Erklärbare KI für die personalisierte Therapie bei metastasierendem Darmkrebs
Darmkrebs ist die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache in Europa, wobei jährlich über 150 000 neue Fälle diagnostiziert werden. Ein bedeutender Anteil dieser Patienten entwickelt metastasierenden Darmkrebs, der wesentlich schwieriger zu behandeln ist. Obwohl bei der Chemotherapie und den molekularen zielgerichteten Therapien Fortschritte gemacht werden, sprechen die einzelnen Patienten sehr unterschiedlich auf die Behandlung an, was den dringenden Bedarf an individuelleren und wirksameren Ansätzen unterstreicht.
KI als klinische Entscheidungshilfe
Das EU-finanzierte Projekt REVERT(öffnet in neuem Fenster) hat mit der Entwicklung einer KI-gestützten Plattform, die die personalisierte Behandlungsplanung für Patienten mit metastasierendem Darmkrebs unterstützt, einen wichtigen Schritt in diese Richtung getan. „Unser Ziel war es, ein erklärbares KI-System zu schaffen, das Kliniker verstehen und dem sie vertrauen können“, betont die Projektkoordinatorin Fiorella Guadagni vom IRCCS San Raffaele in Rom. Das Konsortium bezog mehrere unabhängige Algorithmen ein und bot damit eine konsensgetragene Empfehlung, die das Fachwissen der Ärzte unterstützt, anstatt es zu ersetzen. Das Entscheidungshilfesystem von REVERT wurde in einer prospektiven frühklinischen Studie(öffnet in neuem Fenster) getestet, um seine Auswirkungen auf das Überleben und die Lebensqualität zu bewerten. Die Ergebnisse waren sehr ermutigend, da die KI-geleiteten Therapievorschläge das progressionsfreie Überleben bei Patienten mit metastasierendem Darmkrebs deutlich verbesserten. Dieser Ansatz besitzt das Potenzial, unnötige Toxizität zu reduzieren, die Lebensqualität zu verbessern und die Ressourcen im Gesundheitswesen besser zu nutzen.
Entdeckung von Biomarkern
REVERT konzentrierte sich auch auf die Identifizierung von Biomarkern für die personalisierte Therapie. Das Konsortium analysierte sowohl konventionelle als auch neuartige Biomarker durch retrospektive Studien und KI-geleitete Stratifizierungsmodelle. Bemerkenswert war dabei die Entwicklung eines Algorithmus(öffnet in neuem Fenster), der anhand von Mutationsprofilen von sieben Genen, darunter KRAS, BRAF, ERBB2 und TP53, vorhersagt, ob ein Patient auf eine Erstlinien-Chemotherapie ansprechen wird. Der Algorithmus wies eine statistisch signifikante Genauigkeit bei der Stratifizierung von Therapie-Respondern und Non-Respondern nach. Außerdem stellte das Konsortium Organoide aus Tumorproben von Patienten her, um zu untersuchen, wie verschiedene Tumore auf standardmäßige und neue Therapien reagieren. Transkriptom- und miRNA-Analysen brachten unterschiedliche molekulare Signaturen zum Vorschein, die Informationen für künftige Behandlungen liefern könnten, insbesondere solche, die auf den KRAS-MAPK-Signalweg abzielen. Eine Multi-Omics-Analyse deutete zudem darauf hin, dass Gene, die an der Interaktion zwischen Zellen und extrazellulärer Matrix beteiligt sind, sowie mit Proteoglykanen zusammenhängende Signalwege die Therapieresistenz beeinflussen könnten. Diese Erkenntnisse sind hilfreich bei der Schaffung einer Grundlage für präzisere, biologiegesteuerte KI-Modelle.
Ethisches Design
Eine entscheidende Errungenschaft von REVERT ist, dass sein KI-System in strikter Übereinstimmung mit den EU-Regulierungsrichtlinien und den Ethikrichtlinien der Gruppe hochrangiger Sachverständiger der Europäischen Kommission(öffnet in neuem Fenster) für vertrauenswürdige KI entwickelt wurde. Dazu gehören Transparenz, Fairness, Sicherheit und vor allem eine menschliche Aufsicht. „Als Ärzte sind wir an den hippokratischen Eid gebunden. Das System von REVERT ermöglicht es Ärzten, die Kontrolle zu behalten und bewusste Entscheidungen zu treffen, die durch transparente, erklärbare Modelle unterstützt werden. Dieses Vertrauen ist der Schlüssel für eine erfolgreiche klinische Umsetzung“, hebt Guadagni hervor.
Zukunftsziele
Da REVERT das Potenzial der KI in realen klinischen Studien nachgewiesen hat, besteht der nächste Schritt darin, diese Ergebnisse in eine breitere Anwendung umzusetzen. Der wiederverwendbare KI-Arbeitsablauf des Projekts kann an andere Krebsarten oder Krankheiten angepasst werden und dazu beitragen, eine neue Ära der datengesteuerten, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung einzuläuten. Künftige Studien werden auf dem REVERT-Datensatz, KI-Modellen und organoiden Systemen aufbauen, um die Behandlungsstrategien zu verfeinern und die Ergebnisse weiter zu validieren. Mit seinen Auswirkungen sowohl auf die klinische Praxis als auch auf die digitale Gesundheitspolitik steht REVERT Modell dafür, wie KI und ethische Innovation gemeinsam die personalisierte Krebsbehandlung in ganz Europa verbessern können.
Schlüsselbegriffe
REVERT, Darmkrebs, metastasierender Darmkrebs, Algorithmus, Biomarker, erklärbare KI, Mutation