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Inhalt archiviert am 2023-03-02

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Werden Immunsysteme faul?

Jungen Eltern wird oftmals geraten, ihren Kindern eine bakterienfreie Umgebung zu schaffen, indem sie Fläschchen und Schnuller sterilisieren und ihre Hände regelmäßig waschen. Viele antibakterielle Seifen auf dem Markt locken Kinder, Eltern und Kinderbetreuer. Darüber hinaus w...

Jungen Eltern wird oftmals geraten, ihren Kindern eine bakterienfreie Umgebung zu schaffen, indem sie Fläschchen und Schnuller sterilisieren und ihre Hände regelmäßig waschen. Viele antibakterielle Seifen auf dem Markt locken Kinder, Eltern und Kinderbetreuer. Darüber hinaus wird der Großteil der Kinder gegen verschiedene gefährliche bakterielle Krankheiten geimpft, bevor sie drei Jahre alt sind. Die von der EU unter dem Siebten Rahmenprogramm (RP7) mit 6 Millionen Euro unterstützte DIABIMMUNE-Studie stellt sich nun die Frage, ob wir durch die Entfernung aller Bakterien die Immunsysteme unserer Kinder nicht tatsächlich schwächen. DIABIMMUNE führt Partner aus Deutschland, Estland, den Niederlanden, Finnland und Russland zusammen. Gemeinsam werden die Forschungspartner 7.000 Kinder aus Estland, Finnland und Karelien in Nordwestrussland untersuchen. In jedem dieser Länder wird die Studie mehr als 300 Kinder von der Geburt an bis zum dritten Geburtstag beobachten. Darüber hinaus wird sich die Studie auf 2.000 Kinder zwischen ihrem dritten und fünften Geburtstag konzentrieren. "Wir haben schon autoimmune Phänomene und allergische Reaktionen bei finnischen und russischen Schulkindern in Karelien untersucht. Jetzt studieren wir Säuglinge und Kleinkinder, um neue Informationen zum Immunsystem und zu den Wechselbeziehungen zwischen Immunsystem und Umwelt zu erhalten", erklärt Professor Mikael Knip von der Universität Helsinki, der das Projekt koordiniert. Vorangegangene Studien fanden heraus, dass finnische Kinder sechsmal eher an Diabetes Typ 1 und fünfmal so viel an Zöliakie (einer autoimmune Störung des Dünndarms) erkranken als russische Kinder. Trotz dieser Prävalenz haben die Angehörigen beider Nationalitäten dieselbe Menge an Varianten bei den humanen Leukozytenantigenen (HLA), die für die Prädisposition von Autoimmunkrankheiten verantwortlich sind. "Die unterschiedliche Häufigkeit autoimmuner Phänomene und allergischer Reaktionen zwischen dem finnischen und dem russischen Teil Kareliens kann nicht genetisch bedingt sein. Hohe Lebensstandards und damit zusammenhängende Lebensweisen scheinen die Entwicklung von Autoimmunkrankheiten und Allergien zu fördern", glaubt Professor Knip. Das DIABIMMUNE-Projekt wird sich beispielsweise auf die Entwicklung der bakteriellen Darmflora nach der Geburt und auf die Auswirkung der Lebensumgebung auf die Zusammensetzung der bakteriellen Flora konzentrieren. Die Forschungsarbeit wird auch die Auswirkungen von Infektionen auf die Ausbildung des menschlichen Immunsystems und auf die Funktion der weißen Blutkörperchen, die die Immunantwort regulieren, studieren. Außerdem werden die Forscher untersuchen, ob der durch Infektionen ausgelöste Schutz gegen autoimmune und allergische Reaktionen im Zusammenhang mit der gesamten Belastung durch Infektionen oder mit bestimmten Mikroben steht. Das Projekt hofft außerdem, die Auswirkungen der Kinderernährung auf die Entwicklung des Immunsystems, die bakterielle Darmflora und das Auftreten von Infektionen bewerten zu können. Obwohl die Studie erst in einigen Jahren abgeschlossen wird, erwartet man sich von ihren Ergebnissen die dringend benötigten Einblicke in Zöliakie und andere Autoimmunkrankheiten und Allergien.