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The Spatial Dynamics of Room Acoustics

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Den Schall verstehen: Fortschritte bei Modellierung und Vorhersage

Ein Geräusch entsteht und wir hören es. Doch nicht so schnell! Frequenzen und Interferenzen sind kompliziert, und ein besseres Verständnis komplexer akustischer Szenarien könnte die Tür zu neuen Unterstützungstechnologien öffnen.

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Töne vermitteln uns Informationen, warnen uns, unterhalten uns. Die aktuellen Verfahren zur Beschreibung des Verhaltens von Schall bei seiner Ausbreitung durch Raum und Zeit beruhen auf einem wellenbasierten oder geometrischen Paradigma. Während ersteres zwar als die genaueste Darstellung gilt, gehen daraus jedoch sehr komplexe Modelle hervor. Das geometrische Rahmenwerk visualisiert den Schall als Strahlen und nicht als Wellen. Von Nachteil ist dabei, dass Phänomene wie die Beugung von Schall um eine Ecke herum nicht erfasst werden können. Das Team des von der EU unterstützten und vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanzierten Projekts SONORA ging der Frage nach, ob es möglich sein könnte, den gegenwärtigen Stand der Dinge zu vereinfachen, indem beide Aspekte innerhalb eines neuen Paradigmas kombiniert werden. „Diese beiden Varianten und die entsprechenden Raumakustikmodelle werden üblicherweise als unzusammenhängend betrachtet. Wir haben nachgewiesen, dass dies nicht stimmt“, sagt Hauptforscher Toon van Waterschoot, Professor für Ingenieurtechnik an der Katholischen Universität Leuven in Belgien. Er erklärt, dass gemäß der Idee einer Kombination aus geometrischer und wellenbasierter Modellierung die besten Eigenschaften beider Varianten ausgenutzt werden können. „Die Entwicklung derartiger hybrider Modelle erfordert die Realisierung eines Zusammenhangs zwischen den Rahmenwerken, was einen der wichtigsten Beiträge zu diesem Projekt bildete.“

Kombination aus wellenbasierter und geometrischer Modellierung ergibt klarstes Bild

„Diese Kluft zwischen den beiden Varianten zu überbrücken, war zweifellos die schwierigste Aufgabe, die es zu lösen galt. Wir haben lange Zeit keine geeignete mathematische Formulierung gefunden, die es uns ermöglicht hätte, beide Rahmenwerke miteinander zu verbinden“, bemerkt van Waterschoot. Nachdem das Team die richtigen Leute zusammenbrachte und das Problem immer wieder diskutierte, wurde schließlich ein mathematisches Rahmenwerk gefunden, mit dem zu beweisen war, dass die wellenbasierte und die geometrische Modellierung unter bestimmten Bedingungen gleichwertig sind. „Das war das wirklich bahnbrechende Ergebnis des Projekts, das der weiteren Forschung den Weg bereitet hat. Es war außerordentlich bereichernd zu sehen, wie jede an der Diskussion dieses Problems beteiligte Person, nicht nur Forschende aus meinem Team, sondern auch aus dem Team von Enzo De Sena an der University of Surrey im Vereinigten Königreich, Puzzleteile beisteuerte, die sich als wesentlich für das große Ganze erwiesen.“

Das äquivalente Grenzmodell – allumfassend für jeden Kontext geeignet

Neben der Frage, wie der Klang zu modellieren ist, ging es bei der Projektarbeit auch darum, wo das Schallereignis stattfindet und wie sich der Kontext auf das Ergebnis auswirkt. Innen- und Außengeräusche werden von der Umgebung sehr unterschiedlich beeinflusst. „Das Vorhandensein von Raumgrenzen ist es, was den Schall in Innenräumen vom Schall im Freien unterscheidet“, erklärt van Waterschoot. Aber was passiert, wenn die Räume groß oder klein sind, mit Teppichen oder Holzböden ausgestattet sind? Welche Wirkung haben große Fenster oder Spiegel im Vergleich zu Wandverkleidungen? SONORA unterscheidet zwischen einer physischen Raumbegrenzung, die aus den Wänden, dem Boden und der Decke des Raumes besteht, und einer äquivalenten Begrenzung, die physisch nicht existiert, sondern zur Modellierung der akustischen Streuung an der realen Begrenzung dient. „Der Grund, warum wir dies tun sollten, ist, dass wir bei vielen Anwendungen der Audiosignalverarbeitung einfach über keine Kenntnisse in Bezug auf die physischen Raumgrenzen wie etwa die Geometrie der Wände oder die Materialien, aus denen sie bestehen oder mit denen sie bedeckt sind, verfügen“, erklärt er. Das folgt aus der Tatsache, dass Audiogeräte oft mobil und für den Einsatz in jeder beliebigen Innenraumumgebung konzipiert sind. Da die Begrenzungen jedoch einen wesentlichen Bestandteil der Modellierung der akustischen Wellenausbreitung in einem Raum bilden, ist es für Raumakustikmodelle von entscheidender Bedeutung, dass sie eine Darstellung der Begrenzungen enthalten. „Da wir möglicherweise keine physikalischen Kenntnisse über die tatsächliche Begrenzung haben, ersetzen wir sie in unserem Modell durch eine sogenannte äquivalente Grenze, die anderswo positioniert sein und im Vergleich zur realen Begrenzung andere Eigenschaften aufweisen kann“, sagt van Waterschoot und fügt hinzu: „Durch Parametrisierung dieser variablen Positionen und Eigenschaften sowie Schätzung dieser Parameter aufgrund von Schallmessungen unter Einsatz von Mikrofonsignalen können wir ein äquivalentes Grenzmodell erhalten, das die Wirkung der realen Begrenzung auf das resultierende akustische Wellenfeld innerhalb des Raums genau wiedergibt.“

Für eine neue Gerätegeneration den Schall besser verstehen

Van Waterschoot ist überzeugt, dass die Arbeit seines Projekts zur Entwicklung neuer Technologien zur Erfassung, Analyse, Manipulation und Wiedergabe von akustischen Erlebnissen beitragen wird. Das ist immer dann von Bedeutung, wenn Audiogeräte in einer Innenraumumgebung verwendet werden, z. B. ein Hörgerät, das von einer hörgeschädigten Person benutzt wird, ein intelligenter Lautsprecher, der einen Sprachbefehl aufnimmt, ein Kopfhörer, der 3D-Raumklang in einer Anwendung mit virtueller Realität wiedergibt, oder ein drahtloses Mikrofonnetz, das Aktivitäten in Innenräumen im Zusammenhang mit umgebungsunterstütztem Leben überwacht. „Ich hoffe, dass diese Verbesserung unseres Verständnisses der Modellierung und Vorhersage des Verhaltens von Schall zur Entwicklung von Geräten und Technologien führen wird, die das Leben der Menschen ganz konkret beeinflussen können.“

Schlüsselbegriffe

SONORA, akustisch, Welle, Schall, geometrische Modellierung, äquivalentes Grenzmodell, akustisches Wellenfeld

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