Die Rolle der Forschung in der Verkehrspolitik
Herr Neil Kinnock, Europäischer Kommissar für Verkehrspolitik, hat seine Gedanken über die Verkehrsforschung im Fünften FTE Rahmenprogramm in einer Rede vor dem Beratenden Ausschuß für industrielle Forschung und Entwicklung (IRDAC) am 24. Oktober 1996 in Brüssel dargelegt. Herr Kinnock bezog sich dabei auf IRDACs Stellungnahme zum Fünften Rahmenprogramm, in der der Ausschuß ein spezifisches Programm für generische Technologien zur Förderung der Mobilität verlangt. Er gab bekannt, daß er die Bevorzugung durch den Ausschuß einer Forschung mit breiterer "Mobilitäts"-Perspektive anstelle einer engeren "Verkehrs"-Perspektive "durchaus positiv" fände. "Mobilität ist selbstverständlich eine zentrale Komponente der modernen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeit", meinte er. Der Kommissar befürwortete IRDACs Auffassung, daß die Forschung sich auf das Lösen von Problemen konzentrieren sollte. Insbesondere sei Mobilität als globales Konzept zu sehen, und die Forschung solle daher ihren Beitrag dazu leisten, die Mobilität nicht nur reichhaltiger sondern auch nachhaltiger zu gestalten. Die Forschung zu Fragen der Mobilität solle sich mit der Integration bestehender Technologien befassen, obwohl auch die Entwicklung neuer Technologien angemessen sein könne. "Forschung sollte direkt auf die sich wandelnden Erfordernisse von Industrie und Bevölkerung eingehen und stets pragmatisch bleiben", sagte er. Eine Reihe von Problemen mit Transportsystemen, insbesondere aber mit dem Straßennetz, gibt es heutzutage in Europa. Viele dieser Schwierigkeiten leiten sich daraus ab, daß die Infrastruktur die Grenzen ihrer Kapazität erreicht hat, aber auch aus Umweltverschmutzung, Verkehrsstau und Unfällen. Alles in allem ergibt sich daraus ein negativer Kostenfaktor von 4% im BIP (Bruttoinlandsprodukt) der EU. Da die Mitgliedstaaten entweder unfähig oder nicht willens sind, im früheren Maßstab in die Infrastruktur zu investieren, sind neue Politiken und Praktiken erforderlich. Nach Herrn Kinnocks Meinung spielt eine gut geplante und schlüssige Forschung in diesem Rahmen eine wesentliche und unbestreitbare Rolle. Hinsichtlich der transeuropäischen Netze sei eine Reihe von Telematikinstrumenten eingesetzt worden, sagte er. In Anwendungsgebieten wie der Verkehrsverwaltung über Satelliten, der harmonisierten Eisenbahnverkehrsverwaltung und Telematiksystemen zur Verwaltung des Straßenverkehrs (einschließlich finanzieller Aspekte wie Straßenbenutzungsgebühren), verfügt Europa über die Mittel, sich mit intelligenten Verkehrssystemen auszurüsten, was aber ganz vom politischen Willen abhängen wird, betont der Kommissar. Durch Sicherstellung, daß Forschungsprioritäten die tatsächlichen Erfordernisse und Bedürfnisse widerspiegeln, kann die Gemeinschaft ferner dafür sorgen, daß die Forschung dem echten Bedarf des Benutzers entspricht und somit eine Chance des kommerziellen Erfolgs mit sich bringt. Kommissar Kinnock ging auf zwei weitere Punkte in IRDACs Stellungnahme ein. Zunächst einmal schlug er vor, daß die europäischen Forscher stärker mit ihren Gegenspielern in anderen fortgeschrittenen Ländern wie USA, Japan und Kanada zusammenarbeiten sollten. Das gelte insbesondere für die wichtigsten strategischen Entwicklungen auf dem Gebiet von Transportsystemen. Was die Verbreitung von Forschungsergebnissen angeht, meinte Herr Kinnock, daß die Ergebnisse der aus öffentlichen Geldern finanzierten Forschung sichtbar gemacht werden müssen. Er stimmte IRDAC zu, daß kein spezifisches Programm zur Verbreitung und Nutzung von Ergebnissen eingerichtet, sondern daß diese Funktionen in die einzelnen Programme eingebunden werden sollten. Er schloß mit einer Reihe von Beispielen für Anwendungsgebiete, für die eine von der Gemeinschaft finanzierte Forschung ausschlaggebend wäre: - Europäisches Eisenbahnverkehrs-Verwaltungssystem; - Black-Box-Technologie für die Seefahrt; - Strategische Bewertung von Umweltauswirkungen. Der von der Forschung geleistete Beitrag und die sich daraus ergebenden Verbesserungen an den Systemen müßten demonstriert werden, und eine wirksame Verbreitung der Ergebnisse wäre zu diesem Zweck von kritischer Bedeutung, sagte er.