Den europaischen Forschungsraum gestalten
Europa steht vor enormen Herausforderungen: Vor drei Jahren hatten sich die Regierungschefs der EU in Lissabon das ehrgeizige Ziel gesetzt, »Europa bis 2010 zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt« auszubauen. EU-Forschungskommissar Philippe Busquin will deshalb die Ausgaben für Forschung und Entwicklung von bisher 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts europaweit auf drei Prozent erhöhen. Dabei müssen neben den staatlichen vor allem die privatwirtschaftlichen Ausgaben erheblich gesteigert werden. Der europäische Forschungsraum ist aber nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Chance: »Wir streben schon seit Jahren eine Ausweitung unserer Aktivitäten in Europa an«, erklärt Prof. Dennis Tsichritzis, Vorstand für Internationales der Fraunhofer-Gesellschaft. »Unser Ziel ist es einerseits, die wissenschaftliche Kooperation mit europäischen Forschungseinrichtungen zu intensivieren, andererseits wollen wir den europäischen Markt für die Auftragsforschung noch weiter erschließen.« Die Europastrategie der Fraunhofer-Gesellschaft ist einer der Diskussionspunkte beim Besuch des EU-Forschungskommissars Philippe Busquin in Stuttgart am 30. September. Gastgeber des Treffens ist der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft Prof. Hans-Jörg Bullinger, der bis zum letzten Jahr Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO war. Kooperationen mit Forschern und Anwendern innerhalb Europas gehören für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft heute bereits zum Alltag. In den letzten fünf Jahren haben sich die Auslandserträge von 40 auf 80 Millionen Euro verdoppelt. Auf dem ersten Platz der Länder, die Partner in der Auftragsforschung wurden, rangiert Österreich, gefolgt von der Schweiz, Schweden und Frankreich. Stetig gewachsen sind mit den Auslandserträgen auch Fördermittel, die von der EU an die Fraunhofer-Gesellschaft vergeben wurden. Mittlerweile verfügen die Fraunhofer-Institute auch über erste - positive - Erfahrungen mit dem neuen Förderkonzept des 6. Forschungsrahmenprogramms. Das Rahmenprogramm verfolgt das Ziel, die Forschungsaktivitäten EU-weit zu bündeln. Motto: Klotzen statt Kleckern. Mit einem Gesamtfördervolumen von 18 Milliarden Euro soll die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Forschungsraums gestärkt und zu einem Anziehungspunkt für Experten aus aller Welt gemacht werden. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, wurden neue Instrumente geschaffen: »Integrierte Projekte« setzen auf Kooperation zwischen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. »Exzellenznetzwerke« stellen die Netzwerk-Bildung und Bündelung von Kompetenzen in den Mittelpunkt. Geplant sind außerdem Maßnahmen, die die Wirksamkeit der staatlichen Forschungsförderung erhöhen und bessere Rahmenbedingungen schaffen. So sollen beispielsweise »Europäische Technologieplattformen« aufgebaut werden: Hier steht jeweils eine Schlüsseltechnologie im Zentrum. Gruppen von Forschern und industriellen Anwendern sollen dann gemeinsam ein Konzept für die Entwicklung und Nutzung erarbeiten. Hans-Jörg Bullinger: »Das 6. Forschungsrahmenprogramm schließt an die Tradition der europäischen Programme an und setzt auf die konkrete Umsetzung von Forschungsergebnissen in der Wirtschaft.« Mit dem Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde ist der Präsident zufrieden: Erste Hochrechnungen sprechen von einer Teilnahme der Fraunhofer-Institute an über 70 erfolgreichen »Integrierten Projekten« und »Exzellenznetzen«. Bei mindestens acht »Integrierten Projekten« übernimmt die Fraunhofer-Gesellschaft außerdem die Federführung. »Mit den Integrierten Projekten werden wir in der ersten Runde Erfahrungen sammeln und diese dann in die weitere Evaluierung der Instrumente einbringen«, sagt Bullinger. »Aus unserer Sicht ist es jedoch wichtig, dass auch die Förderung kleinerer Projekte beibehalten wird.« Die Meinung des Fraunhofer-Präsidenten wird künftig in Brüssel noch mehr gehört werden als bisher: In Stuttgart wird Bullinger durch Philippe Busquin zum Mitglied der High-Level-Group ernannt. Dieses Beratergremium der Kommission, das aus europäischen Forschungsrepräsentanten besteht, ist verantwortlich für die Evaluierung der im 6. Forschungsrahmenprogramm neu eingeführten Instrumente und wird seine Arbeit im Oktober aufnehmen. Der Fraunhofer-Präsident bekommt damit die Möglichkeit, mehr Verantwortung für die strategische Weiterentwicklung der Europäischen Forschungspolitik zu übernehmen und seine künftige Entwicklung mit zu gestalten.,
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