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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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FTE-Erfolgsstorys – Den Geheimnissen des Zellverhaltens auf der Spur

Wenn wir verstehen, wie sich unsere Zellen verhalten, können wir besser gegen genetische Krankheiten und Krebs ankämpfen. Eine große Herausforderung stellt dabei die Komplexität der molekularen Struktur der Zelle dar, die noch nicht vollständig erforscht wurde. Ein von der EU finanziertes Projekt hat unser Wissen über die Deaktivierung von Genen deutlich vorangebracht, was dazu beitragen könnte, eine Erklärung dafür zu finden, wie nicht genetisches Material vererbt wird.

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Bei nicht genetischem Material handelt es sich um Material, das nicht Teil der Chromosomen ist, jener Kette in den Zellkernen, die die Gene enthalten. Gene bestehen aus einer Kette von Nukleinsäuren, die die Aufbauanweisungen für ein Lebewesen liefern und festlegen, wie seine Lebensvorgänge ablaufen. Das im März 2012 abgeschlossene Epicentromere-Projekt konzentrierte sich auf die innere Funktionsweise der Zelle und befasste sich mit der zugrundeliegenden Frage der Vererbung – was wird genau vererbt und wie. Eine wichtige Errungenschaft des Projekts war, dass es unser Verständnis hinsichtlich der Deaktivierung von Genen erweitert hat. Diese Entdeckung auf molekularer Ebene könnte enorme Auswirkungen haben und den Wissenschaftlern zu einem besseren Verständnis der Vorgänge bei der Steuerung der Genexpression verhelfen. Das Endziel bestand, Projektkoordinator Dr. Lars Jansen zufolge, darin, die Steuerung der Expression fehlerhafter Genen, wie bei Tumoren, besser in den Griff zu bekommen. "Es ist jetzt klar, dass für die Entstehung eines Tumors nicht unbedingt ein mutiertes Gen vorhanden sein muss", fährt er fort. "Es kann ein Defekt in den Schaltern auf den Genen sein." Mit anderen Worten könnte ein Defekt im Mechanismus vorliegen, der die Gene steuert. Die nächste Generation Jahre lang glaubten die Wissenschaftler, dass nur Gene von den Eltern an ihre Kinder vererbt werden und dass die DNA (Desoxyribonukleinsäure, die die genetischen Anweisungen verschlüsselt, die während der Entwicklung und der Funktion eines Lebewesens gegeben werden) nur der Träger der genetischen Informationen ist. Alles andere war nur ein Produkt dieser Gene. "Diese Ansicht wurde vor einer Weile revidiert, da verstärkt angenommen wurde, dass es noch etwas anderes geben musste", erklärt Dr. Jansen. "Zellen, die sich teilen, haben unterschiedliche Funktionen und Formen – Muskelzellen, Nervenzellen usw. Wenn sie sich teilen, geben sie ihre DNA weiter, aber sie müssen auch noch etwas anderes weitergeben, denn alle Zellen haben die gleichen Gene. Es muss noch etwas geben, das den Zellen sagt: Ich bin eine Muskelzelle." Jetzt wissen wir, dass, obwohl Zellen alle Gene enthalten, nicht alle Gene unbedingt aktiviert sein müssen. Bei einer Muskelzelle ist beispielsweise ein spezifisches Gen für die Leber deaktiviert. "Es muss aber Moleküle geben, die diese zelluläre Identität steuern, die sozusagen an den Schalthebeln sitzen", sagt Dr. Jansen. "Neu ist hierbei, dass das deaktivierte Gen auch deaktiviert bleibt. Das wird vererbt." Es war das Ziel des Projekts herauszufinden, wie diese Informationen beibehalten werden. Anstatt sich mit Genen zu beschäftigen, konzentrierte sich das Projekt jedoch auf das "Zentromer", den Teil des Chromosoms (eine lange Struktur der DNA, die sich im Zellkern befindet und alle Eigenschaften eines Lebewesens enthält), das ihr Verhalten steuert. Das Epicentromere-Team fand heraus, dass die Position des Zentromers stets durch bestimmte Proteine festgelegt wurde, und nicht direkt durch die Anordnung der DNA, wie es bei Genen der Fall ist. Sie wollten wissen, warum diese Gruppe der Proteine vererbt wird. Mit Fluoreszenzmikroskopen versuchte das Team, zu entdecken, was genau mit diesen Proteinen während der Zellteilung passiert. Dr. Jansen fand heraus, dass sich bei der Zellteilung nicht nur die Gene in zwei Teile spalten, sondern auch die Zentromerproteine auf die Tochterzellen aufgeteilt werden. Daraus ergab sich aber die Frage: Wenn man beispielsweise mit zehn Proteinen beginnt, die dann in fünf aufgeteilt werden, wie lange dauert es, bis die Proteine verbraucht sind? Dr. Jansen vermutete, dass es einen Mechanismus gibt, der nicht nur die Proteine teilt, sondern sie auch produziert und an der richtigen Stelle platziert. Ein wichtiges Erbe Hierbei handelt es sich um epigenetische Vererbung – d. h. Vererbung über dem Niveau der Gene. Das bedeutet, dass vererbbare Veränderungen der Genexpression durch einen anderen Mechanismus verursacht werden als Veränderung in der zugrundeliegenden DNA-Sequenz. Der Erfolg von Epicentromere auf diesem Gebiet ist auf die Entdeckung des Mechanismus zurückzuführen, mit dem die Zellen neue Proteine erhalten. Das kann nur einmal während des Zellzyklus geschehen, denn sonst gibt es entweder zu viele oder zu wenige Proteine und der Mechanismus, den sie steuern, wird fehlgeleitet. "Wir entdeckten, dass dieser Mechanismus abläuft, nachdem die Zelle geteilt ist und wie dieser Vorgang gesteuert wird", sagt Dr. Jansen. "Wir haben einen Adaptor oder Brückenmolekül gefunden, das an ein altes und ein neues Protein passt. Auf diese Weise stellt die Zelle sicher, dass das alte Protein an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt ersetzt wird." Das Epicentromere-Projekt belegte, dass etwas anderes als DNA vererbt werden kann und, ebenfalls wichtig, wie diese Vererbung in Raum und Zeit gesteuert wird. Das ist ein bedeutender Schritt zum Verständnis der Rolle epigenetischer Systeme. - Vollständige Bezeichnung des Projekts: Determining the epigenetic mechanism of centromere propagation - Projektakronym: Epicentromere - Projektreferenznummer: 224874 - Name/Land des Projektkoordinators: Fundacao Calouste Gulbenkian, Portugal - Gesamtprojektkosten: 100 000 EUR - Beitrag der EK: 100 000 EUR - Projektbeginn/-ende: April 2008 bis März 2012