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Inhalt archiviert am 2023-03-16

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Pilz-Autobahnen? Verbündete im Kampf gegen Schadstoffe

Pilze nehmen eine überaus wichtige Rolle in Ökosystemen ein, soviel steht bereits fest. Dennoch erleben die Wissenschaftler immer wieder große Überraschungen, wie groß ihre Bedeutung in der Natur tatsächlich ist. Einige Pilze sind nicht zu übersehen: Speisepilze ragen meistens...

Pilze nehmen eine überaus wichtige Rolle in Ökosystemen ein, soviel steht bereits fest. Dennoch erleben die Wissenschaftler immer wieder große Überraschungen, wie groß ihre Bedeutung in der Natur tatsächlich ist. Einige Pilze sind nicht zu übersehen: Speisepilze ragen meistens gut sichtbar aus dem Boden. Andere Pilze existieren jedoch unterhalb der Erdoberfläche, wo sie sich ausbreiten und als Pilzfäden den Boden durchwachsen. Diese Pilzgeflechte scheinen für bestimmte Bakterien eine Art Straßennetz zu bilden, entlang von diesem sie sich fortbewegen. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Deutschland entdecken nun weitere wichtige Reisenden auf diesen Pilz-Autobahnen: Schadstoffe, die sonst eher unbeweglich im Boden bleiben. Damit können diese Netzwerke einen Beitrag zur Sanierung belasteter Böden leisten. Diese im Fachjournal Environmental Science & Technology veröffentlichte Studie wurde zum Teil innerhalb des BIOGRID-Projekts ("Biotechnology information and knowledge grid") finanziert, das nahezu 835 000 EUR im Themenbereich "Technologien für die Informationsgesellschaft" (Information Society Technologies, IST) des Fünften Rahmenprogramms der EU (RP5) erhielt. Die meisten Pilze leben mit ihrer Umwelt in einer symbiotischen Beziehung, die sich manchmal nützlich, manchmal feindlich oder auch einfach so gestaltet, dass sie weder Schaden noch Nutzen verursachen. Den Wissenschaftlern zufolge können diese Pilzgeflechte eine Beziehung mit sich von Schadstoffen ernährenden Bodenmikroben eingehen und sich mit diesen verbünden. Es gibt bestimmte Bakterien, die am liebsten giftige Chemikalien verputzen und diese gleichzeitig in harmlose Substanzen umwandeln, wodurch belastetes Erdreich auf natürlichem Weg saniert wird. Aber die Bakterien mit ihrem Hunger sind nicht stets und ständig präsent. "Das Problem ist, dass sie die Schadstoffe oft gar nicht erreichen", erläutert UFZ-Forscher Lukas Y. Wick, der die Studie leitete. Die Bakterien haben Schwierigkeiten mit Substanzen, die nicht in Wasser löslich sind. Dazu gehören zum Beispiel die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die in Erdöl und Kohle zu finden sind und bei praktisch allen Verbrennungsprozessen freigesetzt werden. In dem komplizierten Labyrinth aus wasser- und luftgefüllten Poren, das sich durch das Erdreich zieht, finden Bakterien und diese PAK jedoch nur schwer zusammen. Die Mikroorganismen halten sich nämlich nur im Wasser und in dünnen Flüssigkeitsfilmen auf. "Die in Wasser nahezu unlöslichen PAKs heften sich dagegen oft an Bodenpartikel oder sammeln sich in winzigen luftgefüllten Poren", erläutert Dr. Wick. Somit liegen zwischen ihnen und ihren Nahrungsquellen Barrieren aus Luft. In einer früheren Studie entdeckten Dr. Wick und seine Kollegen, dass die Bakterien die Infrastruktur dieser riesigen Pilznetzwerke durchaus zu nutzen wissen. Das Pilzgeflecht scheint als eine Art Autobahnnetz zu funktionieren, auf dem die Mikroorganismen regelrecht reisen und sich ausbreiten können. Sie