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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Chemikalienfreies Dekontaminationssystem für Obst und Gemüse

Im Rahmen des SAFEBAG-Projekts wird ein chemikalienfreies Dekontaminationssystem für frische Obst- und Gemüseerzeugnisse entwickelt, das den Verbraucheranforderungen für sichere, nährstoffreiche und umweltschonende Produkte gerecht wird.

Wir sind Zeuge eines weltweiten Anstiegs lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche, die in Zusammenhang mit gebrauchsfertigen Obst- und Gemüseerzeugnissen stehen. Die derzeitigen Behandlungsmethoden wie etwa das Waschen mit Chlor hinterlassen oftmals chemische Rückstände und verschwenden Wasser. Es gibt einen zunehmenden Bedarf, die Mengen der im Rahmen dieser Verfahren verwendeten chemischen Stoffe zu verringern. Ebendies kann durch ein effektives und umweltfreundliches Dekontaminationssystem erreicht werden, das derzeit im Rahmen des SAFEBAG-Projekts entwickelt wird. Das im Zuge des RP7 finanziell unterstützte SAFEBAG-Team entwickelt ein innovatives Dekontaminationssystem, das innerhalb von Verpackungen wirkt und das es ermöglicht, die Anzahl der beim Waschen verwendeten Chemikalien zu verringern. Das System basiert auf kaltem Atmosphärendruckplasma, das in einer versiegelten Lebensmittelverpackung erzeugt wird. Dabei werden hochgradig geladene Teilchen (freie Radikale) produziert, die Bakterien beschädigen oder abtöten. Eine Untersuchung im Vorfeld hat bereits ergeben, dass dieses nichtthermische Plasma (energetisches, ionisiertes Gas) innerhalb der Verpackung mikrobielle Belastungen für frische Obst- und Gemüseerzeugnisse erheblich reduzieren kann. Im Zuge des SAFEBAG-Projekts wird diese Erkenntnis durch zusätzliche Nachforschungen weitergeführt, damit das technologische Potenzial voll ausgeschöpft werden kann. Ein plasmabasierter, vorwettbewerblicher Prototyp wurde vom Projektteam gebaut und kann industriell hinsichtlich der Effektivität bei der Dekontamination frisch verpackter Früchte- und Gemüseerzeugnisse getestet werden. Während das Projekt in diese wichtige Testphase geht, unterhielt sich Dr. Edurne Gaston Estanga, Gruppenleiterin für Lebensmitteltechnologien des Unternehmens IRIS in Spanien sowie SAFEBAG-Projektleiterin, mit dem Magazin research*eu über die innovativen Aspekte der Technologie und das weitere Vorgehen nach deren Zulassung für den Sektor. Was sind die Hauptziele des Projekts? Das zentrale Ziel des Projekts ist es, einen vorwettbewerblichen Prototyp mit einer Technologie zu entwickeln, die auf kalter Atmosphärendruckplasmatechnik basiert und ein innovatives Verfahren ermöglicht, um mikrobielle Belastungen für frisch geerntetes Obst und Gemüse zu verringern. Ein solches Verfahren kann Lebensmittelsicherheit gewährleisten und die Haltbarkeit des Produktes verlängern, ohne dass dieses an Qualität oder Nährwert einbüßt. Um dieses Ziel zu erreichen; wurden fünf Ziele gesetzt. Zunächst wollten wir einen Plasmatest nach Labormaßstäben anwenden, um die Parameter des Plasmaverfahrens zu optimieren, die zu einer maximalen antimikrobiellen Wirksamkeit unter Beibehaltung der Produktqualität und des Nährwerts führen. Punkt zwei bestand darin, den Prozess der physikalischen Plasmaentladung zu beschreiben, um diese auf eine antimikrobielle Wirksamkeit auszurichten, damit Prozesszusammenhänge besser verstanden werden könnten. Drittens versuchten wir das Verfahren auf ein vorwettbewerbliches Niveau zu bringen, d. h., einen industriellen Prototyp zu entwerfen und zu bauen. Die Punkte vier und fünf bestanden darin, die Leistung des Prototyps hinsichtlich Frischobst- und gemüse zu überprüfen sowie die Nützlichkeit der Entwicklung zu demonstrieren. Warum ist die Verbesserung von Dekontaminationslösungen für Gemüse so wichtig? Chlor ist eines der effektivsten Desinfektionsmittel und dessen Verwendung in der Frischobst- und -gemüseindustrie ist weit verbreitet. Trotz strenger Sicherheits- und Hygienevorschriften für die Verarbeitung gibt es weltweit lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche, die mit gebrauchsfertigen Obst- und Gemüseerzeugnissen in Verbindung stehen. Hierbei treten oftmals neue Risiken aufgrund von Änderungen relevanter Mikroorganismen