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Structure and dynamics of glasses: using novel X-ray tools to push the boundaries of how we understand them

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Langreichweitige Anisotropie in metallischem Glas

Durch die High-Tech-Röntgen-Nanodiffraktion wurde unser Verständnis der Struktur von Gläsern auf den Kopf gestellt.

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Wenn wir das Wort „Glas“ hören, denken die meisten von uns an Trinkgläser, Fensterscheiben und Smartphone-Displays. Diese Art von Glas, das hauptsächlich aus Siliziumdioxid besteht, ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die werkstoffkundliche Sichtweise auf Gläser geht. So gibt es zum Beispiel viele Arten von metallischen Gläsern, d. h. Metalllegierungen, die ungeordnet und nicht kristallin sind wie die meisten Metalle. Ihre überragenden mechanischen Eigenschaften haben dazu geführt, dass sie u. a. für die Abschirmungen von Raumfahrzeugen, biomedizinische Implantate und Golfschlägerköpfe verwendet werden. Trotz der weiten Verbreitung und des Nutzens von Gläsern ist in der Wissenschaft nur sehr wenig über ihre Struktur und Dynamik bekannt. Mit Unterstützung der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen und unter der Leitung von Giulio Monaco von der Universität Padua wurde im Rahmen des Projekts GlassX die jüngste Verfügbarkeit einer neuen Generation von Röntgenquellen ausgenutzt, um detaillierte Studien der Struktur und Dynamik von Gläsern mit einer Auflösung im Nanometerbereich durchzuführen.

Glasübergang: mehr als das bloße Auge sieht

Gläser entstehen durch Abkühlung einer Flüssigkeit, wobei die Strömung die Massenmanifestation der kontinuierlichen mikroskopischen Umordnung der Flüssigkeitsatome darstellt. Sobald die Flüssigkeit abgekühlt wird, wird die Strömung immer langsamer, bis sie sich wie ein Festkörper zu verhalten beginnt. Dieses Phänomen wird als Glasübergang bezeichnet. Doch auch in fester Form befindet sich das Material nicht im Gleichgewicht. Tatsächlich verbirgt sich hinter der scheinbaren „Festigkeit“ eine kontinuierliche Umlagerung von Atomen, die sich zum „idealen Glaszustand“ – dem Zustand mit der niedrigsten Energie – „entspannen“, wenn auch über sehr lange Zeiträume. Bei Gläsern handelt es sich somit um Nichtgleichgewichtszustände der Materie, von denen man annimmt, dass sie wie eine Flüssigkeit ungeordnet sind. Zumindest lautete so bisher die Theorie.

Enthüllungen dank High-Tech-Röntgen-Nanodiffraktion

GlassX nutzte die stark gebündelte, sehr intensive Röntgenstrahlung der extrem hellen Quelle (Extremely Brilliant Source, EBS) an der Europäischen Synchrotronstrahlungsanlage, um die Struktur und das Verhalten von Gläsern zu erforschen. Der über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützte Stipendiat Peihao Sun von der Universität Padua kommentiert: „Der sehr helle und schmale Röntgenstrahl des EBS ermöglicht die Untersuchung der Struktur von Materialien im Größenbereich von 100 nm. Dadurch haben wir Informationen über metallische Gläser erhalten, die vorher nicht zugänglich waren. Wir haben festgestellt, dass diese Gläser nicht einmal auf einer Skala von 100 nm ungeordnet sind. Sie sind anisotrop, d. h. sie sind nicht gleich, wenn man sie aus verschiedenen Richtungen betrachtet – diese Unterschiede können mehr als 100 nm, also Tausende Atomschichten, umfassen.“

Ein potenziell neuer Zustand von Glas

Er fügt hinzu: „Die direkte Beobachtung von langreichweitiger Anisotropie in einem metallischen Glas widerspricht unserer gängigen Vorstellung von Gläsern als völlig ungeordneten Systemen. Tatsächlich verschwand die Anisotropie in unserer Probe, nachdem diese erneut erhitzt wurde und langsam abkühlte. Das ursprüngliche Glas scheint sich also in einem andersartigen, möglicherweise neuen Zustand befunden zu haben. Es wird somit wahrscheinlich auch andere physikalische Eigenschaften haben, die noch untersucht werden müssen. Die Eigenschaften dieses anisotropen Glases überraschen uns immer wieder“, fasst Sun zusammen. Die Ergebnisse von GlassX und die weiteren Forschungsstudien sollen dazu beitragen, das technologische Potenzial neuartiger Gläser für verbesserte bestehende und innovative neue Anwendungen zu nutzen.

Schlüsselbegriffe

GlassX, Gläser, Glas, Anisotropie, anisotrop, Glasübergang, metallische Gläser, Röntgen-Nanodiffraktion, extrem helle Quelle, Extremely Brilliant Source, Synchrotron

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