Untersuchung der Mikrobengemeinschaften, die Pflanzenwurzeln besiedeln
Wie viele Organismen leben auch Pflanzen in enger Vergesellschaftung mit verschiedenen Mikroben. Diese mikrobiellen Gemeinschaften können ihrem Wirt im Gegenzug Vorteile bieten, indem sie zum Beispiel Nährstoffe im Boden gegen Zucker tauschen. Doch während unser Verständnis dieser Beziehung zunimmt, sind die spezifischen funktionellen Auswirkungen von Wurzelmikroben auf das Pflanzenwachstum bisher nur unzureichend bekannt. Zur Erweiterung unseres Wissens über diese nützlichen Beziehungen wurden im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts MICRORULES Kulturen pflanzenassoziierter Mikroben angelegt, um deren Struktur und Funktionsweise in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu untersuchen. „Die Etablierung dieser Kulturen war entscheidend für das Verständnis der Kausalität über die korrelative Arbeit hinaus“, erklärt Stéphane Hacquard, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. Die Arbeit untersuchte die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikroben sowie auch zwischen den Mikroorganismen. „Es ist eine zusätzliche Ebene der Komplexität. Das lässt die Pflanzen-Mikrobiota-Forschung zur Herausforderung werden, ist aber auch faszinierend“, sagt Hacquard.
Untersuchung der Besiedler von Pflanzenwurzeln
Die MICRORULES-Forschenden untersuchten die um die Wurzeln der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) vorhandene Multikingdom-Mikrobiota (Bakterien, Pilze, Oomyceten). Zunächst beschrieb das Team, welche Mikroben in natürlichen Pflanzenpopulationen in ganz Europa vorkommen, und untersuchte, ob Pflanzen, die sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind – sei es durch den Boden oder das Klima – mit ähnlichen Gemeinschaften zusammenleben. „Wir haben festgestellt, dass ähnliche Gruppen von Mikroorganismen durchweg Pflanzenwurzeln besiedeln“, so Hacquard. Die Ergebnisse und Analysen wurden in der Fachzeitschrift „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlicht. Ein weiteres Hauptziel war es, die Durchführbarkeit der Anlage von Kultursammlungen von Bakterien, Pilzen und Oomyceten zu bewerten. Das stellte angesichts der bekannten Schwierigkeiten bei der Kultivierung von Umweltmikroben eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Das MICRORULES-Team kultivierte erfolgreich einen unerwartet großen Teil der Zielmikroben und zeigte, dass die meisten wurzelassoziierten Mikroben kultiviert werden können.
Wiederherstellung natürlicher Gemeinschaften
Ein drittes Ziel war die Rekonstruktion hochkomplexer und multikultureller mikrobieller Gemeinschaften, die natürlich vorkommenden Wurzelmikrobiomen ähneln. „Wir rekonstruieren diese Gemeinschaften in sogenannten gnotobiotischen Pflanzensystemen. Dort können wir kontrollieren, welche Mikroben wir beimpfen, welche Pflanze wir anbauen und welche Umweltbedingungen wir vorgeben“, erklärt Hacquard. Dieser Dekonstruktions- und Rekonstruktionsansatz wurde in vier von Sachverständigen begutachteten Studien untersucht, die in „Cell“, „Nature Plants“ und in zwei wissenschaftlichen Artikeln in „PNAS“ veröffentlicht wurden. Das Team sequenzierte auch die Genome der mikrobiellen Gemeinschaften, um interessante mikrobielle Merkmale zu finden. „Diese Strategie war eindeutig erfolgreich, denn sie ermöglichte uns die Identifizierung bakterieller oder pilzlicher Kandidatengene, die wir als entscheidend für die Wurzelbesiedlung validiert haben“, fügt Hacquard hinzu.
Langfristige evolutionäre Partnerschaften
Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass wurzelassoziierte Bakterien in Arabidopsis die Pflanzen vor bestimmten schädlichen Mikroorganismen schützen und dass Wirtspflanzen und ihre Bakterien zusammenarbeiten, um Pilze in den Wurzeln zu kontrollieren und ihr Eindringen zu verhindern. „Diese Pilzmikroben erwiesen sich als potenziell schädlich für Arabidopsis, da sie spezifische Enzyme verwenden, welche die physischen Barrieren der Pflanze effizient abbauen“, sagt Hacquard. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass die nützlichen Aktivitäten von wurzelassoziierten Mikroben auch in entfernten Blattgeweben von Bedeutung sind. Das eröffnet die Möglichkeit, unterirdische Mikroben zur Förderung der Pflanzengesundheit auf Distanz einzusetzen. „Im Laufe der Evolution haben die Pflanzen eine Reihe von mikrobiellen Funktionen übernommen, um sich an biotische und abiotische Stressfaktoren anzupassen“, erklärt Hacquard. „Wir hoffen, dass es in Zukunft möglich sein wird, vorausschauend zu handeln und im Labor synthetische Gemeinschaften zu entwickeln, welche die Pflanzengesundheit auf dem Feld beeinflussen.“
Schlüsselbegriffe
MICRORULES, Pflanze, Mikroben, Gemeinschaften, Wurzeln, Pilze, Anpassung, Evolutionszeit, Partnerschaften, Kolonisatoren