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Inhalt archiviert am 2023-03-24

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Pränatale Unterernährung hat je nach Geschlecht unterschiedliche Auswirkungen auf die Gehirngröße

Eine neue Studie zum niederländischen Hungerwinter von 1944/1945 ergab, dass pränatale Unterernährung je nach Geschlecht unterschiedliche Auswirkungen auf die Gehirngröße hat.

Im Rahmen des EU-finanzierten Projekts BRAINAGE befassten sich Wissenschaftler der Universität von Amsterdam sowie dem Universitätsklinikum Jena, Deutschland, mit den Auswirkungen, die die fünfmonatige Hungersnot, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in den dicht bevölkerten Regionen im Westen der Niederlande herrschte, auf Embryonen hatte. Bei der Studie wurden die Gehirne von Männern und Frauen, die als Embryonen in den frühen Schwangerschaftswochen unterernährt wurden, mit den Gehirnen anderer 68-Jähriger verglichen, die als Embryonen ausreichend ernährt worden waren. Der Vergleich zeigte, dass die Gehirne der männlichen unterernährten Embryonen kleiner ausfielen, die der weiblichen jedoch nicht. Das Forschungsteam nahm MRTs von Personen auf, die zur Zeit des sogenannten niederländischen Hungerwinters geboren sind. Während dieser Hungersnot lag die offizielle Tagesration bei 400 bis 800 Kalorien. Dies entspricht gerade einmal einem Viertel des täglichen Kalorienbedarfs eines Erwachsenen. Schätzungen zufolge sind in dieser Zeit 30.000 Menschen verhungert, doch Frauen wurden trotz der großen Not weiterhin schwanger und gebaren Kinder. Durchführung der Studie Am Beispiel des niederländischen Hungerwinters wurde bereits festgestellt, dass Unterernährung im ersten Schwangerschaftsdrittel ein erhebliches Risiko für die Entwicklung des Gehirns darstellt und das Risiko für Anomalien des zentralen Nervensystems (ZNS), wie Spina bifida oder Hydrocephalus, erhöht. Bis zu dieser Studie war jedoch nur wenig über die Auswirkungen auf die Größe des Gehirns im Erwachsenenalter bekannt. Um dies näher untersuchen zu können, führte das Forschungsteam eine Studie mit 2.414 Männern und Frauen durch, die zwischen dem 1. November 1943 und dem 28. Februar 1947 im gleichen Krankenhaus in Amsterdam (dem Wilhelmina Gasthuis) geboren sind. Die Forscher bildeten zwei Gruppen, wobei die Teilnehmer je nach Geburtsdatum als von der Unterernährung betroffen oder nicht betroffen eingestuft wurden. Das Team betrachtete diejenigen als pränatal von dem niederländischen Hungerwinter betroffen, deren Mütter über 13 Wochen hinweg mit einer durchschnittlichen Tagesration von weniger als 1.000 Kalorien auskommen mussten oder im ersten, zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittel insgesamt 16 Wochen lang Hunger leiden mussten. Personen, die vor der Hungersnot auf die Welt kamen oder nach ihr gezeugt und geboren wurden, galten als nicht betroffen und wurden der Kontrollgruppe zugeordnet. Unterschiedliche Auswirkungen auf Männer und Frauen Vorangegangene Studien mit demselben Geburtenjahrgang hatten bereits gezeigt, dass pränatale Unterernährung in den frühen Schwangerschaftswochen die größten Auswirkungen auf die spätere mentale und physische Gesundheit des Embryos hat. Dies bezieht sich auch auf das Risiko für Übergewicht, Brustkrebs, koronare Herzkrankheiten, Depressionen und sogar auf Nahrungspräferenzen. Daher konzentrierten sich die Forscher in dieser Studie auf Personen, die als Embryonen in der Frühschwangerschaft unterernährt wurden, und nahmen MRTs von 118 Studienteilnehmern auf, wobei 77 davon nicht von der Unterernährung betroffen waren. Die Wissenschaftler waren besonders an der Größe des Gehirns, dessen Struktur und der Integrität der weißen Substanz interessiert. Bei der Integrität und Hyperintensität der weißen Substanz zeigten sich keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Auch das Strukturvolumen war bei beiden Gruppen gleich. Die genauere, geschlechtsspezifische Analyse zeigte jedoch, dass das intrakranielle Volumen bei den betroffenen Männern um etwa 5 % kleiner war als bei den nicht betroffenen Männern. Zudem fielen die Volumen der kortikalen grauen und weißen Substanzen, der zerebralen grauen Substanz, des Thalamus und weiterer spezifischer kortikaler Bereiche kleiner aus. Interessanterweise konnten diese Unterschiede bei den betroffenen Frauen nicht festgestellt werden. Eine mögliche Erklärung bietet hier die Theorie, dass männliche Embryonen stärker auf fetale Programmierung reagieren, doch die Wissenschaftler räumen auch eine potenzielle Verzerrung ein und weisen darauf hin, dass die Sterblichkeitsrate bei den betroffenen Frauen über 63 höher ist. Demnach könnte es sein, dass in der Gruppe der Frauen der Anteil an gesünderen Frauen größer war, sodass die Auswirkungen der pränatalen Unterernährung auf Frauen unterschätzt wurde. Studien haben bereits gezeigt, dass Personen, deren Gehirn in der Kindheit im Vergleich zu anderen Kindern weniger stark gewachsen ist, eher, schwerer und früher an Alzheimer erkranken. „Dass die Gehirne dieser Männer immer noch Spuren von einem Ereignis zeigen, dass 68 Jahre zurückliegt und sie im Embryonalzustand betraf, ist bemerkenswert“, so Co-Autorin der Studie Dr. Susanne De Rooij. „Unserer Ansicht nach zeigt dies ganz klar, wie stark sich die Ernährung der Mutter auf die Entwicklung des Gehirns ihres Embryos auswirkt – in jungem wie auch in fortgeschrittenem Alter.“ Weitere Informationen finden Sie auf: Projektwebsite

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