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Cultures of dairying: gene-culture-microbiome evolution and the ancient invention of dairy foods

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Antike Milchwirtschaft: Hat das Mikrobiom eine Rolle gespielt?

Warum sind einige Gemeinschaften laktoseintolerant und andere nicht? Und wie konnten unsere Vorfahren von der Umstellung auf das Molkereiwesen profitieren, wenn ihre DNS zeigt, dass sie Tausende Jahre nach Anbruch der Viehzucht rein genetisch keine Laktose verarbeiten konnten?

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Als Kleinkinder können alle Menschen Milchzucker, also Laktose, verdauen, doch mit der Zeit produziert der Körper immer weniger Laktase, also das Enzym, das Laktose aufbricht. Das ist bei allen Säugetieren ein natürlicher Teil der Entwöhnung. Doch in einigen Bevölkerungsgruppen sind Mutationen in der genetischen Region aufgetreten, durch die die Laktaseproduktion reguliert wird. Durch diese Mutationen wird Laktase das ganze Leben lang produziert – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Mit dieser Mutation geht „Laktasepersistenz“ einher, denn Laktase wird für das gesamte Leben persistent produziert. Der Anteil der Menschen mit dieser Mutation ist auf der ganzen Welt unterschiedlich. In Skandinavien und auf den Britischen Inseln ist der Anteil mit über 80 % der Bevölkerung am höchsten. In Westasien liegt der Anteil bei 20-70 %, in den meisten anderen asiatischen Ländern bei 0-20 %. Wie kommt es zu diesem Unterschied? Und warum scheinen laut Forschung Jahrtausende zwischen dem Beginn der Milchviehhaltung und der Entwicklung der genetischen Mutation zur Laktasepersistenz zu liegen? Hat das Mikrobiom eine Rolle gespielt? „Die Milchviehhaltung war über Jahrtausende wichtig und in einigen Bevölkerungen kamen schon 1 000 Jahre vor der Laktasepersistenz-Mutation Lebensweisen auf, die nahezu vollständig von der Milchviehhaltung abhängig waren“, erklärt die Hauptforscherin des Projekts Christina Warinner, die aktuell in Harvard in den Vereinigten Staaten tätig ist. Warum es diese zeitliche Verschiebung gibt und warum laktoseintolerante Bevölkerungen der Jungsteinzeit überhaupt Milchprodukte zu sich nahmen ist weiterhin ein Rätsel. „Ich vermute, dass sie die Milch verdauen konnten, aber auf andere Weise – vielleicht durch ein angepasstes Darmmikrobiom“, sagt Warinner. Unterstützt durch den Europäischen Forschungsrat sollten diese spannenden Fragen im Projekt DAIRYCULTURES beantwortet werden. Der Forschungsschwerpunkt lag dabei auf der Mongolei, in der seit über 5 000 Jahren Milchvieh gehalten wird.

Die Entwicklung der Laktasepersistenz mit Genotypisierung erforschen

Um die Verbreitung von Molkereitechnologien in Asien nachzubilden, haben die DAIRYCULTURES-Forschenden Proteine aus dem verkalkten Zahnbelag von Hunderten antiken Menschen aus Aserbaidschan, China, der Mongolei und Russland extrahiert. Mittels Tandem-Massensprektrometrie erkannten sie Milchproteine und konnten so den Milchverzehr bestätigen. „Das Alter der Menschen haben wir mittels Radiokarbondatierung bestätigt und die Genome mit DNS-Technologien rekonstruiert.“ So konnte das Team eine Genotypisierung nach Laktasepersistenz durchführen. Im Projekt wurden auch Abstammungsbeziehungen berücksichtigt und Migrationsrouten nachgezeichnet. Außerdem wurde die antike DNS des Viehbestands untersucht, um die Routen der Viehmigration und des Handels im Hinblick auf die Ausbreitung der Milchviehhaltung nach Osten Richtung Asien nachzuvollziehen. Mit all diesen Ergebnissen konnte das Team die prähistorische Verbreitung der Molkereitechnologien in Asien kartieren und mit den Bewegungen bestimmter Bevölkerungsgruppen in Verbindung bringen. „Die Laktasepersistenz hat nach unseren Ergebnissen wenig bis gar keinen Einfluss auf die frühe prähistorische Milchviehhaltung gehabt. Also müssen andere Faktoren und Anpassungen hier eine Rolle gespielt haben“, ergänzt Warinner, die ihre Forschung über das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Deutschland durchführte.

Das Mikrobiom und die Verdauung von Laktose

Das Team hatte zuvor die mikrobielle DNS von Paläofäzes in Nordamerika, Europa und Westasien geborgen und sequenziert. So konnte das Darmmikrobiom der antiken Menschen in diesen Regionen rekonstruiert werden. „Bisher konnten wir leider keine Paläofäzes aus Regionen bergen, die für die frühe Milchviehhaltung wichtig sind. Stattdessen charakterisieren wir die mikrobielle Variation im Darmmikrobiom lebender Menschen aus Bevölkerungen, in denen Milchviehhaltung als Subsistenzwirtschaft betrieben wird, und vergleichen sie mit denen aus Gesellschaften, in denen kein Molkereiwesen betrieben wird“, erklärt Warriner. Konkret erforschte das Team das Darmmikrobiom nomadischer Hirtengruppen in der Mongolei, die keine Laktasepersistenz aufweisen. Warinner merkt an: „Hoffentlich können wir anhand dieser Darmmikrobiome Schlüsse darüber ziehen, wie die Milchverdauung in antiken Völkern durch Mikroben unterstützt wurde.“

Zusammenarbeit mit modernen Hirtenvölkern, um die Geschichte ihrer Vorfahren zu erzählen

„Es ist sehr spannend, die Ernährung antiker Völker mit Proteomik zu rekonstruieren. Wir entdecken jeden Tag etwas Neues. Wenn wir im Zahnstein dieser Menschen Milchproteine finden, dann ist das, als würden wir Tausende Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt.“ Warinner findet es faszinierend, ein so intimes Detail über den Alltag einer Person zu kennen, die vor Jahrtausenden lebte. „Es ist eine Ehre, die Lebensweise antiker Gesellschaften mit diesem Wissen zu rekonstruieren und die Menschen von heute so mit denen von vor Tausenden Jahren in Verbindung zu bringen. Die Menschen in der Mongolei sind häufig erstaunt, dass ihre Molkereitechniken Teil einer 9 000 Jahre alten Tradition sind und dass sie die Hüter dieses wertvollen kulturellen Erbes sind.“

Schlüsselbegriffe

DAIRYCULTURES, Laktasepersistenz, Milch, Mikrobiom, Hirtenvölker, Mongolei, prähistorische Milchviehhaltung, Laktoseverdauung, Genotyp

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