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Warum können wir Erdwärme nicht überall nutzen?

Je tiefer man in die Erde vordringt, desto heißer wird es. Doch warum wird diese Wärme nicht überall angezapft? Unser Sachverständiger Philippe Dumas nennt uns einige handfeste Fakten.

Beim Gedanken an geothermische Energie in Europa denkt man sofort an die heißen Quellen in Island. Tatsächlich aber führt Italien die Liste der europäischen Länder an, die geothermischen Strom erzeugen. Geothermische Energie könne überall gewonnen werden, sagt Dumas, Generalsekretär des Europäischen Verbands für Geothermie (European Geothermal Energy Council, EGEC). „Im Erdinneren gibt es einen konstanten Wärmestrom.“ Diese Wärme kann bis zu einer Tiefe von etwa fünf Metern durch die Umweltbedingungen an der Oberfläche beeinflusst werden. Forschungen französischer Wissenschaftsteams in den 1980er Jahren haben jedoch gezeigt, dass die Temperatur zwischen fünf und etwa 500 Metern konstant ist. „Das ist ein wirklich gutes Prinzip, und zwar überall“, sagt Dumas. Die verfügbare Wärmemenge – und somit der Nutzen als Ersatz für andere Energiequellen – hängt vom Standort ab. In dieser Tiefe herrschen Temperaturen von etwa 5 °C in den nordischen Ländern bis 15 °C in den Mittelmeerländern. Bohrt man tiefer, wird es noch heißer: In den Hochtemperaturbecken unter der Toskana erreicht die Temperatur in einer Tiefe von 3 000 Metern 300 °C.

Mit Geothermie warm werden

Für die Erzeugung von geothermischem Strom, der herkömmliche Kraftwerke ersetzen könnte, wären Temperaturen von über 110 °C erforderlich, so Dumas. „Ist die Temperatur zu niedrig, kann man eine Wärmepumpe einsetzen, um die Temperatur mit großer Effizienz zu erhöhen“, erklärt er. „Allerdings birgt der Einsatz von Geothermie überall einige Herausforderungen. Die wohl größte Herausforderung ist der Platz. Die effizienteste und günstigste Art, geothermische Energie zu gewinnen, sind Wärmepumpen, die durch Bohrungen in die Erde den konstanten Wärmestrom vom Erdkern zur Oberfläche anzapfen. Größere geothermische Heizsysteme in Fernwärmequalität gewinnen die Wärme aus unterirdischem Wasser und Gestein und verteilen diese Energie über ein Netz. Für beide Systeme ist eine Bohranlage erforderlich. „Wenn Sie aus dem Fenster schauen, sehen Sie viele Gebäude. In städtischen Gebieten gibt es eine Einschränkung: Wenn Sie einen Supermarkt, eine Grünanlage, eine Spielfläche und einen großen Parkplatz haben, können Sie das nicht tun,“ erklärt Dumas. Ein weiteres Hindernis für eine breite Nutzung der Geothermie sind die Investitionskosten. „Geothermie ist kapitalintensiv“, erklärt er, und erfordert anfänglich vergleichsweise mehr Investitionen als einige andere Energiequellen. Langfristig gesehen seien die Betriebskosten jedoch gleich Null, und die Geothermie sei preiswert, fügt er hinzu. Ein drittes Problem ist schlicht das öffentliche Bewusstsein. Mehrere europäische Großstädte nutzen Geothermie in großem Umfang, doch ist dies nicht weithin bekannt. „In Paris weiß niemand, dass eine Million Einwohner mit geothermischer Energie heizen“, sagt Dumas. „Niemand weiß es, weil es sich unterirdisch abspielt, sodass man es nicht sehen kann.“ In Europa gibt es bereits viele namhafte Gebäude, die mit Geothermie beheizt werden, so etwa das NATO-Hauptquartier und das Europäische Parlament. Nichtsdestotrotz boome die Geothermie, merkt Dumas an – auch wenn wir es nicht sehen könnten.

Geothermie soll kein Glücksspiel sein

Dumas koordinierte das EU-finanzierte Projekt GEORISK, das darauf abzielte, die mit neuen Geothermieprojekten verbundenen Risiken zu erfassen und verringern, um private Investitionen in die Branche anzuregen. GEORISK war eine großangelegte Zusammenarbeit zwischen den wichtigsten Interessengruppen der Geothermiebranche in ganz Europa. Das Team entwickelte ein neues Instrument, mit dem die Risiken geplanter Projekte kategorisiert werden können, einschließlich externer Gefahren durch natürliche oder vom Menschen verursachte Faktoren, Risiken aufgrund von Unwägbarkeiten im Untergrund und potenzielle technische Probleme. Das Projekt half mehreren europäischen Ländern bei der Entwicklung von Rahmenwerken zur finanziellen Risikominderung für Geothermieprojekte, die in der neuen EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben sind.

Eine wachsende Dynamik

Derzeit findet ein umfangreicher Transfer von Fachwissen und Arbeitskräften aus der Öl- und Gasindustrie in die Geothermie statt, da viele der verwendeten Technologien einander ähnlich sind, was dazu beitragen könnte, dass diese saubere Energiequelle zum Standardwissen – und zur Standardnutzung – wird. Dumas fügt hinzu, dass es angesichts der aktuellen Energiekrise in Europa möglich ist, dass die Regierungen in der EU ihre Abhängigkeit von Gas verringern und erneuerbare Ressourcen wie die Geothermie stärker nutzen werden. „Es gibt eine solche Dynamik“, sagt er, „aber wenn wir diese Dynamik verlieren, werden wir die Energiewende nie vollziehen können.“ Hier erfahren Sie mehr über die Forschung von Philippe Dumas: Das Risiko bei Investitionen in geothermische Energie verringern

Schlüsselbegriffe

GEORISK, Geothermie, Energie, Bohrlöcher, Energie, Übergang, Energiewende, Dynamik, Risiko, Technologien