Skip to main content
European Commission logo print header

Article Category

Article available in the following languages:

Wie funktioniert die Selbstreinigung von Lotusblättern?

Einblicke in die Selbstreinigungsmethoden mancher Pflanzen könnten die Tür zu einer Reihe kommerzieller Anwendungen öffnen, sagt Experte Nico Bruns – dazu zählt auch eine Art umweltfreundlicher Glitter.

Lebensmittel und natürliche Ressourcen icon Lebensmittel und natürliche Ressourcen

Manchmal trägt bei wissenschaftlichen Entdeckungen ein griffiges Schlagwort dazu bei, um die Vorstellungskraft zu beflügeln. Der ‚Lotuseffekt‘ ist ein Beispiel dafür. Der Begriff wurde verwendet, um die erstaunlichen selbstreinigenden Eigenschaften des Lotusblatts zu beschreiben, und wurde später für die Vermarktung einer Reihe von Produkten übernommen. „Der ‚Lotuseffekt‘ könnte auch als ‚Kohleffekt‘ bezeichnet werden“, bemerkt Bruns augenzwinkernd. Der Professor für nachhaltige Funktionsmaterialien an der Technischen Universität Darmstadt erklärt: „Er beschreibt ein allgemeines Prinzip, das in allen Pflanzenarten zu finden ist.“ Wenn Wasser auf hydrophile Oberflächen aufgetragen wird (d. h. sie werden von Wasser angezogen), entsteht ein wässriger Film. Auf rein hydrophoben Oberflächen befindet sich das Wasser zwar oben, bildet aber nicht unbedingt Tröpfchen. Nur auf superhydrophoben Oberflächen, wie denen des Lotusblatts, werden Wassertröpfchen geformt, die einfach abperlen. „Das Lotusblatt erzeugt eine superhydrophobe Oberfläche, indem es Wachs durch die Kutikula (die äußerste Schicht) absondert“, so Bruns. „Und beim Blick durch das Mikroskop sieht man, dass die Blattoberfläche aus Stacheln besteht, die von den Zellen der Epidermis gebildet werden. Auf diesem Oberflächenmerkmal befinden sich winzige Wachskristalle, die eine weitere Rauheitsebene schaffen.“ Dank dieser Kombination von Oberflächeneigenschaften unterscheiden sich diese Blätter von anderen – beim Abperlen nehmen die Tropfen Staub und andere Verunreinigungen auf und reinigen das Blatt auf diese Weise.

Anwendungen für den ‚Lotuseffekt‘

„Als die Forschenden dieses Prinzip entdeckten, gaben sie ihm den schönen Namen ‚Lotuseffekt‘“, bemerkt Bruns. „Vor allem in Asien wird die Pflanze mit Reinheit assoziiert. Es gibt heute Produkte wie selbstreinigende Farbe mit Lotuseffekt, die die Oberflächenstruktur des Blattes nachbildet und verspricht, die Fassade Ihres Hauses zu reinigen, wenn es regnet. In anderen Produkten – wie selbstreinigendes Glas und Windschutzscheiben – wurde das Konzept ebenfalls übernommen. Die superhydrophoben Strukturen können sich mit der Zeit abnutzen, was für eine Pflanze kein Problem darstellt, da ihr neue Blätter wachsen können – doch Windschutzscheiben lassen sich nicht so leicht ersetzen.

Mehr über Blätter erfahren

Für Bruns gibt es noch viel mehr über das dynamische und komplexe Verhalten von Pflanzen zu lernen. In dem EU-finanzierten Projekt PlaMatSu untersuchte er zusammen mit seinem Team die pflanzliche Kutikula. „Wir sehen hier eine sehr interessante Struktur“, fügt er hinzu. „Sie ist die oberste Schicht des Blattes und wird von den darunter liegenden Zellen gebildet, die auf ihrer Oberfläche eine Mischung aus Wachsen, Kohlenhydraten und Proteinen absondern. So entsteht die Kutikula.“ Das Projektteam stellte fest, dass die Kutikula in den verschiedensten Formen und Strukturen vorkommt – sie kann faltig, flach oder stachelig sein. Diese Oberflächen können es einem Insekt erschweren, sich am Blatt anzuheften und zu fressen. Im Rahmen von PlaMatSu wurde versucht, ein synthetisches Material nachzubilden, das auf Oberflächen aufgebracht werden kann und einen ähnlichen Schutz bietet. „In der Kutikula ist manchmal auch strukturelle Farbe enthalten“, so Bruns weiter. „Das bedeutet, dass Farbeffekte hier nicht auf Pigmenten beruhen, sondern sich einfach aus der Struktur ergeben. Das beste Beispiel dafür ist die Farbe einiger Schmetterlingsflügel, doch das Phänomen ist auch bei einer Reihe an Pflanzen zu finden.“ Davon inspiriert, entwickelten die Mitglieder des Projektteams ein strukturiertes Farbfilmmaterial auf Zellulosebasis, das in großen Mengen hergestellt werden kann. Bruns ist überzeugt, dass daraus vollständig abbaubares, plastikfreies Glitter hergestellt werden könnte. Wie gut, dass es diese selbstreinigenden Oberflächen gibt. Hier erfahren Sie mehr über die Forschung von Nico Bruns: Exotische neue Materialien – inspiriert von der Pflanzenwelt

Schlüsselbegriffe

PlaMatSu, Pflanzen, Blätter, Lotus, Kutikula, hydrophil, hydrophob, Zellulose