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Inhalt archiviert am 2024-04-22

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Projekt-Erfolgsstorys - Aus dem Wald bis in unsere Wohnungen: Holz nachverfolgen

In der traditionellen Holzindustrie ist Verschwendung trauriger Alltag: Hohe ökonomische und ökologische Kosten sind die Folge. Ein EU-finanziertes Projekt suchte nun nach Technologien, die für eine bessere Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Holzproduktionskette und für eine beträchtliche Steigerung der Produktivität in diesem Sektor sorgen könnten.

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Entsteht aus einem im Wald gefällten Baum letzten Endes wirklich ein fertiges Holzprodukt? Diese Abwandlung eines bekannten philosophischen Rätsels ist eine Frage, über die der Industriezweig wohl oder übel nachdenken sollte. Derzeit fällt die Antwort eher unsicher aus, da rund 10% des gefällten Holzes schlicht verschwendet werden. Hierbei handelt es sich europaweit um ein Volumen von 25 Mio. Kubikmeter Holz und Kosten von 5 Mrd. EUR pro Jahr. "Das ist eine gewaltige Verschwendung von Geld und Ressourcen", stellt Dr. Richard Uusijärvi von der Abteilung Holztechnologie des SP Technical Research Institute in Schweden fest. "Europa ist ein sehr aktiver Holzexporteur und liefert als solcher 25% bis 30% des Holzes weltweit." Das Problem, wie er erklärt, sei, dass die Hersteller die Qualität des Holzes nicht berücksichtigen, bevor es in die Sägewerke geht. "Sie geben einfach sämtliches Holz in das Sägewerk und entscheiden erst später darüber, welches genutzt wird. In vielen Fällen hat das Holz dann nicht die richtige Qualität und sie müssen es wieder loswerden." Dr. Uusijärvi war Koordinator eines Projekts mit der Bezeichnung Indisputable Key ("Traceability for wood industry competitiveness digital forestry chain"), eines kürzlich abgeschlossenen gemeinsamen Forschungsvorhabens, das zu untersuchen hatte, wie sich diese Situation unter Einsatz modernster Informationstechnologie verbessern ließe. "Wir wollten ein System schaffen, mit dessen Hilfe das Holz dann automatisch durch die gesamte Produktionskette hindurch im großen Maßstab nachverfolgbar wäre." Bei dem System setzt man elektronische Kennzeichnung zum Festhalten des Wegs der Holzstämme aus dem Wald bis zum Sägewerk und Holzdrucktechnologie auf Brettern bis zum endgültigen Holzprodukt ein. "Ergebnis ist, dass zum Absägen einfach nicht geeignete Bäume auch nicht im Sägewerk enden. Die Eigenschaften des Nutzholzes werden ausgenutzt, um die unnötige Abholzung zu minimieren", fährt Dr. Uusijärvi fort. "Und das bedeutet letztlich verbesserte Produktqualität zu geringeren ökologischen Kosten." Einführung der Nachverfolgung Im Rahmen des Projekts entwickelte man ein System, das auf einzelnen zugeordneten Daten (Individual Associated Data, IAD) basiert: Wird ein Baum gefällt und in Stücke geschnitten, so wird jedes dieser Stücke elektronisch mit einem unverwechselbaren Code markiert, der es mit einer Datenbank verknüpft, in der Informationen wie die Größe des Stücks, der Ort und der Zeitpunkt des Fällens gespeichert sind. Diese Daten zum Baum und seiner Qualität könnten dann im Wald und innerhalb der gesamten Holzproduktionskette genutzt werden, um wichtige Entscheidungen zu treffen, schlägt Dr. Uusijärvi vor. Geräte in Transportfahrzeugen und Bearbeitungsmaschinen könnten diese Daten nutzen, um zu gewährleisten, dass Holz in der richtigen Qualität an den richtigen Einsatzort geliefert wird. Diese Technologie verbessert die Logistik und verhindert die Vermischung von Holzstämmen unterschiedlicher Qualität. Das Projektteam entwickelte zwei Elemente zur Kennzeichnung der Baumstämme: einen Mikrochip-Transponder, der in das Holz eingeschlagen wird, und ein Markierungssystem mit Tinte. Diese Kennzeichnungselemente kommen beim Fällen der Bäume ins Spiel; weitere Informationen werden auf der Reise der Stämme durch die Produktionskette eingegeben. Die Forscher entwickelten außerdem unterstützende Technologien für das System, unter anderem einen automatischen Transponder-Applikator (ATA) zum Einschlagen der Markierungen in das Holz, einen automatischen Sägeblatt-Drucker (LogDots) zum Aufbringen der Tinte sowie die unterstützenden Systeme und Programme zum Lesen der Informationen. Wichtiges Merkmal des Systems, unterstreicht