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Inhalt archiviert am 2023-03-20

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Mit Ultraschall gegen Lebertumoren

Lebertumoren sind entweder gutartig oder bösartig; bösartige Tumoren lassen sich in primäre und sekundäre unterteilen. In Europa handelt es sich bei einer solitären Läsion in der Leber eher um ein metastasierendes Karzinom als um einen primären Lebertumor. Zu den wichtigsten R...

Lebertumoren sind entweder gutartig oder bösartig; bösartige Tumoren lassen sich in primäre und sekundäre unterteilen. In Europa handelt es sich bei einer solitären Läsion in der Leber eher um ein metastasierendes Karzinom als um einen primären Lebertumor. Zu den wichtigsten Risikofaktoren für Leberkrebs zählen eine Infektion mit Hepatitis B oder C und starker Alkoholkonsum, die alle zu einer Zirrhose führen können. Bei Rauchern und Diabetikern besteht ebenfalls ein höheres Risiko, während der Verzehr von Lebensmitteln, die mit Aflatoxin belastet sind, in vielen Entwicklungsländern Leberkrebs verursacht. Häufig treten bei Leberkrebs erst in einem fortgeschrittenen Stadium Symptome auf, sodass die Krankheit selten frühzeitig diagnostiziert wird. Unter anderem lässt sich Leberkrebs auch mit Ultraschall behandeln. Mit Ultraschall lassen sich nicht nur Bilder aus dem Körper aufnehmen. Dazu zielen sie mit starken, gebündelten Ultraschallwellen so in den Körper des Patienten, dass dort die Krebszellen auf über 60 Grad Celsius erhitzt und zerstört werden. Das gesunde Gewebe dagegen bleibt weitgehend ungeschädigt. Bislang ist diese "fokussierte Ultraschalltherapie" nur für wenige Erkrankungen zugelassen, etwa zur Behandlung von Prostatakrebs und bestimmten Gebärmutter-Tumoren. In diesem Zusammenhang haben Forscher des von der EU finanzierten Projekts FUSIMO daran gearbeitet, das Einsatzfeld des Verfahrens auf Organe wie die Leber zu erweitern, die sich mit der Atmung im Bauchraum bewegen. Heute, zwei Jahre nach Projektstart, stellen sie erfolgversprechende Zwischenresultate vor. Will man die Leber mit fokussiertem Ultraschall behandeln, stößt man auf ein gravierendes Problem: Das Organ bewegt sich mit der Atmung auf und ab - und damit auch der zu behandelnde Tumor. Dadurch steigt die Gefahr, dass der Ultraschallstrahl die Krebszellen verfehlt und das umgebende gesunde Gewebe zu stark erhitzt. Deshalb haben Forscher das Verfahren bislang nur bei Patienten unter Vollnarkose getestet: Um den Tumor zu beschallen, halten sie die Beatmungsmaschine für einige Sekunden an, damit der Patient in absoluter Ruhe verharrt. Allerdings stellt jede Vollnarkose ein Risiko dar und belastet den Patienten, was den großen Vorteil der fokussierten Ultraschalltherapie - die Nicht-Invasivität - schmälert. Aus diesem Grund verfolgt das Projekt FUSIMO eine andere Strategie: Gelingt es, die Ultraschall-Behandlung der sich bewegenden Leber realitätsnah per Computersimulation zu berechnen, würde die Möglichkeit näher rücken, das Organ auch ohne Vollnarkose beschallen zu können. Dazu würde man den Ultraschallstrahl entweder nur dann einschalten, wenn der Tumor sich gerade durch den Brennpunkt bewegt. Oder man könnte den Strahl so nachführen, dass er das sich bewegende Geschwür stets im Visier hat. FUSIMO, koordiniert von Fraunhofer MEVIS, wird ein mehrstufiges Modell für die Bewegung der Organe im Bauchraum entwickeln, implementieren und validieren, um es in Verbindung mit FUS und magnetresonanztomographie-gesteuerter fokussierter Ultraschallchirurgie einzusetzen. Zwei Jahre nach Projektbeginn ist nun ein wichtiges Etappenziel erreicht: Die Experten haben eine Software erstellt, mit der sich eine Leber-OP per Ultraschall patientenindividuell simulieren lässt. Ausgangspunkt sind die Daten eines Magnetresonanz-Tomographen, der 3D-Bilder aus dem Bauchraum des Patienten liefert zusätzlich dessen Atembewegung erfasst. Auf der Basis dieses Datensatzes lässt sich der Ultraschall-Eingriff mit der FUSIMO-Software simulieren: Zu Beginn geben die Forscher ein, wann, wo und wie stark der Ultraschall aktiviert werden soll. Die von Fraunhofer MEVIS entwickelte Simulation der Temperatur im Bauchraum verbindet zwei Entwicklungen miteinander: die Berechnung der Ultraschallausbreitung durch die israelische Firma InSightec Ltd. sowie ein Modell für die Bewegung der Leber während der Atmung, entstanden im "Computer Vision Labor" der ETH Zürich. Das Ergebnis ist eine "Temperaturkarte" des Bauchraums. Sie zeigt an, ob der sich bewegende Tumor stark genug erhitzt wurde und das umliegende Gewebe verschont blieb. Ist das Ergebnis nicht optimal, lässt sich die Simulation mit anderen Parametern wiederholen. Langfristig könnte die Software den Arzt bei der OP-Planung unterstützen und während der Therapie helfen, den Behandlungserfolg zu überwachen. "Die fokussierte Ultraschalltherapie wird bereits häufig zur nicht-invasiven Tumorbehandlung eingesetzt, etwa bei Uterus-Fibroadenomen und Knochenmetastasen", erklärte Carlo Catalano, Chefradiologe der römischen La Sapienza-Universität kürzlich auf dem Europäischen Radiologenkongress in Wien. "Doch die Tumorbehandlung in bewegten Organen ist nach wie vor eine große Herausforderung." Hier sei FUSIMO ein spannendes Projekt mit dem Ziel, eine Computersimulation für die Behandlung der Leber mit fokussiertem Ultraschall zu entwickeln. Im verbleibenden Projektjahr wollen die MEVIS-Experten die Software verfeinern und gemeinsam mit dem Institute for Medical Science and Technology IMSaT der Universität Dundee und der Universität La Sapienza validieren, d. h. mit Daten aus Experimenten abgleichen - ein wichtiger Test für die Realitätstreue der Software. Im Prinzip ließe sich das Verfahren auch auf andere Organe im Bauchraum anwenden, die sich beim Atmen bewegen und vom Ultraschall-Strahl schwer zu treffen sind - z. B. Magen, Niere oder Zwölffingerdarm. Außerdem arbeiten die Fachleute an der Computersimulation eines "Medikamenten-Taxis": Das Prinzip: Ein Krebsmedikament, eingeschlossen in kleine Fettkügelchen, wird in den Blutkreislauf verabreicht. Der gebündelte Ultraschallstrahl fungiert hier als Schlüssel, der die Fettkügelchen gezielt im Tumor öffnet, etwa in der Leber. Dadurch ließe sich die Wirksamkeit des Medikaments steigern, schädliche Nebenwirkungen würden verringert. Dank minimalinvasiver Verfahren können die Patienten schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden und in ihren Alltag zurückkehren als bei herkömmlichen chirurgischen Eingriffen. Da diese Verfahren weniger invasiv sind als herkömmliche Eingriffe, treten normalerweise nicht so starke Schmerzen auf und die Dauer des Krankenhausaufenthalts ist kürzer. Diese neue Software wird Ärzte bei der Planung von Operationen und der Überwachung von Behandlungsergebnissen unterstützen, außerdem erleichtern sie die Planung individueller nicht invasiver, zielgerichteter Behandlungen, die Millionen von Patienten mit ernsten Krankheiten auf der ganzen Welt helfen können. FUSIMO steht für "Patient specific modelling and simulation of focused ultrasound in moving organs". Das EU-Projekt startete Anfang 2011 und wird mit 4,7 Mio. EUR über einen Zeitraum von drei Jahren finanziert. Beteiligt sind elf Institutionen aus neun Ländern. Koordiniert wird das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen, Deutschland.Weitere Informationen sind abrufbar unter: Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS http://www.mevis.fraunhofer.de/

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Deutschland

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