Neue Technologie zur Vulkangasbeobachtung verbessert Eruptionsvorhersagemodelle
Mithilfe eines ERC-Zuschusses soll mit dem Projekt BRIDGE (Bridging the gap between Gas Emissions and geophysical observations at active volcanoes) nicht weniger als ein „großer wissenschaftlicher und technischer Fortschritt im Bereich der Vulkanologie“ erzielt werden. Anlass war der Umstand, dass der Beitrag der Vulkangasbeobachtung zur Vulkanüberwachung – trotz der neuesten technologischen Fortschritte – noch sehr begrenzt ist. Daher ist es auch nach wie vor nicht möglich, Vulkangasstrom und -zusammensetzung in hoher Frequenz in Echtzeit zu überwachen. Bis heute sind Geochemiker mit technischen Herausforderungen konfrontiert, wenn sie die chemische Zusammensetzung und Strömung vulkanischen Gases mit einer hohen Frequenz (1 Hz) erfassen möchten, und sie sind dabei auf permanente Instrumentenaufbauten angewiesen. Des weiteren ist es aufgrund der geringen zeitlichen Auflösung der erhobenen Beobachtungsdaten nicht möglich, rasant ablaufende vulkanische Vorgänge zu analysieren, etwa solche, die sich kurz vor einer Eruption ereignen. Die in BRIDGE entwickelte Technologie löst diese Probleme mit innovativen Instrumenten für 1-Hz-Beobachtungen vulkanischer SO2- und CO2-Strömungen. Die mit diesen Instrumenten gesammelten Informationen können mit geophysikalischen Daten kombiniert werden, um aktuell bestehende Wissenslücken zu schließen und verschiedenste Eigenschaften von Vulkanen besser zu modellieren, darunter auch die Mechanismen, die schwere vulkanische Eruptionen auslösen. Wie kommt es, dass die Vulkangasbeobachtung so weit hinterherhinkt? Prof. Alessandro Aiuppa: Vulkanische Gase sind ein relativ neues Forschungsgebiet. Während die etablierten geophysikalischen Verfahren zur Vulkanbeobachtung seit mehr als hundert Jahren angewendet werden – die Seismizität wird beispielsweise seit Mitte oder Ende des 19. Jahrhunderts überwacht – werden Vulkangase erst seit den 1930er- bis 1950er-Jahren untersucht. Instrumentelle Vulkangasbeobachtungen werden erst seit den 1970ern durchgeführt und in den 2000ern konsolidiert. Dieses „verspätete“ Interesse der Wissenschaftler an vulkanischen Gasen führte dazu, dass in der Geophysik nun eine Wissenslücke vorliegt. Wie wirkt sich dies auf die Genauigkeit und Effektivität der Vulkanüberwachung aus? Obwohl eine deterministische Vorhersage von Vulkanausbrüchen nach wie vor schwierig ist, haben Vulkanologen nun ein deutlich klareres Bild von den Prozessen, die zu einer Eruption führen, und die in der Magma vorhandenen Volatile spielen eindeutig eine wichtige Rolle. Dies sind die Stoffe, die sich aus der Silikatschmelze lösen und eine Gasphase bilden, während die Magma an die Oberfläche steigt und dabei dekomprimiert wird. Die Bildung und Ausdehnung dieser Gasphase führt in der Magma zu einem Druckanstieg, der wiederum eine Eruption auslöst. Daher ist es von zentraler Bedeutung, Zusammensetzung und Strömung der Gase zu beobachten. Leider können Vulkangasproben derzeit nicht ausreichend schnell genommen und im Labor analysiert werden, um schnell ablaufende vulkanische Vorgänge untersuchen zu können, und diese Untersuchungen können wenig dazu beitragen, Modelle zum Magmastrom (und zur Gasphasenbildung) zu verbessern und/oder experimentell zu validieren. Welchen Lösungsansatz verfolgten Sie? Unser Ziel bestand darin, bestehende Verfahren zu verbessern und neue Technologien zur Untersuchung vulkanischer Gase zu entwickeln. Wir entwarfen und produzierten eine neue Generation von Vulkangassensoren, die wir in Feldversuchen testeten, und wir setzten erfolgreich die ersten Prototypen vollautomatisierter UV-Kamera-Netzwerke um. Dies ermöglicht uns langfristige, kontinuierliche Beobachtungen der vulkanischen SO2-Strömung bei hoher zeitlicher Auflösung (> 1 Hz und bis zu 25 Hz) mit einem kompakten, zuverlässigen und leicht zu bedienenden Aufbau. Außerdem haben wir eine neuartige Technologie namens „Multi-component Gas Analyser System“ (Multi-GAS) weiterentwickelt, eine Sensoreinheit für Gas, die inzwischen den Standard für die annähernd kontinuierliche In-situ-Beobachtung der Zusammensetzung von Vulkangas darstellt. Und darüber hinaus konnten wir auch das erste DIAL-Lidar entwickeln, mit dem eine direkte Erfassung der vulkanischen CO2-Strömung möglich ist, was keine leichte Aufgabe war. Mit unserem Gassensornetzwerk, das über mehrere Instrumente verfügt und sofort einsatzbereit