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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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EU-Forscher erfinden voll funktionsfähige Roboternase

Ein EU-finanziertes Projekt hat Systeme zur Geruchserkennung und -klassifikation entwickelt, welche die Tür zur Entwicklung vieler innovativer neuer Anwendungen sowie auch zur möglichen Realisierung echter Roboternasen öffnen.

Das Projekt BIOMACHINELEARNING hat ein neuromorphes Netzwerk für Geruchserkennung erschaffen, das mit realer neuromorpher Hardware funktioniert, die in der Lage sein wird, Echtzeiteingaben von elektrischen Gassensoren zu empfangen. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Schritt hin zur Schaffung einer kostenwirksamen, tragbaren und voll funktionstüchtigen Roboternase, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden könnte - man denke nur an die Landwirtschaft (z. B. zur Überwachung der Fruchtreife), die Medizin (z. B. zum Diagnostizieren verschiedener Krankheiten) oder individuelle Lebensgewohnheiten (z. B. zum Ermitteln des Namens eines bestimmten Parfüms, das man zufällig auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit gerochen hat). Eine überraschende Entdeckung Eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Technologie besteht in der Verbesserung der Genauigkeit und Geschwindigkeit der Geruchserkennung und -identifizierung bei elektronischen Nasen. Bei einer Untersuchung zu dieser Aufgabenstellung mittels Analyse von Daten aus elektronischen Gassensoren machte das Projektteam eine unerwartete Entdeckung. Mittels biologisch inspirierter Signalverarbeitung konnte es die Signale von den Sensoren auf ein ausreichend hohes Level verstärken, um Schwankungen in Gaskonzentrationen aufzuklären, die auf ein Phänomen mit der Bezeichnung „Turbulenz“ zurückzuführen sind. „Turbulenz ein allgegenwärtiges Phänomen bei Gassensoren, und es ist tatsächlich eine ganze Menge an Informationen in Turbulenz-induzierten Schwankungen der Gaskonzentration kodiert“, wie Forschungsleiter Dr. Michael Schmuker erläuterte. „So erscheinen diese durch Turbulenz verursachten Veränderungen zum Beispiel dann, wenn wir nahe einer Gasquelle sind, in sehr schnellen Zeitskalen. Weiter weg sind die Veränderungen weniger drastisch und viel langsamer. „Diese Tatsache ist bereits seit Jahrzehnten bekannt, aber es wurde immer allgemein angenommen, dass technisch weitergereifte, schnelle Sensoren diese kleinen Unterschiede auflösen müssen.“ Vielmehr entdeckte das Team, dass diese schnellen Konzentrationsveränderungen mit billigen handelsüblichen Gassensoren und der geeigneten Signalverarbeitung aufgeklärt werden können. „Das gab uns letztlich Impulse, die den Weg für einige sehr interessante Anwendungen ebneten“, kommentierte Dr. Schmuker. Biologisch inspirierte Lösung für die Geruchserkennung und -klassifizierung Ausgestattet mit diesem neuen Wissen haben Dr. Schmuker und seine Kollegen daran gearbeitet, eine biologisch inspirierte Lösung zur schnellen und genauen Geruchserkennung und -klassifizierung zu realisieren. Die Projektmethode zur Verstärkung des Signals von den Gassensoren ist stark von der Art und Weise inspiriert, wie Nervenzellen arbeiten. Neuronen reagieren am meisten auf schnelle Veränderungen in ihrem synaptischen Input, was bedeutet, dass sie sich leicht anpassen können. „Das von uns erdachte Signalverarbeitungsverfahren arbeitet ganz ähnlich wie eine sich anpassende Nervenzelle“, erklärte Dr. Schmuker. Neuronen tauschen ihre Informationen über kurze Aktivitätsimpulse, sogenannte „Spikes“, aus, die möglicherweise viel effizienter als der kontinuierliche Austausch von Zahlen sind, wie es bei einem herkömmlichen Computer der Fall ist. Das Projekt nutzt nun spezielle neuromorphe Hardware (Siliziumchips, die hunderte oder tausende elektronische Neuronen beherbergen), um das Rechnen über Spikes zu beschleunigen und auf eine sehr detaillierte Weise Schaltungen im Gehirn zu modellieren und dabei die Recheneffizienz beizubehalten. Das Geruchsklassifizierungsnetzwerk ist stark daran angelehnt, auf welche Weise Insektengehirne den Geruchssinn vermitteln. Eingangsdaten (Sensorwerte) werden durch „virtuelle olfaktorische Rezeptoren“ verschlüsselt und dann von einem Netzwerk verarbeitet, das nach dem Vorbild einer Komponente des olfaktorischen Systems von Insekten, dem Antennallobus, modelliert wird. Zur Erzielung einer guten Geruchserkennung ist diese Vorgehensweise von entscheidender Bedeutung. Neuromorphe Hardwaresysteme Im Rahmen des Projekts setzte man zwei neuromorphe Hardwaresysteme, die voll funktionsfähig sind. Die Geruchserkennungsnetzwerke wurden auf beiden Plattformen mit Erfolg eingesetzt. „Die Effizienz dieser Systeme liegt in ihrer massiv parallelen Architektur begründet“, erklärte Dr. Schmuker. „Mit dem richtigen Netzwerk verfügen diese Systeme über das Potenzial, in der Mustererkennung ebenso wie konventionelle Computer zu funktionieren - das jedoch zu einem Bruchteil der Energiekosten.“ Er wies außerdem darauf hin, dass viele große globale Technikunternehmen mit der Übernahme dieser Technologie beginnen, was darauf hinweist, dass neuromorphes Computing zu einem integralen Bestandteil der industriellen Rechnerinfrastruktur wird. Nächste Schritte Das Projektteam ist nun begeistert dabei, eine physikalische Implementierung einer elektronischen Nase, gekoppelt mit neuromorpher Hardware, zu entwickeln, die Geruchserkennung und/oder gasbasierte Navigation bei einem Roboter leisten kann. Dr. Schmukers Kommentar: „Ich denke, dass derartige, dem Machbarkeitsnachweis dienende Prototypen der erste Schritt sind, um potenzielle Industriepartner mit Interesse daran anzulocken, unsere Resultate in ihrer Produktlinie zu integriere.“ Langfristig herrschen laut Dr. Schmuker gute Aussichten für die Technologie: „Meine Vision ist, dass elektronische Nasen ebenso alltäglich wie Kameras und Mikrofone sein werden... Technologie für elektronischen Nasen, die wenig Strom verbrauchen und eine gute Erkennungsleistung zeigen, eröffnet den Weg zu einem ganz neuen Verständnis unserer chemischen Umgebung.“ Weitere Informationen finden Sie auf der: CORDIS-Webseite des Projekts

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Vereinigtes Königreich

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