Wie ein künstliches Blatt das volle Potenzial der Sonnenenergie ausschöpft
Mit der nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Energiequellen wird der Weg in eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe bereitet. „In den 1980ern glaubte niemand daran, dass die Photovoltaik jemals kommerziell nutzbar werden würde“, erinnert sich José Ramón Galán-Mascarós, Projektkoordinator von A-LEAF und Forschungsprofessor am Institute of Chemical Research of Catalonia in Spanien. „Heute nun ist Sonnenenergie billiger als viele andere Energiequellen, die das Stromnetz speisen. Natürlich ist diese Situation das Ergebnis intensiver wissenschaftlicher Arbeit, sie ist aber auch darauf zurückzuführen, dass wir in der Lage waren, die Technologie im großen Maßstab zu realisieren.“ Da nun immer mehr erneuerbare Energien in Elektrizität umgewandelt werden, ist die Speicherung zu einem Schlüsselthema geworden. „Wenn wir tatsächlich von den fossilen Brennstoffen wegkommen wollen, können wir uns bei der Energiespeicherung nicht nur auf Batterien verlassen“, erklärt Galán-Mascarós. „Beispielsweise werden in der Größenordnung der Schwerindustrie die Batterien einfach zu wuchtig und funktionieren nicht ausreichend zuverlässig.“
Künstliche Blätter
Eine Lösung für diese Problem stellt die Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in „grünen“, CO2-neutralen Brennstoff dar. Diese Variante wäre effizient und umweltfreundlich. So könnte überschüssige Sonnenenergie gespeichert werden, wenn es beispielsweise zu sonnig ist. Fossile Brennstoffe wären direkt ersetzbar. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich die Technologie jedoch sowohl als zuverlässig als auch als skalierbar erweisen. Deshalb lautete die Aufgabe des Projekts A-LEAF, eine die Photosynthese nachahmende Vorrichtung zu entwickeln, die solare Brennstoffe und Chemikalien erzeugt. Der etwas an eine Getränkedose erinnernde fertige Prototyp absorbiert das Sonnenlicht – und das in etwa so wie die Blätter einer Pflanze. Unter Zugabe von Wasser und Kohlendioxid erzeugt er Formiat, das als solarer Brennstoff dienen kann, sowie Sauerstoff. „Dieses Projekt war aus wissenschaftlicher Sicht etwas kniffelig, da wir nicht unbedingt die bestmöglichen Materialien für den Bau unserer Vorrichtung verwendet haben“, fügt Galán-Mascarós hinzu. „Wir hätten seltene Rohstoffe einsetzen können, die möglicherweise effektiver gewesen wären, aber dann wäre es schwierig gewesen, diese Erfindung als eine nachhaltige Lösung zu präsentieren, welche die Gesellschaft verändern kann.“ Im Rahmen des Projekts wurde wissenschaftliches Fachwissen aus vielen Bereichen mit Erfahrungen aus der Industrie kombiniert. Alle Beteiligten verfolgten das gemeinsame Ziel, die erneuerbaren Energien voranzubringen. „Wir alle wussten genau, dass wir ein künstliches Blatt entwickeln mussten, das funktioniert und dabei rentabel und nachhaltig ist“, berichtet Galán-Mascarós. „Wir können uns nicht nur auf die Wissenschaft konzentrieren, wenn wir den Übergang zu einer von fossilen Rohstoffen unabhängigen Wirtschaft schaffen wollen.“
Dekarbonisierte Zukunft
Nachdem die Realisierbarkeit der Technologie nachgewiesen wurde, wird der nächste Schritt darin bestehen, weitere Industriepartnerschaften aufzubauen und den Prozessmaßstab zu vergrößern. „Dass diese Technologie funktioniert, ohne auf teure, kritische Rohstoffe angewiesen zu sein, haben wir bewiesen“, betont Galán-Mascarós. Die Frage lautet jetzt nicht, ob der Wirkungsgrad um 10 oder 15 % verbessert werden kann, sondern ob die Produktion von beispielsweise 50 mg Brennstoff pro Stunde auf 50 kg pro Stunde gesteigert werden kann. „Wir müssen Mengen erzeugen, die für die Industrie interessant sind“, fügt er hinzu. Das Projekt hat außerdem die Pionierarbeit für einige neue wissenschaftliche Verfahren und Rechenwerkzeuge geleistet, mit denen das Leistungsverhalten von Materialien unter strengen Bedingungen bis hin zu einer Auflösung im Nanometerbereich wissenschaftlich untersucht werden kann. Galán-Mascarós hebt jedoch hervor, dass das wichtigste Ergebnis des Projekts der Beitrag zum Übergang zu erneuerbaren Brennstoffen sein wird. „Es wurde eine neue Generation der Forschenden und technologisch Arbeitenden im Bereich der solaren Brennstoffe geschult“, erläutert er. „Unser wichtigster Beitrag bestand darin, das Wissen über und das Bewusstsein für die Bedeutung und das Potenzial dieses Gebiets zu verbessern. Wir hoffen nun, dass A-LEAF eine – wenn auch nur kleine – Rolle auf dem Weg in eine dekarbonisierte Zukunft gespielt hat.“
Schlüsselbegriffe
A-LEAF, Solar, Photosynthese, Energie, Elektrizität, Kraftstoffe, Brennstoffe, dekarbonisiert, erneuerbar