Haben Sie schon davon gehört, wie das Gehirn Geräusche organisiert?
Unsere Hörfähigkeit ist bemerkenswert. Das man selbst in einer lauten Kneipe einem Gespräch folgen kann, ist nur ein Beispiel dafür. „Dies ist möglich, weil das Gehirn Frequenzelemente voneinander trennen und sie entsprechend gruppieren kann, sodass sich Geräusche aus derselben Quelle von denen aus anderen Quellen eindeutig wahrnehmen lassen“, sagt Jennifer Bizley(öffnet in neuem Fenster), Professorin für auditive Neurowissenschaften am University College London(öffnet in neuem Fenster). „Diese Fähigkeit ermöglicht es uns im Wesentlichen, Hintergrundgeräusche auszublenden und uns auf das Gespräch vor uns zu konzentrieren.“ Leider lässt diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter nach. Da die Mechanismen, die ein so fokussiertes Hören ermöglichen, wissenschaftlich nur unzureichend bekannt sind, ist eine Nachbildung mittels digitaler Technologie nicht erfolgreich gewesen. „Wenn wir herausfinden, wie das Gehirn konkurrierende Geräusche voneinander trennt, ebnet dies möglicherweise den Weg für die Entwicklung von Maschinen, die genauso gut hören können wie junge Menschen, oder zu Hörgeräten, die das Hörvermögen älterer Menschen wiederherstellen“, fügt Bizley hinzu. Das EU-finanzierte Projekt SOUNDSCENE(öffnet in neuem Fenster) trägt genau zu diesem Vorhaben bei.
Das Gehör von Mensch und Tier
Das Projekt, das vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützt wurde, entwickelte eine Reihe von Höraufgaben für Menschen und Tiere. Auf der Grundlage dieser Arbeit fanden die Forschenden heraus, dass Menschen besonders gut darin sind, die statistischen Eigenschaften von Hintergrundgeräuschen einzuschätzen. Darüber hinaus wurde demonstriert, dass eine zuhörende Person ihre Fähigkeit zur Unterscheidung von gesprochenen Worten in einer geräuschvollen Umgebung innerhalb von nur wenigen 100 Millisekunden nach dem Hören eines neuen Hintergrundgeräuschs verbessern kann. Im Rahmen des Projekts wurde zudem untersucht, wie das tierische Gehirn die Statistik einer Geräuschquelle einschätzt und Frequenzelemente zu einer einzigen Quelle gruppiert. Forschende ermittelten unter Verwendung eines Tiermodells, dass der auditive Kortex – eine zentrale Hirnregion für die Verarbeitung von Geräuschen – für das Hören bei Lärm von entscheidender Bedeutung ist. „Wir haben den ersten Beweis dafür erbracht, dass ein nicht-menschliches Tier zeitliche Regelmäßigkeiten extrahieren kann, um Geräuschelemente zu gruppieren, und mithilfe von Modellierungsansätzen konnten wir zeigen, dass die Frettchendaten bei zusätzlichen Speicherbeschränkungen den menschlichen Daten sehr ähneln“, erklärt Bizley, die leitende Forscherin des Projekts. Die Forschenden von SOUNDSCENE entwickelten bei ihrem Tiermodell außerdem drei Verhaltensparadigmen der sprachlichen Unterscheidung sowie wegweisende Ansätze des maschinellen Lernens, mit denen sie die umfangreichen Datensätze des Projekts besser interpretieren können.
Hörgeräte und Hörhilfen der nächsten Generation
Die Arbeit und die Ressourcen des SOUNDSCENE-Projekts haben das wissenschaftliche Verständnis für die Mechanismen erweitert, die dem Gehirn das Unterscheiden und Gruppieren von Geräuschen ermöglichen. Insbesondere der Nachweis, dass nicht-menschliche Tiere statistische Regelmäßigkeiten auf ähnliche Weise wie der Mensch erkennen können, ebnet den Weg, um zu verstehen, wie der zugrunde liegende neuronale Schaltkreis dies erreicht. „Angesichts der alternden Gesellschaft und der jüngeren Entdeckung, dass Hörverlust ein potenziell veränderbarer Risikofaktor für Demenz ist, ist das profundere Verständnis der zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen auf der Grundlage unserer Arbeitsergebnisse von großem Wert für die Entwicklung von maschinellen Hörgeräten und Hörgeräten der nächsten Generation“, lautet das Fazit von Bizley.