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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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Feature Stories - Werkzeuge zur natürlichen Sprachverarbeitung helfen Lehrern und Studenten

Die Immatrikulationszahlen der europäischen Universitäten sind in den letzten Jahren dramatisch gestiegen: überfüllte Hörsäle und überlastete Hochschullehrer sind nicht selten die Folge, was natürlich oft negative Auswirkungen auf die Leistungen der einzelnen Studenten hat. Die Forscher des EU-finanzierten http://www.ltfll-project.org/ (LTfLL-Projekts) ("Language technologies for lifelong learning") haben einige intelligente Unterstützungs- und Beratungsdienste sowie Werkzeuge der nächsten Generation für individuelles und kooperatives Lernen entwickelt, die das auf den Hochschullehrkräften lastende Arbeitspensum reduzieren, Zeit und Geld einsparen sowie die Leistungen der Studenten verbessern sollen.

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"Die Bildungsgemeinschaft steht hier - insbesondere im Bereich der Hochschulbildung - vor einem sich immer mehr zuspitzenden Problem: der Semestergröße. Je mehr Studenten zu einem Semester zählten, desto knapper wird die Ressource Zeit für die Lehrkräfte an den Universitäten", erläutert Wolfgang Greller, Associate Professor für Neue Medientechnologien und Wissensinnovation an der Offenen Universität der Niederlande, die Lage der Dinge. Dr. Greller, Koordinator des LTfLL-Projekts, geht davon aus, dass eine Kombination moderner NLP-Lösungen (Natural Language Processing, Verarbeitung natürlicher Sprache) mit weiteren Technologien zur Linderung dieses Problems beitragen wird. In den OECD-Ländern sind die Studentenzahlen an den Universitäten seit der Mitte der 1990er Jahre jährlich um durchschnittlich 4% gestiegen. Manche Vorlesungen werden bereits heute von Hunderten Studenten besucht. Besorgniserregend dabei ist, dass Studien ergeben haben, dass die zahlenmäßig größeren Semester einen direkten negativen Einfluss auf die Leistungen der Studentinnen und Studenten haben. Studenten kleinerer Studienjahre schneiden deutlich besser als Studenten aus größeren Jahrgängen ab - und das völlig unabhängig von der studierten Fachrichtung. Innerhalb des LTfLL-Projekts konzentrierten sich die Forscher auf drei wesentliche Bereiche, in denen diese Technologien für Studenten und Lehrer gleichermaßen entscheidende Vorteile zu bieten haben: Positionierung und konzeptionelle Entwicklung der Studierenden tragen dazu bei, dass sie in Abhängigkeit von ihrem vorhandenen Wissen auf dem richtigen Niveau eingeschrieben sind, und dass Fortschritte überwacht werden können. Dialog- und Textanalyse, gekoppelt mit intelligentem, automatisierten Feedback, unterstützt die Lenkung der Lernenden in ihren Studienkursen und trägt zur Verringerung der Arbeitsbelastung der Lehrer bei. Semantische und soziale Ressourcenaufdeckung ermöglicht, dass fachspezifische Informationen und Ressourcen themenbezogener aufbereitet werden und einfacher zu finden sind. Die mit Hilfe von 2,85 Millionen EUR Forschungsgeldern von der Europäischen Kommission entwickelten Open-Source-LTfLL-Werkzeuge sind so ausgelegt, dass sie in jeder technologiegestützten Lernumgebung nahtlos in bestehende Lernmanagementsysteme wie Moodle integriert werden können. Sie können je nach Benutzeranforderungen zusammen oder einzeln implementiert werden. "Die von uns entwickelten Technologien und Werkzeuge sind in nahezu jeder Bildungsumgebung von Nutzen - nicht nur für Universitäten, sondern auch für Gymnasien und Mittelschulen, für die Erwachsenenbildung und die berufliche Ausbildung", betont Dr. Greller. Einige der Anwendungen kommen allerdings erst dann richtig zum Tragen, wenn es ein einzelner Lehrer oder Dozent mit vielen Schülern bzw. Studenten zu tun hat. An einigen Universitäten gibt es beispielsweise Studienkurse, an denen bis zu 400 Studenten gleichzeitig teilnehmen. Um die Studierenden aktiver in den Lernprozess einzubeziehen, können sie in Gruppen aufgeteilt werden, die mit der Erörterung von Themen beauftragt werden. Aber auch auf diese Weise sind immer noch hundert verschiedene Gruppen zu überwachen. "Da laufen dann einhundert Gespräche parallel. Ein einzelner Dozent oder Tutor kann unmöglich alle Gruppen überwachen, bewerten und ihnen auch noch Feedback geben. Alles was der- oder diejenige tun kann, ist gelegentlich hier und da kurz einzutauchen", so