EU-finanzierte Forscher kommen der Doppelionisation nahe
Wenn normalerweise ein intensiver Laserpuls auf ein Atom trifft, kommt Bewegung in den Mikrokosmos. Nicht selten wird dann ein Elektron aus dem Atom herausgeschleudert und dieses ionisiert. Manchmal werden zwei Elektronen gleichzeitig aus dem Atom herausgelöst, was zu einem zu einem komplexen Prozess, nämlich einer sogenannten Doppelionisation. Diesen Prozess haben jetzt Forscher aus Deutschland und den Vereinigten Staaten mit Attosekunden-Genauigkeit verfolgt (eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde) und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht. Unterstützt wurde die Studie vom Projekt ATTOFEL (Ultrafast Dynamics using ATTosecond and XUV Free Electron Laser Sources), das mit 3.601.028 EUR aus dem Marie-Curie-Netzwerk für Erstausbildung (ITN) im Rahmen des Themas "Menschen" des Siebten Rahmenprogramms der EU (RP7) finanziert wurde, und vom Projekt Laserlab-Europe (The Integrated Initiative of European Laser Research Infrastructures), einem europäischen Konsortium wichtiger Laserforschungsinfrastrukturen, das teilweise in Höhe von 8.650.000 EUR im Rahmen der integrierten Infrastrukturinitiative des RP7-Themas "Kapazitäten" finanziert wird. Den Forschern zufolge erinnert die Doppelionisation an ein Billardspiel, bei dem eine Kugel nach einem Zusammenstoß mit einer weiteren in Bewegung versetzt wird. Dabei reißt starkes Laserlicht ein Elektron aus einem Atom heraus, beschleunigt es erst einmal vom Atomrumpf weg und dann wieder auf den Atomrumpf zu. Bei dem Zusammenstoß überträgt das Elektron einen Teil seiner Bewegungsenergie auf ein zweites Elektron, das dabei in einen angeregten Zustand des Atomrumpfes versetzt wird. Wenig später wird durch das elektrische Feld des Laserpulses auch das zweite Elektron aus dem Atomrumpf herausgelöst. Da eine nicht-sequenzielle Doppelionisation normalerweise aus vielen derartigen Rekollisionen und Anregungen besteht, wird die genaue Interpretation von Experimenten erschwert. Um dieses Problem lösen, beschränkten das Team eine nicht-sequenzielle Doppelionisation auf eine einzige Rekollision und Anregung, wodurch der Prozess auf Attosekunden-Zeitskalen verfolgt werden konnte. Dazu schickten die Wissenschaftler einen nur vier femtosekunden-langen Laserpuls auf Argonatome (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde). Die Lichtwelle dieses Pulses verfügte über nicht viel mehr als einen Wellenberg und ein Wellental, also zwei Zyklen oder eine Schwingung. Durch das elektrische Feld des Laserlichts wurden die meisten Argonatome einfach ionisiert. Bei jedem tausendsten Atom fand jedoch die nicht-sequenzielle Doppelionisaton statt. Nach der Ionisation des ersten Elektrons kurz nach dem ersten Wellenberg, dauerte es rund 1,8 Femtosekunden, bis wieder zurück in Richtung Atomrumpf beschleunigte und das zweite Elektron anregte. Rund 400 Attosekunden verblieb das zweite Elektron dort bis es schließlich, kurz vor dem zweiten Wellenberg des Laserpulses, ebenfalls aus dem Atomrumpf herausgelöst wurde. Einer der Autoren der Studie, Boris Bergues vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, sagte: "Wir waren überrascht, dass das zweite Elektron schon 200 Attosekunden vor dem Maximum des zweiten Wellenbergs den Atomrumpf verließ." Das Team konnte einen wichtigen Einblick in dynamische Prozesse gewinnen, an denen mehrere Elektronen beteiligt sind, und daher die bisher geltende Annahme erfolgreich widerlegen, dass das Elektron den Atomrumpf erst beim Erreichen der Spitze des Wellenbergs verlässt. Diese Art der Forschung auf Attosekunden-Zeitskalen ist vor allem für das Verständnis der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie wichtig. Auf Moleküle angewandt könnte die neue Beobachtungstechnik dazu beitragen, einen tieferen Einblick in das Zusammenspiel von Elektronen bei chemischen Reaktionen zu gewinnen.Weitere Informationen finden Sie unter: Max-Planck-Institut für Quantenoptik: http://www.mpq.mpg.de/cms/mpq/index.html(öffnet in neuem Fenster)
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Deutschland, Vereinigte Staaten