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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Sicher und zuverlässig: Versprechen für die Zukunft der Wasserstoffversorgung durch HySTOC

Flüssige organische Wasserstoffträger sind eine der besten Möglichkeiten für den Transport von Wasserstoff über lange Strecken. Das Projekt HySTOC hat neue Materialien eingesetzt, um deren Lagerkapazität zu erhöhen, die Kosten zu reduzieren und die Verwendung sicherer zu machen.

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Hydrogenious LOHC Technologies wurde 2013 aufgrund einer bahnbrechenden Entdeckung gegründet: Einem neuen Wasserstoffträgermaterial, das alle existierenden Alternativen übertreffen könnte. Das neue Material war sicher, nahezu nicht entflammbar, erhöhte die Lagerkapazität um das Fünffache und verringerte die Kosten des Wasserstofftransports um bis zu 80 %. Fünf Jahre später erhielt das Unternehmen eine Finanzierung über das Gemeinsame Unternehmen „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ der Europäischen Kommission. Martin Johannes Schneider, führender Produktmanager und Koordinator des Projekts HySTOC (Hydrogen Supply and Transportation using liquid Organic Hydrogen Carriers), erzählt uns mehr über das Projekt. Er spricht über die Ziele und erläutert Pläne für ihre zukünftige Kommerzialisierung.

Was ist die LOHC-Technologie und wie genau funktioniert sie?

Martin Johannes Schneider: Unser Unternehmen ist ein Vorreiter im Bereich der Wasserstofflagerung und nimmt eine globale Spitzenposition ein. Das konnten wir durch ein patentiertes flüssiges organisches Wasserstoffträgermaterial (LOHC) erreichen, das die sichere und effiziente Wasserstofflagerung in Form eines einfach transportierbaren Öls ermöglicht. Unsere Technologie eliminiert die Notwendigkeit von Drucktanks für Wasserstoff. Flüssige organische Wasserstoffträger können Wasserstoff bei hoher Speicherdichte unter Umgebungsbedingungen chemisch speichern. Die Wasserstofflagerung geschieht durch exothermische katalytische Hydrierung, der Freigabeprozess basiert auf endothermischer katalytischer Dehydrierung. Hydrogenious LOHC Technologies entwickelt und betreibt die Systeme StorageBOX und ReleaseBOX für LOHC-basierte Wasserstoffinfrastrukturen.

Wie lässt sich diese Technologie mit bestehenden Lagerlösungen, mit oder ohne flüssiges organisches Wasserstoffträgermaterial unter Verwendung anderer Materialien, vergleichen?

Unser LOHC-Öl (Dibenzyltoluol) ist kaum entflammbar und nicht explosionsgefährdet. Dadurch werden die Lagerung und der Transport großer Mengen Wasserstoff absolut sicher, wohingegen andere LOHC-Materialien andere Eigenschaften aufweisen. Toluene zum Beispiel haben eine geringere gravimetrische Wasserstofflagerungsdichte und höhere Entzündbarkeit. Alternativen ohne flüssiges organisches Wasserstoffträgermaterial arbeiten meist mit kryogener Wasserstoffspeicherung unter Hochdruck. Es werden zur Lagerung und zum Transport von Wasserstoff entweder extremer Druck (500 bis 1 000 bar) oder extreme Temperaturen (-253 °C) benötigt. Unser LOHC-Öl kann viel einfacher transportiert werden. Man kann die bereits vorhandene Infrastruktur für fossile Brennstoffe, wie Lastwagen, Züge und Schiffe, einsetzen.

Wie fortgeschritten ist der Entwicklungsprozess?

Das StorageBOX-System wurde erfolgreich konstruiert und von Deutschland nach Finnland versetzt. Außerdem konnten wir ein CE-klassifiziertes System entwickeln, das großes Potenzial zur Normung hat. Dies ermöglicht eine schnelle Markteinführung mit einer erhöhten Anzahl gelieferter Systeme.

Haben Sie Herausforderungen bei der Entwicklung und Vorstellung der Technologie meistern müssen? Wenn ja, wie haben Sie das geschafft?

Die Umweltbedingungen in Finnland, mit Temperaturen von bis zu -30 °C, haben uns vor unbekannte Herausforderungen gestellt. Gleichermaßen hat die Integration neuer Prozessstufen, beispielsweise dem Kompressionsschritt, den Entwurf der Anlage komplexer gemacht als wir zunächst angenommen hatten. Wir mussten zum Beispiel den Explosionsschutz beachten. Die besonderen Anforderungen dieses Projekts haben unsere technische Expertise verbessert, besonders in Hinblick auf komplexe und extreme Standortanforderungen.

Was müssen Sie bis Projektende im Dezember außerdem noch in Angriff nehmen?

Der Ausbruch des Coronavirus hat es monatelang unmöglich gemacht, die StorageBOX wie geplant einzusetzen. Wir hoffen, zumindest beide Anlagen in Finnland erfolgreich in Dienst zu stellen und sie bis Ende 2020 dauerhaft in Betrieb zu nehmen.

Wie war das bisherige Feedback der potenziellen Kundschaft?

Das Interesse an dieser Art LOHC-System ist enorm. Allein im ersten Quartal diesen Jahres haben wir mehrere Angebote identischer Anlagen an Kunden versendet. Allerdings müssen wir manchmal mit komplett unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die angefragten Anwendungsszenarien am jeweiligen Standort arbeiten. Dies hat Einfluss auf das Maß, in dem Folgeaufträge ausgeführt werden können. Großangelegte Wasserstoffinfrastrukturprojekte haben großes Interesse an unseren LOHC-Systemen gezeigt. Für die Markteinführung von StoragePLANT und ReleasePLANT wurden unsere LOHC-Systeme zugunsten der Wasserstofflagerung und -freigabe mehrerer Tonnen flüssigen organischen Wasserstoffträgermaterials sogar ausgebaut.

Mangelndes Selbstbewusstsein, hohe Kosten und limitierte Infrastruktur sind die größten Probleme des Sektors. Auf welche Art hoffen Sie mit HySTOC zur Überwindung dieser Hindernisse beizutragen?

HySTOC hat wichtige Schritte zur Anpassung der LOHC-Technologie an bestimmte Marktbedürfnisse gemacht, unter anderem in Bezug auf hohe Wasserstoffqualität, Hochdruckwasserstoff und extreme Wetterbedingungen. Die StorageBOX- und ReleaseBOX-Systeme sind der Referenzrahmen für moderne LOHC-Systeme geworden. Ein erfolgreicher Feldversuch wird der Technologie eine starke Marktposition sichern und die Grundlage für einen weiteren Ausbau legen. Mangelndes Selbstbewusstsein und hohe Kosten können nur behoben werden, wenn großangelegte Projekte umgesetzt werden. Wasserstofftechnologien mit flüssigem organischem Wasserstoffträgermaterial sind aus technologischer Sicht bereit für den Markt, genau wie erneuerbare Energien es vor 20 Jahren waren. Staatsorgane und Finanzierungsmechanismen wie der EU-EHS-Innovationsfonds und IPCEI, mit besonderem Fokus auf Betriebsausgaben, sind jetzt notwendig, um ein Marktversagen zu verhindern und die Wasserstoffinfrastruktur schnell auf den Markt zu bringen. Durch Großserienfertigung werden die Kosten gesenkt.

Schlüsselbegriffe

HySTOC, Wasserstofflagerung, Wasserstofftransport, flüssiges organisches Wasserstoffträgermaterial, Dibenzyltoluene

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