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Inhalt archiviert am 2024-04-23

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ERC-Story – "Neue Verträge" am Arbeitsplatz

Die Länder Europas haben unterschiedliche Kulturen des Kapitalismus und der Beschäftigung. Aber angesichts von Herausforderungen wie der Globalisierung und der Finanzkrise ändern sich die verschiedenen Modelle — auf unterschiedliche Weise. An der National University of Ireland, Maynooth, nutzt Professor Seán Ó Riain ein ERC Starting Grant um zu erforschen, wie europäische Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Antwort auf diese Herausforderungen "neue Verträge" abschließen.

"Ich interessiere mich für den sozialen Wandel und die Möglichkeiten, die sich den Menschen bieten, um ein besseres Leben am Arbeitsplatz zu führen – in Bezug auf Bezahlung, Beziehungen zu Kollegen, Arbeitszufriedenheit und sogar Freude an der Arbeit", erklärt Prof. Ó Riain. "Ich möchte es auf eine sehr direkte und praktische Weise betrachten. Vergleiche zwischen den Ländern werden es uns ermöglichen, Schlüsse aus und für die unterschiedlichen Wirtschaftsmodelle zu ziehen." Sein ERC-Projekt stützt sich auf EU-weite Umfragedaten, die Umfrage der Europäischen Union zu Arbeitsbedingungen (European Union Survey of Working Conditions, EUSWC), um Tendenzen bei Bezahlung, Arbeitsprozessen, Karriere und Arbeitszeit während einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur und eines Finanzcrashs zu analysieren. Das Team wird dies mit sektoralen, regionalen und nationalen Daten kombinieren, um zu verstehen, wie "Arbeitsabmachungen" – wie Arbeitszeit oder Arbeitsplatzsicherheit – auftreten und sich ausbreiten, die durch soziale und institutionelle Kontexte geformt werden ."In den 1990er und 2000er Jahren gab es Debatten über die europäischen Wirtschaftsmodelle, in denen sie in "Varianten des Kapitalismus", wie liberaler, skandinavischer, kontinentaler oder mediterraner Kapitalismus, eingeteilt wurden", sagt der Professor. "Aber wir wissen, dass sich diese Modelle hinter diesen Bezeichnungen verändern – in Deutschland beispielsweise hat sich der Arbeitsplatz zwischen 2000 und 2008 stark verändert, weniger Sicherheit, eine Zeit der Lohnzurückhaltung und der Schwerpunkt Fokus auf dem Export." Flexibilität hat viele Formen Prof. Ó Riain zufolge sind beispielsweise der skandinavische Kapitalismus und der Kapitalismus Großbritanniens verschieden und dennoch entwickeln sie sich hin zu flexiblen Arbeitspraktiken. Sie unterscheiden sich dahingehend, wie diese Änderungen umgesetzt werden – in Großbritannien haben beispielsweise Führungskräfte mehr Macht und können Druck auf Mitarbeiter ausüben, damit diese länger arbeiten, während in den skandinavischen Ländern die Teams von Kollegen und nicht von Managern geleitet werden und "Flexibilität" bedeuten kann, dass man nach der Arbeit per Telefon erreichbar bleibt anstatt mehr Stunden am Arbeitsplatz zu verbringen. Dies kann überraschende Ergebnisse zur Folge haben. "In der Theorie sind 'liberale' Volkswirtschaften wie Irland und Großbritannien flexibler, weil Einstellung und Entlassung einfacher sind", sagt er. "Aber in der Praxis – auch weil das Arbeitslosengeld niedriger ist – wird dadurch der Einsatz erhöht und der Widerstand gegenüber Veränderungen kann stärker sein. Paradoxerweise kann es in den angeblich weniger flexiblen kontinentalen Volkswirtschaften einfacher sein, Menschen zu bitten, Opfer im Hinblick auf ein längerfristiges Ziel zu bringen. Stärkere soziale Sicherheit und mehr Gleichheit bedeuten, dass die Einsätze niedriger sind und es ist ein stärkeres Gefühl für gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Zukunft gibt." Um die Prozesse hinter dieser Art von Arbeitsplatzvereinbarungen und ihrer Verbindung mit der breiteren politischen und kulturellen Landschaft des jeweiligen Landes zu analysieren, wird das Projekt-Team ihre umfragebasierte Forschung mit einer Reihe ausführlicher Fallstudien kombinieren. Diese werden sich auf sechs Unternehmen konzentrieren, die drei Branchen – Software, Einzelhandel und Gesundheitswesen – in zwei Ländern, Irland und Dänemark, repräsentieren. "Die Fallstudien werden 'die Motorhaube öffnen', um zu sehen, was 'darunter' ist, sagt Prof. Ó Riain. Die Forscher werden Führungskräfte und Mitarbeiter sowie deren Kunden und Lieferanten befragen, ihre Versammlungen besuchen, Projektverläufe analysieren und Manager während ihres Arbeitstages verfolgen. EU-Wirtschaft besteht aus "Varianten des Kapitalismus" Der Professor hofft, dass die detaillierten Informationen, die aus wissensintensiven Branchen und Ländern mit verschiedenen "Varianten des Kapitalismus" erhoben werden, neue theoretische Erkenntnisse und praktische Schlussfolgerungen zu den Möglichkeiten bieten, wie Finanzwesen, Industriepolitik, Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander in Beziehung stehen. "Ohne die Finanzhilfe durch ein ERC-Grant lässt sich ein Projekt in dieser Größenordnung nicht durchführen", sagt er. "Insbesondere ermöglicht die längerfristige, mehrjährige Natur insgesamt ein kohärenteres Projekt. Mit dem Zuschuss konnten wir ein Forschungsteam aus zwei Postdoktoranden und drei Doktoranden aufbauen – sowie Konferenzen ausrichten – und dadurch einen Teil der Grundlagen für eine Forschungsgruppe legen, die sich an unserer Universität mit Soziologie am Arbeitsplatz - beschäftigt." Prof. Ó Riain glaubt, dass ihre Ergebnisse systematischer aufzeigen, wie verschiedene Aspekte des Arbeitsplatzes in den einzelnen Ländern organisiert sind und wie diese nicht nur auf der Interaktion zwischen Personen beruhen, sondern auch auf ihren kollektive Fähigkeiten – wie dem gemeinsamen Verständnis der "Wege in die Zukunft" und unterstützende Institutionen. "Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsplatzebene und der europäischen Ebene", sagt er, "daher hoffen wir, dass diese Forschung Einblicke in die aktuellen Bemühungen, die EU-Wirtschaft zu integrieren, geben wird." - Quelle: Prof. Seán Ó Riain - Projektkoordinator: National University of Ireland, Maynooth, Irland - Projekttitel: New Deals in the New Economy - Projektakronym: NEWDEALS - Website der NEWDEALS-Projekts - RP7 Finanzierungsprogramm (ERC-Aufforderung): Starting Grant 2011 - Finanzierung durch die EK: 1 300 000 EUR