie angeborenen Regeln der Sprachverarbeitung im Gehirn folgen. Vielmehr wird die Satzstruktur einer Sprache entscheidend von ihrer Vorgeschichte bestimmt. Unterliegen Sprachen gewissen Beschränkungen? Trotz der anzutreffenden Diversität gehen Forscher davon aus, dass dem so ist. Das übergeordnete Ziel der Linguistik besteht darin, die Vielfalt der menschlichen Sprachen zu beschreiben und vorhandene Beschränkungen für diese Vielfalt zu erklären. Dazu wird nach wiederkehrenden Mustern in der Sprachstruktur gesucht. Denn die Sprachverwirrung bewegt sich trotz der gewaltigen Vielfalt an Lauten und Satzbaumustern innerhalb bestimmter Grenzen. Experten zufolge wiederholen sich einzelne Sprachmuster. So steht zum Beispiel in einigen Sprachen das Verb am Satzanfang, bei anderen wiederum in der Mitte oder am Ende des Satzes. Auch Wörter innerhalb einer Sprache werden nach bestimmten Prinzipien geformt. Für diese Studie untersuchte das Team um Michael Dunn und Stephen Levinson am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik 301 Sprachen aus 4 großen Sprachfamilien: Austronesisch, Indo-Europäisch, Bantu und Uto-Aztekisch. "Das Verständnis der Diversität und ihrer systematischen Beschränkungen ist das zentrale Anliegen der Linguistik. Der generative Ansatz zur sprachlichen Variation geht davon aus, dass die sprachliche Vielfalt durch Veränderungen verschiedener Parameter erklärt werden kann", heißt es in dem Artikel. "Jeder dieser Parameter bestimmt eine Reihe spezifischer sprachlicher Merkmale." Besonders befassten sich die Wissenschaftler mit der Reihenfolge verschiedener Satzteile, wie etwa "Verhältniswort-Hauptwort", "Genitiv-Hauptwort", "Objekt-Verb" oder "Relativsatz-Hauptwort", sowie mit der Frage, ob sich deren Stellung im Satz gegenseitig beeinflusst. Dadurch wollten sie bestimmen, ob die Stellung des Verbs auch andere syntaktische Konsequenzen hat. Wenn beispielsweise das Verb vor dem Objekt steht ("Der Spieler schießt den Ball"), steht gleichzeitig auch das Verhältniswort vor dem Hauptwort ("ins Tor")? Dieses Muster ist in vielen Sprachen anzutreffen, aber ist es eine zwangsläufige Folge der Sprachentwicklung? "Unsere Studie zeigt, dass in den verschiedenen Sprachfamilien unterschiedliche Prozesse ablaufen", sagt Dr. Dunn. "Die Evolution von Sprache folgt nicht einem einzelnen universellen Regelwerk." Die Stellung "Verb-Objekt" beeinflusst die Reihenfolge "Verhältniswort-Hauptwort" beispielsweise sowohl in den Austronesischen und Indo-Europäischen Sprachen. Allerdings geschieht dies nicht auf dieselbe Art und Weise und in den anderen beiden Sprachfamilien überhaupt nicht. Der amerikanische Linguist Noam Chomsky vertritt die Ansicht, dass es universelle Gemeinsamkeiten zwischen allen Sprachen gibt. Ihm zufolge ist der Grund ein angeborenes Sprachvermögen, das bei allen Menschen auf denselben Prinzipien beruht. Der Sprachforscher Joseph Greenberg dagegen behauptet, es gibt eine "universelle Wortordnung", wonach allgemeine Mechanismen der Sprachverarbeitung im Gehirn die Reihenfolge von Wörtern und Satzteilen bestimmen. Die Ergebnisse aus der Studie des Max-Plank-Instituts widersprechen beiden Ansichten. "Unsere Studie deutet daraufhin, dass die kulturelle Entwicklung sehr viel stärker beeinflusst, wie sich eine Sprache entwickelt, als universelle Regeln", erklärt Professor Levinson. "Die Sprachstruktur ist also offenbar weniger biologisch festgelegt, sondern wird von ihrer Abstammung geprägt", fügt er hinzu. "Diese Befunde untermauern die Ansicht - zumindest in Bezug auf die Wortstellung -, dass sprachliche Struktur hauptsächlich durch die kulturelle Entwicklung bestimmt wird, wobei der aktuelle Zustand eines sprachlichen Systems zukünftige Entwicklungen vorbestimmt und deren Grenzen vorgibt," so die Forscher. Was kommt als Nächstes? Zunächst wollen die Forscher in anderen Sprachfamilien analysieren, wie die Sprachentwicklung die Struktur von Sprachen formt. Auch die Unterschiede anderer sprachlicher Eigenschaften sollen im Rahmen dieser Theorie betrachtet werden. Beiträge zu dieser Studie kamen von Experten des Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour der Radboud Universität in Nimwegen in den Niederlanden sowie der University of Auckland in Neuseeland.Weitere Informationen unter: Max-Planck-Institut für Psycholinguistik: http://www.mpi.nl/ Nature: http://www.nature.com/

Länder

Niederlande

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