Dr. Uusijärvi, sei, dass es sich selbst verfeinert. "Die Daten werden gesammelt, während das Holz das System durchläuft. Dies bedeutet im Klartext: Wird die richtige Holzqualität für einen bestimmten Einsatzzweck festgestellt, können später bessere Entscheidungen gefällt werden", so Uusijärvi. "Die Mengen an für bestimmte Zwecke benötigtem Holz werden minimiert." Realisierbarkeit Das Projekt baut auf einem früheren EU-finanzierten Forschungsvorhaben auf. "Das Lineset-Projekt hatte uns bereits zu der Erkenntnis verholfen, dass ein solches System der Nachverfolgbarkeit möglich wäre, und untersucht, welchen Nutzen dieses der Industrie erbringen könnte", erläutert Dr. Uusijärvi. "Aber wir mussten ein neues System erschaffen, um es in der Praxis auf ein kommerzielles Niveau zu bringen." "Wir arbeiteten an der effizienten Anpassung von auf dem Markt verfügbarer Kommunikations- und Datentechnik", fügt er hinzu. Ein wichtiger technologischer Schritt war der Einsatz von Ultrahochfrequenz-RFID-Transpondern (Radio Frequency Identification). "Diese Technik ist bisher noch nie im Zusammenhang mit Holz verwendet worden. Und wir konnten eine Realisierbarkeit auf industriellem Niveau nachweisen", betont Dr. Uusijärvi. Für das Projekt wurden rund 30 000 Transponder hergestellt. "Wir stellten sie in einem Spritzgussverfahren aus bioabbaubarem Kunststoff her", berichtet er. Die Transponder wurden an vielen Orten getestet, beginnend bei den frischgefällten Baumstämmen im Wald bis hinter die Tore der Fabriken: Sägewerke, Sperrholz- und Pfostenhersteller in Finnland, Frankreich, Norwegen und Schweden. "Wir haben erreicht, was wir uns vorgenommen hatten", bilanziert Uusijärvi. "Es ist möglich, die Transponder in großem Maßstab zu produzieren und das konnten wir zeigen. Wir haben bewiesen, dass IAD funktioniert und wir haben das System über einen langen Zeitraum in der Praxis getestet." Nächste Schritte Vor einer kommerziellen Nutzbarkeit sind jedoch Weiterentwicklungen der Technologien nötig. "Die Kosten und die Größe der Transponder müssen minimiert werden", gibt Dr. Uusijärvi zu. Die gegenwärtigen Kosten würden bei großen Mengen etwa bei 30 Cent pro Transponder liegen. "Obgleich dies noch etwas reduziert werden könnte, ist es immer noch zu hoch", so der Projektkoordinator. Um den Einsatz des Systems in der Holz verarbeitenden Industrie in den Bereich des Machbaren zu rücken, müsse man auf rund drei Cent kommen; das erfordere allerdings einen kontinuierlichen Fertigungsprozess anstelle der derzeitigen Fertigung in kleinen Serien. Ein weiterer wichtiger Faktor sei die Verkleinerung der Geräte. "Wir brauchen einen ununterbrochenen Prozess, bei dem die Transponder sofort beim Schneiden der Stämme eingebracht werden können", erklärt Dr. Uusijärvi. "Das ist bei der Größe der derzeitigen Geräte und der zum Einschlagen in die Stämme erforderlichen Kraft einfach nicht realisierbar. Heute braucht man dafür einige Sekunden zusätzlich und das ist leider zu lange." Dennoch bleibt Dr. Uusijärvi optimistisch, dass es durchaus möglich sei, die Abmessungen des Transponders zu halbieren, was einem Durchbruch gleichkäme. "Wie wir dorthin kommen - dazu haben wir schon einige gute Ideen. Wir können das Volumen um den Faktor 10 reduzieren und alle erforderlichen Kräfte wären natürlich viel geringer", wagt er einen Blick in die Zukunft. Die Verbesserung der Sichtbarkeit der Tinte sei ein weiterer Punkt auf der Liste der in nachfolgenden Aktivitäten weiter zu entwickelnden Elemente. Das Team sei nun in Vorverhandlungen, um die Arbeit des Projekts in einem anschließenden gemeinsamen Forschungsvorhaben weiter voranzubringen. "Viele der Partner sind sehr daran interessiert, auch weiterhin zusammenzuarbeiten", bestätigt er. An dem Dreijahresprojekt, das bereits im März 2010 endete, nahmen achtundzwanzig Partner aus fünf Ländern teil. Es hatte ursprünglich ein Budget von 12,6 Mio. EUR, das auf 13,5 Mio. EUR aufgestockt wurde, wovon 7,7 Mio. EUR aus dem Sechsten EU- Rahmenprogramms (RP6) für Forschung stammten. Indisputable Key konnte Technologien demonstrieren, die eine wesentlich bessere Nachverfolgbarkeit in die Holzproduktionskette einbringen könnten. Da das Management natürlicher Ressourcen offensichtlich für viele Sektoren ein Problem darstellt, besteht die Herausforderung nun darin, das System erfolgreich in die wirtschaftliche Realität zu überführen.