Neue Überwachungsverfahren für alternde Atomreaktoren
Ein Großteil der weltweiten Kernkrafterzeugung läuft in Leichtwasserreaktoren (LWR) ab. Deren Reaktordruckbehälter (RDB) aus Stahl enthalten Kühlwasser bei hohen Temperaturen und Drücken. Sie unterliegen strengen Vorschriften in Bezug auf die Ausfallwahrscheinlichkeit unter normalen Betriebsbedingungen sowie im Falle potenzieller Unfälle. Die europäischen Kernkraftwerke unterliegen unaufhaltsam dem Prozess der Alterung. Die Überwachungsdatenbank für den Langzeitbetrieb (long-term operation, LTO, mehr als 40 Jahre) hat jedoch ihre Grenzen. Daher ist es notwendig, das Wissen über Verhaltensweisen im Langzeitbetrieb in Bezug auf die Versprödung der Stahlbehälter durch Neutronenbestrahlung zu verbessern, um bestehende Vorhersagewerkzeuge, Codes und Standards zu validieren oder zu korrigieren. Eine noch bessere Charakterisierung des mikrostrukturellen Verhaltens bestrahlter RDB-Materialien wird eine sichere EOL-Erweiterung (End-of-Life) der vorhandenen Reaktoren sowie mehr Sicherheit für im Bau befindliche neue Reaktoren erleichtern. EU-finanzierte Wissenschaftler befassen im Rahmen des Projekts LONGLIFE ("Treatment of long term irradiation embrittlement effects in RPV safety assessment") mit Wegen, die zu diesem Ziel führen. Die Forscher sind daran interessiert, die mikrostrukturelle Charakterisierung von Defekten und Schäden zu ermöglichen, die durch Neutronen induziert werden. Deshalb bewerten sie aktuelle vorliegende Daten über Bestrahlungsversprödung und ermitteln Lücken in den mikrostrukturellen und mechanischen Parametern für den Langzeitbetrieb. Man setzt stark bestrahlte RDB-Materialien ein, um die Bedingungen von Late-Blooming-Effekten (LBE) zu identifizieren, unter denen die Versprödung nur dann beginnt, nachdem die Neutroneneinwirkung einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Eine wichtige Frage bei der Festlegung geeigneter Regelungen und Codes ist, ob RDB-Materialien, die beschleunigten Bestrahlungsversuchen unterzogen werden, die gleichen Verhaltensweisen wie im Betrieb aufweisen. Die Wissenschaftler haben bereits mehrere Berichte auf Grundlage der Resultate der Test- und Analyseprotokolle erstellt. Dazu zählen Leitlinien für die Wiederverwendung untersuchter Proben, für die Übertragbarkeit von Testreaktorergebnissen auf reale LWR-Bedingungen und für die Überwachung der Strahlungsversprödung während der Lebensdauerverlängerungszeiträume älterer Reaktoren. Die LONGLIFE-Endresultate werden zweifellos die Sicherheit sowohl der vorhandenen Leichtwasserreaktoren als auch der im Bau befindlichen neuen Reaktoren verbessern. Die Umsetzung dieser Leitlinien wird das Engagement der EU für eine überlegene Sicherheitsüberwachung demonstrieren und die Unterstützung der Öffentlichkeit für eine höchsten Sicherheitsstandards genügende CO2-neutrale Kernenergie begünstigen.