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Mit spukhaften Neutrinos und dunkler Materie die Dominanz der Materie über die Antimaterie erklären

Warum ist das Universum mit Materie gefüllt und nicht mit Antimaterie? Nach Antworten auf diese Frage, bei der es um eines der faszinierendsten Rätsel der modernen Kosmologie geht, sucht InvisiblesPlus, das erste transnationale Programm in Europa, das geisterhafte Teilchen und „fehlende“ Massen im Universum erforscht.

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Das jahrzehntelang alles beherrschende Modell der physikalischen Welt, das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik, wird durch eine immer länger werdende Liste natürlicher Erscheinungen, die nicht zu ihm zu passen scheinen, ernsthaft in Frage gestellt. Neutrinooszillationen, dunkle Materie und Energie sowie das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie sprechen für neue, naturgetreuere Modelle der Physik. Das EU-finanzierte Projekt InvisiblesPlus gibt faszinierende Hinweise auf verborgene Identitäten und Eigenschaften von Neutrinos und Kandidaten für dunkle Materie und beantwortet Fragen zu fundamentalen Symmetrien in der Natur.

Neutrinos, Antineutrinos und verborgene Asymmetrien

Fast jedes Teilchen existiert auch als Antiteilchen, das Teil der Antimaterie ist. Das Antiteilchen hat die gleiche Masse, jedoch sind Ladung und magnetisches Moment entgegengesetzt gleich. Neutrinos verfügen jedoch über keine elektrische Ladung, was die Chancen darauf, dass Neutrinos und Antineutrinos ein und dasselbe sind, steigen lässt. „Die fehlende Antimaterie in unserem sichtbaren Universum ließe sich erklären, wenn die Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen wären. Jedoch würde diese Möglichkeit auf die Existenz neuer, bislang unbeobachteter Teilchen hinauslaufen. Wir konnten nachweisen, dass diese Teilchenmassen in den derzeit laufenden und zukünftigen Versuchen experimentell greifbar sein könnten, und wir haben für die Suche nach ihnen neue Strategien konzipiert. Unserem neuartigen Vorschlag zufolge könnten in Kürze neue Teilchen entdeckt werden, die der Schlüssel zur fehlenden Antimaterie im Universum sind“, erklärt Belén Gavela, Koordinatorin von InvisiblesPlus. Die aus einer Abweichung zwischen den Flavour- und Masse-Eigenzuständen der Neutrinos resultierenden Neutrinooszillationen besagen, dass das Neutrino eine Masse ungleich Null hat. Eine Analyse der Daten über Neutrinooszillationen deutete auf neue Nebenbedingungen hin und verbesserte die Messungen der Werte der Neutrinomischungsparameter. Aus Analysen kosmologischer Daten schlussfolgerte das InvisiblesPlus-Team außerdem auf neuartige Grenzen für den absoluten Wert der Neutrinomassen. Im Rahmen des Neutrino-Experiments T2K berichteten Projektmitglieder über Differenzen zwischen den Oszillationen der Neutrino- und Antineutrinostrahlen. Diese Messung der Asymmetrie zwischen Neutrino- und Antineutrinooszillationen könnte die Wissenschaft der Erklärung der Existenz unseres von Materie dominierten Universums näherbringen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Geheimnissen von Antimaterie und dunkler Materie?

Das überraschende Fehlen ursprünglicher Antimaterie im Universum könnte in der dunklen Materie begründet sein. Neben den (sterilen) Neutrinos könnte dunkle Materie auch aus Axionen bestehen. „Wie Axionen mit Materie und Antimaterie in Wechselwirkung stehen, könnte wichtige Hinweise in Bezug auf die Vorherrschaft der Materie gegenüber der Antimaterie liefern“, erklärt Gavela. Vom Projektforschungsteam durchgeführte theoretische Studien legten nahe, dass Axionen als potenzielle Kandidaten für dunkle Materie viel schwerere Teilchen sind, als erwartet wurde. Im Rahmen des Axion Dark Matter Experiment (ADMX) stellte das Team die weltweit genauesten Einschränkungen für die Axionmasse auf und schloss Axionen eines bestimmten Massenbereichs als dunkle Materie aus. Auch innerhalb des XENON-Experiments wurden die Einschränkungen für die Eigenschaften dunkler Materie verschärft. „Es ist äußerst interessant, dass es eine ‚technische Synergie‘ zwischen den Suchen nach Neutrinos und dunkler Materie gibt. Beispielsweise kann ein auf edlen Elementen beruhendes experimentelles Verfahren (wie das XENON-Experiment) dazu dienen, dunkle Materie direkt nachzuweisen und zu erkennen, ob Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind“, erläutert Gavela. Noch ist unbekannt, ob sich Neutrinos ihre Masse über den Higgs-Mechanismus aneignen. Auch die Elementarteilchen der dunklen Materie harren weiterhin ihrer Entdeckung. „Wir wissen immer noch nichts über den Massenursprung und die Massenwerte von Neutrinos und dunkler Materie. Möglicherweise muss das Ensemble aus gewöhnlicher sichtbarer Materie, Neutrinos und dunkler Materie als Gesamtbild betrachtet werden, als eine Art neues Periodensystem, um den Ursprung der Masse zu verstehen“, lautet das Fazit von Gavela.

Schlüsselbegriffe

InvisiblesPlus, Neutrino, dunkle Materie, Antimaterie, Masse, Axion, Antineutrino

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