Dr. Greller. "Am Ende der Diskussionsperiode muss die Lehrkraft dann beurteilen und analysieren, worüber all die verschiedenen Gruppen gesprochen und was sie für Schlussfolgerungen gezogen haben; und das ist - berücksichtigt man die Anzahl der Gruppen sowie der stattgefundenen Diskussionen und den Gedankenaustausch - eine wahrlich horrende Menge an Arbeit." Eine Frage der Dialoganalyse Ein von den LTfLL-Forschern entwickeltes Dialoganalysewerkzeug auf Basis der innovativen NLP-Technologie nimmt sich nun dieses Problems an. Es wurde in Studien an Universitäten in den Niederlanden und Rumänien in drei Sprachen (Niederländisch, Englisch und Rumänisch) getestet und analysiert textbasierte Interaktionen der Studenten in Online-Chats oder Foren, wobei es nicht nur ermittelt, wie oft sie sich beteiligen, sondern auch, auf welche Weise sie ihre Beiträge leisten. "Es hilft den Tutorinnen und Tutoren bei einer qualitativen Analyse der Gespräche der Studierenden, indem es deutlich macht, wer aktiv war und in welcher Weise jemand aktiv war: Wurden Fragen gestellt? Reagierten sie auch auf Fragen anderer Studenten? Waren sie isoliert in ihrer Position? Halfen sie anderen Studentinnen und Studenten? Oder spielten sie eine Rolle als Mediator? und so weiter", erklärt Dr. Greller. "Somit erfährt der Dozent, wie gut die wichtigsten Punkte eines vorgegeben Themas erfasst wurden, oder ob die Zuhörer in ihren Diskussionen abgedriftet und bei Gesprächen über Fußball oder etwas völlig anderes fernab des Themas gelandet sind." Auf diese Weise können Dozenten und Lehrer viel Zeit sparen, wenn es darum geht zu bewerten, wie gut ihre Studenten vorankommen, und - was noch wichtiger ist - die Studenten können auf Abruf ein Feedback in Bezug auf ihre Fortschritte direkt vom Analysewerkzeug erhalten. Diese Art von Rückmeldung auf Anfrage - On-Demand-Feedback - ist gleichermaßen wichtig, wenn Studenten Arbeiten oder Artikel schreiben. Dafür entwickelte das LTfLL-Forschungsteam ein separates, aber dazugehöriges Textanalyseinstrument. "Das Werkzeug bietet kontinuierliche Unterstützung und ständiges Feedback dazu an, wie gut die Ideen und Konzepte im Zusammenhang mit dem studierten Fachgebiet erfasst werden. Auf diese Weise wird das Risiko vermieden, sich zu weit vom Themenschwerpunkt zu entfernen, was man andernfalls vielleicht nur zu spät erkannt hätte, wenn ein endgültiger Entwurf der Arbeit dem Tutor ausgehändigt wird", erläutert Dr. Greller. Die Analysewerkzeuge arbeiten auf Grundlage des Vergleichs der von den Studenten benutzten Sprache mit dem Fachvokabular des entsprechenden Gebiets, wobei nicht nur danach gesucht wird, wie oft die Studenten bestimmte Wörter verwenden, sondern auch danach, wie und in welchem Kontext sie die Fachsprache nutzen, sowie stilistische und textbezogene Kohärenzprüfungen ähnlich wie bei Plagiatssoftware durchgeführt werden. In den Tools kommen nicht nur moderne NLP-Technologien, sondern auch semantische Analyse und soziales Entdecken zum Einsatz. Semantische Suche trägt dazu bei, den Studenten einen einfachen Zugang zu verwandten Inhalten zu verschaffen, während die treibende Kraft einer sozialen Komponente im Zusammenhang mit dem studierten Thema die Kommunikation und den Informationsaustausch mit vertrauenswürdigen Ansprechpartnern unterstützt. "Auf diese Weise ist es kein Computeralgorithmus, der die angebotenen Inhalte auswählt, sondern eher eine vertrauenswürdige Quelle: der Tutor, die Kommilitonen oder auch Freunde", verdeutlicht Dr. Greller. "Hier wird studentisches Engagement unterstützt und man hilft den Studenten, sowohl im formellen als auch im informellen Umfeld zu studieren." Die Werkzeuge sind der Forschergemeinschaft zur Weiterentwicklung als Open-Source-Software zur Verfügung gestellt worden; einige der Projektpartner arbeiten weiter an ihnen. Der österreichische Partner Bit Media plant, Hosting- und Support-Dienste an Schulen und Hochschulen anzubieten, die nicht in der Lage sind, die Technologie selbst zu implementieren. LTfLL erhielt Forschungsmittel aus dem Siebten Rahmenprogramm der Europäischen Kommission (RP7). Nützliche Links: - "Language technologies for lifelong learning" - LTfLL-Website - LTfLL-Projektfactsheet auf CORDIS Weiterführende Artikel: - Feature Stories - Ein Qualitätssprung in der natürlichen Sprachverarbeitung für Bildung - Sprachaktivierte Datenbanken erleichtern den Zugang zu Informationen - IKT-Projekt zur Verbesserung der Mensch-System-Interaktion