bewegen sich dabei an der Oberfläche der Hyphen fort und überwinden auf diese Weise ohne Probleme die Luftbarrieren zwischen zwei wassergefüllten Poren. Im neuen Forschungsvorhaben erforschte das UFZ-Team gemeinsam mit Kollegen der University of Lancaster im Vereinigten Königreich die Möglichkeit, dass auch Schadstoffe gut mit Hilfe des gleichen Pilzgeflechts vorankommen könnten. Die Forscher setzten zu Versuchszwecken einen Pseudopilz mit dem Namen Pythium ultimum ein, der im Boden recht weit verbreitet ist. Dieser wurde auf einem zentralen Plättchen mit Nährstoffen angesiedelt, von dem aus er seine Hyphen nach rechts und links zu zwei weiteren Nährstoffquellen ausstrecken konnte. Die drei Futterstationen waren durch Rechtecke aus einem nährstofffreien Material verbunden. Zwischen den Nährstoffplättchen und den Rechtecken klafften jedoch mehrere Lücken, die lediglich Luft enthielten. Diese sollten die luftgefüllten Poren im Boden simulieren. Die UFZ-Mitarbeiter brachten nun am Rand eines Rechtecks einen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoff mit der Bezeichnung Phenanthren ein. Dann untersuchten sie in regelmäßigen Abständen, ob sich diese Substanz auch in anderen Bereichen der Teststrecke nachweisen ließ. "Die Ergebnisse waren verblüffend", erzählt Dr. Wick. Innerhalb weniger Stunden wanderte der Kohlenwasserstoff von einem Ende der Versuchsanordnung zu dem anderen - und das zehn- bis hundertmal schneller, als er das durch einfache Diffusion hätte schaffen können. Er hatte dabei ohne Probleme die Luftspalten überwunden, was ihm auf der gleichen Strecke ohne die Pilznetzwerke nicht möglich war. "Die Hyphennetzwerke sind also nicht nur Autobahnen für Bakterien, sondern auch Pipelines für Schadstoffe", stellt Dr. Wick fest. "Eine einzelne Hyphe kann dabei stündlich bis zum 600-fachen Gewicht eines einzelnen Bakteriums transportieren." Das britische Team beobachtete im Detail, wie dieser Transport abläuft. Der Schadstoff wandert durch die Zellwand ins Innere der Hyphen. Dort wird er in winzige Bläschen eingeschlossen, die Pythium ultimum im Folgenden aktiv durch sein weitläufiges Netzwerk pumpt. Auf diese Weise mobilisiert die Pilz-Pipeline nicht nur Phenanthren, sondern auch andere schlecht in Wasser lösliche und daher eher unbewegliche Substanzen. Die Forscher wiederholten den Versuch mit verschiedenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und stellten bei allen effiziente Transportvorgänge fest. Über längere Strecken hinweg klappte der Transport kleiner Moleküle jedoch besser als bei den großen. "Vermutlich werden letztere nicht so gut in die Hyphen aufgenommen", merkt Dr. Wick an. Die Forscher hoffen nun, dass dieser Effekt künftig bei der Sanierung belasteter Böden anwendbar ist. Ein gezielter Einsatz von Pilzgeflechten könnte den Abbau von PAK sowie möglicherweise auch von anderen wasserunlöslichen Schadstoffen beschleunigen. "Das wird allerdings nur klappen, wenn man die richtigen Pilze und Bakterien kombiniert", erläutert Dr. Wick. Manche Arten dieser Organismen passen einfach nicht zusammen oder hemmen sich sogar gegenseitig. Natürlich fahnden die Forscher vom UFZ nun nach den am besten passenden Partnern für ihr mikrobielles Schadstoffbeseitiger-Team.Weitere Informationen unter: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: http://www.ufz.de/index.php?de=30703 Environmental Science & Technology: http://pubs.acs.org/journal/esthag

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