Nahrung aus dem 3D-Drucker für Patienten mit Schluckstörungen
Die NASA ist nicht die einzige Organisation auf der Welt, die sich für das Drucken von Nahrungsmitteln (food printing) interessiert. Während das Konzept in der Tat eine Voraussetzung für zukünftige Reisen von Astronauten zum Mars sein könnte, weckt es darüber hinaus das Interesse von Bereichen, die eher auf der Erde bleiben. Für Lebensmittelhersteller birgt der 3D-Druck von Lebensmitteln unbegrenztes Potenzial für die kundenspezifische Anpassung ihrer Produkte und könnte einzigartige Lebensmittelformulierungen für spezielle Ernährungsbedürfnisse möglich machen. Letzteres war eines der Hauptziele von PERFORMANCE, einem mit 3 Mio. EUR geförderten Projekt, das ein neuartiges Ernährungskonzept für ältere Menschen mit Dysphagie entwickelte. Diese Kau- und Schluckbeschwerden treten in der Regel als Folge eines Schlaganfalls oder von Demenz auf. Und viele der im Rahmen von PERFORMANCE entwickelten innovativen Lösungen – von der Datensoftware für Mahlzeitendetails bis zu einzigartigen aktiven Verpackungen – stehen nun für die Vermarktung bereit. Das Konzept von PERFORMANCE Im Gegensatz zu derzeitigen Dysphagie-Diäten, die meist auf Püree und zerdrückter Nahrung basieren und zu Appetitlosigkeit und schließlich zu Mangelernährung führen können, werden beim PERFORMANCE-Konzept Aussehen und Geschmack von „echtem“ Essen repliziert und an die Bedürfnisse eines jeden Patienten angepasst. Dem Projektteam zufolge wird das „pürierte und passierte Essen wieder in seine ursprüngliche Form gebracht, um später die gleiche Textur und das gleiche Aussehen sowie zusätzliche Vorteile für die Gesundheit zu haben.“ Das Essen wird mit spezifischen Nährstoffen passend zu Größe, Gewicht, Geschlecht und Mängel eines jeden Patienten angereichert, und diese Parameter können angepasst werden, um sicherzustellen, dass die Ernährung immer gut ausgeglichen ist. Dieser Prozess ist dank eines vom deutschen IT-Unternehmen SANALOGIC entwickelten Algorithmus vollständig automatisiert: Er überwacht den Ernährungszustand des Patienten und reichert die folgenden Mahlzeiten für eine Woche automatisch an. Das Projektteam geht davon aus, dass die vollständige Personalisierung von Lebensmitteln, die nun durch die Arbeit von PERFORMANCE vorangebracht wurde, im Zeitalter der Industrie 4.0 eine automatische Realität sein wird. Der bestmögliche Klon Eine der größten Herausforderungen für das Projektteam bestand darin, eine größtmögliche Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Essen zu erreichen. „Gedruckte pürierte Nahrung muss nach dem Druck fest sein, aber auch flüssig genug, um von den Druckköpfen verarbeitet werden zu können“, erklärt Pascal de Grood, Gründer und Geschäftsführer des Projektpartners Foodjet. „Wir verwenden eine Drucktechnologie auf der Grundlage des Tintenstrahldruckens. Ein Geliermittel unterstützt die Formung der pürierten und passierten Nahrung. Dieses Geliermittel muss auf der einen Seite mit dem Drucksystem kompatibel sein, während das Drucksystem gleichzeitig Lebensmittelmatrizen wie Fleisch, Kohlenhydrat und Gemüse unterstützen muss.“ Das System verwendet nur natürliche Zutaten zusammen mit einem natürlichen Strukturmittel oder Texturierer, um mit dem gedruckten Essen so nah wie möglich der Realität nahe zu kommen. Jedes Detail wurde berücksichtigt, nicht nur im Bezug auf die Nahrung selbst. Um die heißen und kalten Stellen zu vermeiden, die beim Erhitzen von Lebensmitteln in einer Mikrowelle entstehen, entwickelten das Dänische Technologieinstitut und die italienischen Partner FEMTO und die Universität von Pisa eine „aktive Verpackung“: einen geteilten Teller mit perforierten Mikrowellenreflektoren an Ober- und Unterseite. PERFORMANCE im Geschmackstest Das PERFORMANCE-Konzept wird bereits vom Zielmarkt getestet – erst letzte Woche wurden in Pflegeheimen Verbrauchertests durchgeführt. Projektleiterin Sandra Forstner von biozoon food innovations präsentierte auf der Abschlusskonferenz am Freitag einige vorläufige Ergebnisse: „Diese Woche sind wir in die Pflegeheime gegangen, um das Konzept zu beweisen und zu bestätigen, und wir haben bisher einige positive vorläufige Ergebnisse erhalten.“ Die Verkostungen deckten das gesamte PERFORMANCE-System ab: von der Bestellung personalisierter Mahlzeiten mit der speziell entwickelten Software bis hin zur Produktion und Lieferung von Prototypen für Lebensmittelprodukte, die dann in den Pflegeheimen erwärmt und serviert wurden. Vorläufige Ergebnisse zeigen eine insgesamt positive Reaktion auf Form, Aussehen und Geschmack der Mahlzeit: 54% der Befragten bewerteten die Textur der Mahlzeit als gut, 79% fanden, dass die Mahlzeiten gleichmäßig erwärmt waren, und 43% würden die Mahlzeit von PERFORMANCE bei Schluck- oder Kaubeschwerden bestellen. PERFORMANCE auf den Markt bringen In Bezug auf die Vermarktung räumt Projektkoordinator Matthias Kück, der ebenfalls bei biozoon arbeitet, ein, dass das 3D-Drucken von Lebensmitteln noch einen langen Weg vor sich hat, bevor es ein wirtschaftlich tragfähiges Verfahren darstellt. Aber er stellt fest, dass das Team von PERFORMANCE an dem „notwendigen Durchbruch“ arbeitet. Und auch wenn dies bedeutet, dass es einige Zeit dauern wird, bis das komplette PERFORMANCE-Konzept umgesetzt werden kann, die entwickelten individuellen Lösungen werden nicht zurück im Regal landen und verstauben – ganz im Gegenteil. Kück versichert den Teilnehmern der Abschlusskonferenz: „Auch wenn PERFORMANCE nicht sofort auf dem Markt umgesetzt wird, können Sie davon ausgehen, dass viele der von PERFORMANCE entwickelten Produkte als Einzellösungen sehr bald vermarktet werden.“ Weitere Informationen sind abrufbar unter: PERFORMANCE Projekt-Website(öffnet in neuem Fenster)
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