und Umgebungsbedingungen auf. Die Erhöhung der Sicherheit für diese Produkte ist für den Verbraucherschutz von allergrößter Bedeutung, insbesondere in Anbetracht des steigenden Verbrauchs an verpackten, frisch geernteten Erzeugnissen. Inwieweit ist der Ansatz des Projekts für ein solches Dekontaminationsverfahren neu oder innovativ? Die Verwendung kalten Atmosphärendruckplasmas zur Haltbarmachung von Nahrungsmitteln ist für sich genommen schon ein Novum und diese Technologie wurde vor Kurzem auf die Liste für nichtthermische Lebensmittelverfahren aufgenommen. Des Weiteren liegt die Innovationskraft des SAFEBAG-Ansatzes darin, dass Plasma innerhalb einer versiegelten Verpackung erzeugt wird, welche das Produkt enthält. Dies erleichtert eine schnelle Behandlung und beseitigt das Risiko einer Verunreinigung nach der Behandlung. Die trockene, nichtthermische und chemikalienfreie SAFEBAG-Waschtechnologie ist mit Online-Produktionsverfahren sowie mit Verpackungen mit kontrollierter Atmosphäre kompatibel und hinterlässt keine gefährlichen Rückstände im behandelten Produkt. Wie genau funktioniert die Plasma-Dekontamination? Plasma (auch als vierter Aggregatzustand bekannt) ist elektrisch geladenes Gas. Die beteiligten Gasmoleküle teilen sich und setzen Elektronen, Radikale, positive und negative Ionen, Energiequanten elektromagnetischer Strahlung, frei, während manche Moleküle dabei neutral bleiben. Es gibt je nach Entstehungsbedingungen verschiedene Plasmasorten. Bei der SAFEBAG-Technologie wird einem Ansatz für eine dielektrische Barriereentladung folgend kaltes Atmosphärendruckplasma (d. h. bei nahezu Raumtemperatur) verwendet. Die Lebensmittelverpackung wird mit zwei Hochspannungselektroden behandelt. Während des Hochspannungsprozesses wird das Gas innerhalb des elektrischen Felds einschließlich des Gases innerhalb der Verpackung ionisiert. Eine spezielle Mischung der reaktiven Spezies bewirkt den antimikrobiellen Effekt. Die reaktive Spezies reagiert mit der Lebensmitteloberfläche und ändert deren Zellstruktur. Dies führt zu einer Freigabe von Zellkomponenten, was sich wiederum auf die Zellintegrität auswirkt. Abhängig vom Bakterientyp kann es ebenfalls zur DNS-Schädigungen kommen. Entscheidend ist, dass das Gas kurz darauf wieder einen stabilen Zustand erreicht, d. h. keine chemischen Rückstände auf dem Produkt zurückbleiben. Das Ziel ist es, die Haltbarkeit zu erhöhen und gleichzeitig den Nährwert des Erzeugnisses zu erhalten. Wie erfolgreich ist das Projekt in dieser Hinsicht? Die Arbeit im Labor hat vielversprechende Ergebnisse für eine Vielzahl frischer Obst- und Gemüsesorten wie Spinat, Kirschtomaten und Erdbeeren zutage gebracht, wobei signifikante Verbesserungen bei der Haltbarkeit sowie bei Schlüsselparametern erreicht werden konnten, auch wenn bei gewissen Erzeugnissen (z. B. Blattgemüse) weniger positive Ergebnisse feststellbar waren. In Anbetracht der Lebensmittelvielfalt auf dem Markt gibt es keinen allgemeingültigen Ansatz für die Lebensmittelverarbeitung. Wie sehen die weiteren Schritte für das Projekt und im Anschluss an dieses aus? Der vorwettbewerbliche Prototyp wurde gebaut und muss noch industriell zugelassen werden. Dies schließt Tests der Technologie auf eine Vielzahl industrieller Produkte und Bedingungen hin ein. Die Validierungstests finden an den Standorten der Projektpartner, Nature’s Best in Irland und Verdifresh in Spanien, statt. Eine Beherrschung der Technologie unter nahezu industriellen Bedingungen ist von entscheidender Bedeutung, damit die Technologie erfolgreich angewandt werden kann. Zusätzliche Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Technologie und zur Umsetzung der auf den industriellen Validierungstests basierenden Empfehlungen werden folgen. Wann wird das System voraussichtlich marktfähig sein? Es ist noch zu früh, um dies vorhersagen zu können. Es gibt großes Interesse von Lebensmittelverarbeitern weltweit. Die Tests des Prototyps unter Industriebedingungen müssen abgeschlossen sein und eine neue Version der Technologie, die auf die industriellen Bedingungen der Lebensmittelverarbeitung ausgerichtet ist, entwickelt werden. Wir bemühen uns, dies in 2 bis 3 Jahren zu schaffen.

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