Schädlinge an Zitrusgewächsen direkt bekämpfen
Die EU durchläuft einen Wandel hin zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen, und als Teil dieser Veränderungen wird der Einsatz chemischer Pestizide reduziert. Vor allem biologische Schädlingsbekämpfungsmittel stellen eine realistische Alternative zu chemischen Pestiziden auf Erdölbasis dar. Die Optimierung der biologischen Erzeugung und die Gewinnung neuer verwertbarer formulierter Bioprodukte stehen jedoch vor wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen. Hier setzte das EU-finanzierte Projekt IPM-4-Citrus mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen an. Das Projekt verfolgt einen multidisziplinären Ansatz und zielt darauf ab, biologische Verfahren für eine kreislauforientierte Bioökonomie zu konzipieren sowie maßstabsbezogene Veränderungen in der Biotechnologie zu erkunden und zu bewältigen. „Im Einzelnen zielten wir auf die Entwicklung von zwei neuen Biopestiziden (Delta-Endotoxine) ab, die von den BLB1- und LIP-Stämmen des Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki (Btk) produziert werden und gegen Zitrusschädlinge, d. h. Schmetterlinge und Motten, wirksam sind“, erklärt Luc Fillaudeau, Projektkoordinator und Forschungsleiter am Nationalen Institut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt in Frankreich.
Validierung eines alternativen, kostengünstigen Biopestizids
Aus technologischer Sicht wurden im Rahmen des Projekts IPM-4-Citrus vier Größenordnungen der Innovation bestätigt bzw. erforscht. „Zuerst konnten wir einen robusten Fermentationsprozess mit kostengünstigem Rohmaterial und zwei endemischen Btk-Stämmen validieren“, bestätigt Fillaudeau. Zudem wurden alternative Konfigurationen der Instrumentierung für die Prozessüberwachung in Echtzeit validiert und erforscht sowie Standards und Normen für den Bacillus thuringiensis-Produktionsprozess in der Region Naher und Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) und in afrikanischen Ländern südlich der Sahara untersucht. Darüber hinaus wurde projektintern eine innovative Anwendungsstrategie zur Bekämpfung von Minierfliegen über die Epidermis validiert. „Aus akademischer Sicht ist die Verbreitung und Valorisierung durch 27 Mitteilungen und Veröffentlichungen (7 wissenschaftliche Arbeiten) ein ausgezeichneter Indikator für unsere wissenschaftliche und technische Tätigkeit“, betont Fillaudeau. Beispielsweise wurden zwei Modelle vorgeschlagen, um die Protein- und Sporenproduktion durch Btk LIP zu beschreiben. Anhand der Kalibrierung der Modelle konnten die Forschenden die kinetischen Parameter berechnen. Zudem erfolgte eine gute Anpassung an die experimentellen Daten. „Die Ergebnisse zeigten, dass dank der Optimierung auf der Grundlage einer Modellsteuerungsstrategie die Protein- und Sporenproduktivität maximiert werden konnte“, so Fillaudeau. Die Simulationen wurden mit den Stämmen Btk HD1, LIP und BLB1 unter verschiedenen Versuchsbedingungen durchgeführt, um deren Robustheit zu beweisen. „Was die Produktion und Formulierung betrifft, so umfassen unsere Ergebnisse die Übertragung der Fermentationsprotokolle, den nachgeschalteten Prozess und die Einrichtung einer Qualitätskontrolle bis hin zur Normung des Protokolls“, berichtet Fillaudeau. Was die Wirksamkeit des Endprodukts anbelangt, so haben die Tätigkeitsberichte des Projekts ergeben, dass die Wirksamkeit der formulierten BLB1- und LIP-Präparate mindestens mit dem Goldstandard vergleichbar ist. „Unter Berücksichtigung der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit und der Umweltökotoxikologie wurde ein Überblick über die Bewertung der akuten und subakuten Toxizität für Ziel- und Nichtzielorganismen erstellt und zur Verfügung gestellt“, fügt Fillaudeau hinzu.
Neue biologische Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Markt bringen
„Mit der Bestätigung der Wirksamkeit der in Labor- und Feldversuchen gewonnenen Formulierungen hat das Projekt der potenziellen kommerziellen Nutzung von zwei neuen Biopestiziden den Weg bereitet. Derzeit gelten die Maßstabsvergrößerung, die Integration der industriellen Produktion und die Formulierung eines kosteneffizienten Produkts als die wichtigsten zu meisternden Herausforderungen“, fasst Fillaudeau zusammen. Die Arbeit des Projekts hat außerdem den Grundstein dafür gelegt, anderen bei der Bekämpfung von Pflanzenschädlingen zu helfen. So entwickeln beispielsweise die MEDIS-Laboratorien in Nabeul, Tunesien, eine Anlage zur Produktion von Formulierungen aus biologischen Bekämpfungsmitteln für Zitrusgewächse auf Btk-Basis, die auf den Ergebnissen und dem Fachwissen des Gemeinschaftsunternehmens IPM-4-Citrus beruhen. Ihr Ziel sind die MENA-Märkte bis 2023. Überdies wird das Projektkonsortium seine Arbeit im Rahmen des Projekts PRIMA SAFWA fortsetzen, dessen Ziel lautet, weitere Pflanzenschädlinge mit denselben Bioprodukten zu bekämpfen.
Schlüsselbegriffe
IPM-4-Citrus, Biopestizide, biologische Schädlingsbekämpfungsmittel, Btk, LIP, BLB1, Schmetterlinge, Motten, Zitruspflanzen, Bacillus thuringiensis subspecies kurstaki