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Inhalt archiviert am 2023-03-16

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Nur keinen Hehl daraus machen - Wissenschaftler entdecken, wie sich der menschliche Schädel wirklich entwickelt hat

Anthropologen haben lange geglaubt, dass alle Veränderungen der menschlichen Schädelform im Laufe der Zeit unabhängig voneinander aufgetreten sind. Doch neue Forschungen eines internationalen Teams zeigen, dass dem wahrscheinlich nicht so ist. Nach Prüfung einer einzigartige...

Anthropologen haben lange geglaubt, dass alle Veränderungen der menschlichen Schädelform im Laufe der Zeit unabhängig voneinander aufgetreten sind. Doch neue Forschungen eines internationalen Teams zeigen, dass dem wahrscheinlich nicht so ist. Nach Prüfung einer einzigartigen Sammlung von 390 Schädeln aus dem berühmten Hallstätter Beinhaus der katholischen Kirche in Österreich, entdeckten die Wissenschaftlern aus Spanien, Schweden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, dass Veränderungen, von denen man angenommen hatte, dass sie infolge vereinzelter evolutionärer Ereignisse erfolgt waren, wahrscheinlich miteinander zusammenhängen. Dies bedeutet, dass der Schädel in Wirklichkeit integriert ist und dass eine Veränderung in einem Teil mit Veränderungen in anderen Teilen zusammenhängt. "Wir haben festgestellt, dass genetische Variationen in den Schädel integriert sind, was bedeutet dass, sollte die Selektion eine Formveränderung an einer bestimmten Stelle des Schädels vorziehen, daraus auch Veränderungen im ganzen Schädel folgen würden", so Dr. Chris Klingenberg, einer der Autoren der Studie von der Universität Manchester im Vereinigten Königreich. Die Schädel, die alle nach lokaler Tradition geschmückt wurden, gehören zu einer Sammlung von mehr als 700 Gebeinen. Sie sind mit gemalten Blumen, Blättern und Kreuzen verziert. Die meisten Schädel sind mit dem Namen des Verstorbenen gekennzeichnet. Die Wissenschaftler verglichen die Namen auf den Schädeln mit Eintragungen in lokalen Geburten-, Sterbe- und Heiratsregistern, um die genealogischen Beziehungen der Hallstätter Bevölkerung bis ins 17. Jahrhundert zu rekonstruieren. Dadurch konnten sie einschätzen, inwiefern Gene die Schädelform beeinflussen. In einem Artikel in der Fachzeitschrift Evolution erklären die Forscher, wie die morphologische Integration, die die Entwicklung der Schädelform des Menschen lenkt, genetisch bestimmt ist. "Bei diesem evolutionären Szenario wäre es schwierig ein Element zu verändern oder auszutauschen, ohne auch die anderen zu verändern", erklärt Miquel Hernandez, ein weiterer Autor, von der Universität Barcelona in Spanien. Er führt aus: "Experten untersuchen traditionell, wie sich Selektion auf ein bestimmtes Merkmal auswirkt. In der Praxis jedoch stehen die verschiedenen Merkmale miteinander in Zusammenhang. Der Schlüsselbegriff ist die morphologische Integration: wird ein Element der Schädelform verändert, verändert sich auch die gesamte Struktur und nur jene Veränderungen, die morphologischen Mustern folgen, werden begünstigt." Das Team verwendete geometrische morphometrische und quantitative genetische Methoden zur Untersuchung der menschlichen Schädelform, wobei es 3-dimensionale Koordinaten von 29 anatomischen "Landmarken" verwendete, um morphologische Karten zu erstellen und eine Reihe von Szenarien zu simulieren, in denen verschiedene Hauptmerkmale während des Evolutionsprozesses des modernen Menschen selektiert werden. Ein weiterer Studienautor, Neus Martinez-Abadías, der Universität von Barcelona, ??kommentiert: "Einer der innovativsten Aspekte der Studie ist die Anwendung einer Methode, mit der wir die Schädelstruktur als Ganzes analysieren und die Auswirkungen der morphologischen Integration quantifizieren können. Dies bedeutet, dass wir nicht jedes Merkmal getrennt studieren müssen, so als wäre die Evolution ein verteilter Prozess." Studienautorin Mireia Esparza, ebenfalls von der Universität Barcelona, ?erläutert, wie die Studie Argumente unterstützt, mit denen moderne Evolutionsszenarios des Menschen in ein neues Licht gerückt werden: "Evolution ist ein integrierter Prozess und spezifische Merkmale entwickeln sich niemals unabhängig voneinander. Beim Schädel wurden evolutionäre Veränderungen in dieses morphologische Muster übertragen. Deshalb ist es nicht möglich, Dinge zu vereinfachen und nur die Selektionsantwort eines einzigen Merkmals in Isolation zu betrachten. Denn obwohl sie wahrscheinlich durch den entsprechenden Selektionsfaktor betroffen sein wird, unterliegt sie auch den Zwängen der Faktoren, die die übrigen Teile des Schädels beeinflussen."Weitere Informationen erhalten Sie hier: Manchester University: http://www.manchester.ac.uk/

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Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten