Neue Stammzelltherapie für ischämische Herzkrankheit
Das EU-finanzierte Projekt CSC (Cardiac stem cells) nahm sich vor, das Problem der chronischen Herzinsuffizienz in Europa anzugehen. Während sich frühere Studien auf patienteneigne Spenderzellen konzentrierten, stehen beim CARE-MI-Team Zellen verschiedener Spender auf dem Programm. Klinische Studien sollen schon im Sommer 2014 in Spanien und Belgien anlaufen. Im Jahr 2011 war die ischämische Herzkrankheit (IHK) in den OECD-Ländern für 12 % aller Todesfälle verantwortlich. Bei der Krankheit wird fortschreitend Herzmuskelgewebe infolge von Durchblutungsstörungen und mangelnder Sauerstoffversorgung im Herzen zerstört. Während Angioplastie und Stents dazu beitrugen, die hohe Sterblichkeitsrate zu senken, fehlt es bislang an Lösungen zur Regeneration des geschädigten Gewebes, sodass trotz anfänglicher Genesung Umbauprozesse im Herzen stattfinden, die schließlich zu chronischer Herzinsuffizienz (chronic heart failure, CHF) führen. Die einzig wirksame Therapie einer CHF ist die Herztransplantation, aber nur wenige Patienten haben das Glück, in der verbleibenden Zeit einen geeigneten Spender zu finden. Eine Alternative zur Transplantation wäre der Einsatz endogener kardialer Stammzellen (CSC) - pluripotente Zellen, die erst kürzlich im adulten Myokardgewebe (Herzmuskel) entdeckt wurden. CSC können das geschädigte Gewebe regenerieren, indem sie die Produktion neuer Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) anregen oder über Wachstumsfaktoren molekulare Signalwege zur Reparatur aktivieren. Diese Möglichkeit wurde erst kürzlich im Rahmen einer autologen Zelltherapie zur Reparatur von geschädigtem Gewebe getestet, d.h. das Herzmuskelgewebe konnte mit patienteneigenen Zellen regeneriert werden. Dieses viel versprechende Konzept der autologen Spende ist jedoch sehr zeitaufwändig, teuer und vor allem relativ ineffektiv. Forscher vom Projekt CARE-MI (Cardio repair European multidisciplinary initiative) wollen dieses Problem nun mit Fördermitteln des Siebten Rahmenprogramms (RP7) lösen und autologe durch allogene Zellen ersetzen. Dabei stammen die Zellen nicht mehr vom Patienten selbst, sondern werden mittels einer neuen Methodik verschiedenen Spendern entnommen. Dr. Antonio Bernad, Koordinator des Projekts, geht davon aus, dass die In-situ-Aktivierung, Vermehrung und Differenzierung endogener CSC neue Möglichkeiten für sofort einsetzbare, kostengünstige und patientenschonende Therapien eröffnet. Was sind die wichtigsten Ziele des Projekts? Hierzu erklärt Antonio Bernad: "Unser Hauptziel ist es, gängige und klinisch anwendbare Therapien für IHK zu entwickeln. CARE-MI macht sich die Eigenschaften endogener residenter kardialer Stammzellen (eCSC) und die molekularen Mechanismen für deren In-situ-Aktivierung und -Differenzierung zunutze. Die neuen Therapien haben unmittelbare Wirkung auf die eCSC-Population, d.h. sie fördern deren Aktivierung, Expansion und Differenzierung zu Kardiomyozyten (endotheliale und glatte Gefäßmuskelzellen), damit sich das kontraktile Gewebe und die Mikrogefäße regenerieren, die infolge der Ischämie zerstört wurden. So konnten die Therapien bereits in ersten präklinischen Studien an Tiermodellen mit ähnlichen anatomischen, physiologischen und pathologischen Eigenschaften wie bei menschlichem Herzmuskelgewebe bestätigt werden. Für eine effektive und klinisch anwendbare Regenerationstherapie müssen wir die jeweiligen Vorteile beider Arten von Therapien vergleichen und für optimale Ergebnisse möglicherweise kombinieren. Inwieweit ist die Projektarbeit neu oder innovativ? CARE-MI beruht auf dem Einsatz allogener CSC und/oder einer begrenzten Anzahl von Regenerationsfaktoren, die, wie man inzwischen weiß, von eCSC sezerniert werden, um in situ das endogene Reparaturprogramm anzuregen und einzuleiten. Diese allogenen CSC, die nur vorübergehend im Empfänger überleben, lösen einen starken körpereigenen Regenerationsprozess aus, indem sie endogene eCSC aktivieren. Die Aktivierung kann eine fortschreitende Zerstörung des Herzmuskels verhindern und teilweise die Anatomie und Funktion des geschädigten Myokards wiederherstellen. Die beiden vorgeschlagenen Behandlungen und/oder deren Kombination bieten erstmals die Möglichkeit für generische, serienmäßige regenerative Therapien, die sofort einsetzbar sind, wo technische Möglichkeiten und fachliche Expertise zur Behandlung von AMI und Durchführung von PTCA vorhanden sind - was in den meisten größeren medizinischen Zentren der Fall ist. Da es sich um generische Therapien handelt, stehen sie allen Patienten offen. Ein weiterer großer Vorteil der neuen Strategie ist, dass autologes regeneriertes Myokardgewebe entsteht, obwohl die Zellen generisch und standardmäßig gewonnen werden. Wir sind fest davon überzeugt, dass der Übergang von der autologen Zelltherapie - die bereits umfassend klinisch getestet wurde - zur allogenen Therapie und deren parakrinem Effekt bis zur zellfreien Therapie, die auf diesen parakrinen Faktoren beruht, nicht nur ein logischer Schritt, sondern auch der sicherste Weg für Fortschritte in diesem Bereich ist. Wo lagen die größten Probleme und wie wurden sie gelöst? CARE-MI investierte enorm viel Arbeit, um zu demonstrieren, dass der Einsatz allogener CSC zur IHK-Behandlung machbar ist. Eine der größten Herausforderungen für das Konsortium war die logistische Planung der klinischen Studie. So mussten etwa die Voraussetzungen für die großtechnische Gewinnung der Zellen geschaffen werden, da wir ja ein medizinisches Produkt herstellen. Die Einhaltung der strengen Vorschriften und Reproduzierbarkeit der Zellidentität forderten uns unter Leitung von CORETHERAPIX Ltd., dem Partner und Förderer der klinischen Studie, viel ab. Auch Effekte allogener Zellen (etwa immunregulatorische Eigenschaften und etwaige Immunreaktionen von CSC) waren immer wieder Diskussionsstoff, vor allem hinsichtlich der Entwicklung zuverlässigerer Methoden zur Bewertung dieser Eigenschaften. Doch dank der Mitarbeit von Experten und externen wissenschaftlichen Beratern konnte CARE-MI die meisten dieser Schwierigkeiten überwinden. Sind Sie mit den bisherigen Projektergebnissen zufrieden? Das Projekt erzielte in diesem vierten Jahr bedeutsame Ergebnisse; so entwickelte CARE-MI GMP-Standards für die Produktion von Zelltherapeutika, die in den klinischen Studien verwendet werden können, während das komplette Antragsformular für die klinische Studie (CTA) bei der spanischen und belgischen Arzneimittelbehörde (AEMPS bzw. FAGG) bereits eingereicht ist. Die spanische Aufsichtsbehörde genehmigte den CTA am 16. April 2014. Damit hat CARE-MI einen der wichtigsten Meilensteine ??des Projekts erreicht, und nun steht noch die endgültige Entscheidung der belgischen Aufsichtsbehörde FAMHP aus. Eine klinische Studie soll in Kürze starten. Nach der Rekrutierungsphase soll die Behandlung unserer ersten Patienten schon in diesem Sommer beginnen. Dies alles ist für uns sehr spannend und wir hoffen, im Lauf des Jahres weitere relevante Ergebnisse zu produzieren. Wie sehen die nächsten Schritte für das Projekt selbst und nach dessen Abschluss aus? Demnächst soll der zweite Abschnitt unseres Projekts beschleunigt werden: der Test von Wachstumsfaktoren als mögliche alternative Behandlung einer IHD. Unser Endziel ist es, genug Daten für die präklinische Studie zu sammeln, unter Berücksichtigung unserer bisherigen Erfahrungen mit Aufsichtsbehörden. Natürlich wollen wir auch das Protokoll für die klinische Studie erstellen und möglichst relevante Aussagen zur Immunantwort der Patienten auf die Behandlung machen, zudem soll die Sicherheit und Wirksamkeit der vorgeschlagenen Therapie geprüft werden. Wir haben auch einen Vorschlag (Horizon 2020) für die klinische Prüfung von CSC (CARE-MI) zur Behandlung chronischer Erkrankungen vorgelegt. Sobald die Forschungsgelder bewilligt sind, könnten wir in zwei Jahren mit der klinischen Studie beginnen. Wann sehen die Patienten die Resultate Ihrer Forschungen? Bei innovativen Behandlungen muss man sehr vorsichtig sein, keine falschen Hoffnungen zu wecken. Wir sind in Phase I/II der klinischen Prüfung, was bedeutet, dass weitere Studien notwendig sind, bevor die endgültige Freigabe des Produkts erfolgt. Allerdings sind wir zuversichtlich: die präklinische Phase lässt auf positive Behandlungsergebnisse beim Patienten schließen. Den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem jeder Patient behandelt werden kann, ist schwierig, aber wir setzen einen zeitlichen Rahmen von fünf Jahren an, was eng an den optimalen Entwicklungsplan unseres Industriepartners CORETHERAPIX geknüpft ist, der Phase III finanziell unterstützt.