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Comparative genomics of non-model invertebrates

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Unser genomisches Wissens über wirbellose Tiere erweitern

IGNITE konnte mit der Entwicklung innovativer neuer Werkzeuge für die qualitativ hochwertige Genomassemblierung und -analyse eine Lücke in unserem genomischen Wissen über wenig erforschte wirbellose Tiere schließen.

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95 % aller Tiere auf der Erde sind Wirbellose, die ganz ohne Wirbelsäule auskommen. Dazu gehören Insekten, Spinnen und Schnecken. Mit Ausnahme einiger Modellorganismen, die häufig in der Forschung eingesetzt werden, wie zum Beispiel der Fasenwurm Caenorhabditis elegans und die Taufliege Drosophila, ist über die Genome von Wirbellosen jedoch eher wenig bekannt. Grund dafür ist vor allem die große Vielfalt ihrer Phänotypen und Lebenszyklen. Taxonomisch gibt es aktuell 35 Biologie (Stämme) von Wirbellosen, die vom winzigen Rädertierchen (0,1–0,5 mm) bis zum kolossalen Tintenfisch (10–14 m) alles abdecken. „Abgesehen von Wissenslücken in Hinsicht auf ihre evolutionäre und ökologische Bedeutung stellen Wirbellose ein Reservoir an genetischen Ressourcen dar, die möglicherweise für die Gesundheit des Menschen von Nutzen sind, zum Beispiel als Quellen neuartiger Wirkstoffe und biomimetischer Materialien“, sagt Gert Wörheide, Koordinator des Projekts IGNITE, das mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen durchgeführt wurde. In seiner Funktion als Bestandteil eines innovativen Ausbildungsnetzes bildete IGNITE innerhalb von stark interdisziplinär und sektorübergreifend geprägten Projekten 15 Nachwuchsforschende aus. Das Forschungsziel von IGNITE bestand darin, die Evolution der Wirbellosen zu untersuchen, zu verstehen, wie die Umwelt ihre Genomfunktion verändert hat, und die bioinformatischen Pipelines für Genom- und Transkriptomzusammenstellung, Analyse und semantische Veröffentlichung weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Entwicklung maßgeschneiderter Forschungsansätze

Bekannt ist, dass die Genome von Wirbellosen typischerweise stark heterozygot in Erscheinung treten, was bedeutet, dass sie von jedem Elternteil unterschiedliche genetische Merkmale geerbt haben. Da diese oft viele sich wiederholende Elemente enthalten, gestaltet sich die Genomanalyse anspruchsvoll. „Folglich funktioniert die einheitliche Herangehensweise, welche die Forschung mit Modellorganismen erleichtert, bei den meisten Wirbellosen nicht, weshalb IGNITE maßgeschneiderte Ansätze entwickelt hat“, erklärt Wörheide von der Ludwig-Maximilians-Universität München, an der das Projekt angesiedelt ist. Beispielsweise wurden im Rahmen eines Projektvorhabens Methoden zur Chromosomen-Konformationserfassung, insbesondere Hi-C, erweitert, wodurch sie besser für die Analyse von Nicht-Modell-Genomen von Wirbellosen geeignet sind. Diese Daten werden in immer stärkerem Maße verwendet, um zu analysieren, wie Chromatin im gesamten Genom organisiert ist, und um die dreidimensionale Organisation des Genoms zu verstehen, wodurch es möglich wird, Genomgerüste für qualitativ hochwertige Referenzgenome auf Chromosomenebene zu erstellen. Nach der Verbesserung wurde mit diesen Verfahren das Genom eines im Meer lebenden Pfeilwurms (Chaetognatha) untersucht, der zu einer taxonomischen Gruppe gehört, deren genomischer Aufbau mit konventionellen Ansätzen nur sehr schwierig zu erforschen ist. „Diese Errungenschaft im Bereich der vergleichenden Genomik wird dazu beitragen, Licht in die Evolution dieses bislang wenig untersuchten Tieres zu bringen, und sie dient als Konzeptnachweis für andere ähnliche Tiere“, fügt Wörheide hinzu. Bei einem weiteren Projektvorhaben wurden sequenzierte Genome, Transkriptome und Bioinformatikanalysen genutzt, um zu erforschen, wie die natürlichen Abwehrkräfte der Tiere in den letzten 500 Millionen Jahren entstanden sind. Die Forschenden charakterisierten die Biosynthesewege für die Giftproduktion der marinen Schneckengattung Conus. „Zusätzliches Wissen über derartige natürlich entwickelte Schutzmechanismen kann uns nicht nur mehr über die Evolution von Arten, die ökologische Fitness und Krankheiten verraten, sondern auch biotechnologische Anwendungen, etwa die Bereitstellung von Wirkstoffverbindungen, nach sich ziehen“, erläutert Wörheide. In diesem Sinne erforschte ein anderes Projektvorhaben die Genome eines Meeresschwamms namens Haliclona oculata, um zu erfahren, wie dort zytotoxische Sekundärmetaboliten erzeugt werden. Es gibt die Idee, diese als Schutzmechanismus zu nutzen, um beispielsweise Lebensräume zwischen Korallenriffen zu sichern. Da diese bioaktiven Verbindungen die Zellteilung in konkurrierenden Organismen hemmen, erwecken sie auch medizinisches Interesse, denn sie könnten zur Entwicklung neuer antimikrobieller, antiviraler und krebsbekämpfender Wirkstoffe wie Steroide oder Alkaloide herangezogen werden.

Zukünftig die Innovation anführen

Auch wenn viele der Nachwuchsforschenden von IGNITE ihre Promotion noch nicht abgeschlossen haben, konnte die Gruppe bereits eine Artikelserie veröffentlichen. „Genomikforschende werden zunehmend von Forschungseinrichtungen sowie Software- und Biomedizinunternehmen nachgefragt. Durch ihre umfassende Ausbildung von der Geobiologie bis zur Bioinformatik sind unsere Promovierenden sehr gut aufgestellt, um jene Innovationen anzuführen, die einen echten Wandel für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Umwelt bewirken werden“, bekräftigt Wörheide abschließend. Die Tatsache, dass mehrere Nachwuchsforschende unmittelbar nach ihrer Zeit bei IGNITE in prestigeträchtige Positionen in Wissenschaft und Industrie berufen wurden, zeugt genau davon.

Schlüsselbegriffe

IGNITE, Wirbellose, Phyla, Stämme, Genom, heterozygot, Meereswurm, Meeresschnecke, Meeresschwamm, Chromatin

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