GNSS-Anwendungen ohne Ausfallzeiten
Globale Satellitennavigationssysteme (Global navigation satellite system, GNSS) sind aus unserem täglichen Leben längst nicht mehr wegzudenken. Wir verlassen uns gern auf sie, wenn wir auf unbekannten Wegen reisen, aber sie sind bei Weitem noch nicht unfehlbar. Das Phänomen der ionosphärischen Störung, bei der Sonneneruptionen zu einem plötzlichen Anstieg der Radiowellenabsorption führen und damit häufig die Ausbreitung von Signalen verzögern und letztlich die Positionsbestimmung beeinflussen, beschäftigt Forscher bereits seit Jahren. Das Projektteam von CALIBRA beteiligte sich an diesen weltweiten Forschungsbemühungen mit einem besonderen Fokus auf Brasilien, das aufgrund seiner Nähe zum magnetischen Äquator mit am stärksten betroffen ist. Hinzu kommt, dass sich die Sonnenaktivität seit Beginn des neuen 11-Jahres-Zyklus im Jahr 2010 auf ihrem Höhepunkt befindet. Nach 27 Monaten intensiver Forschung legte das CALIBRA-Team jetzt höchst interessante neue Lösungen vor, wie man dem Problem der ionosphärischen Störungen Herr werden kann. Es präsentierte kürzlich einen vermarktbaren Ansatz, mit dem die Auswirkungen des Phänomens auf GNSS-Positionsbestimmungstechniken mit hoher Genauigkeit abgeschwächt werden können; hierzu dienten zwei Praxisdemonstrationen für den neu entwickelten Algorithmus in realen Situationen der Präzisionslandwirtschaft und der Offshore-Industrie. Enormes Potenzial Die Projektarbeit umfasste drei Hauptschritte. Zuerst bestätigten die Forscher, dass ionosphärische Szintillation und Variationen im Gesamtelektroneninhalt (Total electron content, TEC) einen direkten Einfluss auf das Funktionieren der GNSS-Techniken PPP (Precise Point Positioning) und RTK (Real Time Kinematic), die mithilfe von Referenzstationen auf den Zentimeter genaue Werte liefern, haben, um die Störungen dann mithilfe einer geeigneten Metrik zu beschreiben. Darauf hin wurde ein kurzfristiges empirisches Modell zur Prognose von TEC und Szintillation erstellt. Dieses wurde mit dem Netzwerk und der Datenbank von CIGALA-CALIBRA getestet, einem Netzwerk von Detektoren für ionosphärische Szintillation mit dem Web-Interface (ISMR Query Tool)(öffnet in neuem Fenster), das jeden Tag mehr als 10 Millionen Beobachtungen zu GPS, Glonass, Galeleo Beidou und anderen globalen Navigationssystemen sammelt. Seit Beginn der Arbeiten im Dezember 2014 haben diese Daten dazu beigetragen, Anwender aus über 20 Ländern mithilfe der Visualisierungs- und Mining-Techniken der Software zu unterstützen. Angesichts dieses Erfolges reichten die CALIBRA-Partner ein Patent für ihr Vorhersagemodell ein und gründeten das Spin-off SpacEarth Technology. Hauptzweck von SpacEarth ist es, die Vermarktung der Software für relevante Anwendungen und Dienstleistungen sicherzustellen, und sie gleichzeitig entsprechend der sich wandelnden Markterfordernisse zu verbessern und anzupassen. Eines der ersten Ergebnisse der neuen Firma ist ein Firmware-Update für die GNSS-Empfänger des Projektpartners Septentrio. Das gleiche Unternehmen nutzte die Projektergebnisse außerdem, um eine neue RTK-Engine zu schaffen, einschließlich eines neuen Modells für die Schätzung der Ionosphärenverzögerung, das sich bereits für RTK-Anwendungen mit sehr langer Grundlinie und zur Minderung von Ionosphäreneffekten bewährt hat. Neben der Schaffung dieses Wettbewerbsvorteils sollen die Projektergebnisse auch Ausfallzeiten und finanzielle Verluste, die in Brasilien und anderen Regionen der Welt durch die ionosphärische Störung verursacht werden, erheblich reduzieren.
Länder
Vereinigtes Königreich