ist, kann schnell auf verheerende Vulkanausbrüche reagiert werden, die sich in Zukunft innerhalb wie außerhalb der EU ereignen werden. Die im Rahmen von BRIDGE entwickelten Gasbeobachtungsinstrumente werden nun an verschiedene Vulkanobservatorien auf der ganzen Welt geliefert, wo sie in lokale Beobachtungsnetze integriert werden. Können Sie erklären, wie diese Instrumente funktionieren? Bei unseren UV-Kameras handelt es sich um CCD-Geräte, mit denen eine Reihe von Bildern von der Vulkanfahne (den sich in der Atmosphäre verteilenden Vulkangasen) aufgenommen wird. Für diese Bilder werden optische Filter genutzt, sodass wir begrenzte Anteile des einfallenden Sonnenlichts erfassen können. Indem wir zwei Kameras gleichzeitig einsetzen, kann die selektive Absorption des einfallenden Sonnenlichts durch das vulkanische SO2 bemessen werden, woraus sich der SO2-Strom ableiten lässt, d. h. die SO2-Menge, die der Vulkan in einer bestimmten Zeit freisetzt. Unsere Multi-GAS-Instrumente sind kompakte Multisensoreinheiten, die Infrarotspektrometer mit elektrochemischen Sensoren kombinieren. Vulkanische Gase und Gasfahnen werden aktiv in die Multi-GAS-Einheit gepumpt, die daraufhin die Konzentration verschiedener Gase (H2O, CO2, SO2, H2S, H2, HCl) mit einer Frequenz von 1 Hz in Echtzeit misst. Die Multi-GAS-Einheit ist dauerhaft am Vulkangipfel installiert, und die Daten werden vom Vulkanobservatorium aus der Ferne erhoben. So wird die Vulkangaszusammensetzung akkurat und kontinuierlich aufgezeichnet. Das DIAL-Lidar setzt sich im Wesentlichen aus einem Sender (Laser) und einem Empfänger (Teleskop) zusammen. Ein Lidar ist im Grunde nur ein optisches Radar: Ein Laserimpuls wird in die Atmosphäre geschossen, und einige seiner Photonen werden von Luftmolekülen und Aerosolen zum Teleskop zurückgeworfen. Die optische Leistung dieses Photonenstroms (der durch einen Fotodetektor in ein elektronisches Signal umgewandelt wird) verhält sich proportional zu den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Atmosphäre, durch die sich der Laserstrahl bewegt. In der Luft wird der Laserimpuls durch Moleküle und Aerosole sowie durch die spezifische Absorption der Gase abgeschwächt: Wenn die Wellenlänge des Lasers mit den Absorptionslinien eines getroffenen Gases übereinstimmt, fällt die Abschwächung stärker aus. Das DIAL-System macht sich diesen Effekt zunutze: Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Lidar werden zwei Wellenlängen gesendet („EIN“ und „AUS“), jedoch wird nur erstere von den getroffenen Gasmolekülen absorbiert. Wenn die Absorptionslinie schmal ist und die EIN- und AUS-Wellenlängen ausreichend dicht beieinander liegen, lässt sich die Konzentration des mit dem Lidar getroffenen Gases aus dem Verhältnis zwischen dem AUS- und dem EIN-Signal ableiten. In unserem spezifischen Fall haben wir ein neuartiges DIAL-Lidar entwickelt, das auf einem Farbstofflaser basiert und einen komplexen Sender enthält, der einen stabilisierten Nd:YAG-Laser mit einem Doppelgitter-Farbstofflaser kombiniert. Mithilfe dieses Senders wird Laserstrahlung mit einer Wellenlänge von ca. 2010 nm erzeugt, die vom in der Atmosphäre vorkommenden CO2 absorbiert wird. Sind Sie mit den Ergebnissen Ihrer Feldversuche zufrieden? Durchaus. Alle entwickelten Instrumente wurden erfolgreich an aktiven Vulkanen installiert und senden nun einen gewaltigen Strom an Informationen zum Verhalten der Vulkane. Anhand der kombinierten Analyse von gleichzeitig aufgezeichneten Vulkangaswerten und geophysikalischen Signalen (hinsichtlich Seismik, Infraschall, Geodäsie und Thermik) wurde in unserem Projekt ein neuartiges interpretatives Schema der in der dünnen Erdkruste ablaufenden vulkanischen Prozesse ermittelt. Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Erkenntnisse, die im Projekt gesammelt wurden? Aus dem BRIDGE-Projekt nehmen wir in erster Linie mit, dass ein multi-disziplinärer Ansatz verfolgt werden muss, um das Verhalten von Vulkanen verstehen zu können. Die in BRIDGE erzielten Erfolge verleihen dem Fall Symbolcharakter und zeigen, dass die Zusammenfassung von Vulkangasdaten und geophysikalischen Daten wichtig ist, um die Mechanismen des Gas- und Magmaaufstiegs im Vulkanschlot während inaktiver Phasen sowie vor und während vulkanischer Eruptionen besser durchschauen zu können. Unsere multi-disziplinären Beobachtungen an den Vulkanen Stromboli und Ätna – die erst mit den im BRIDGE-Projekt erstellten Beobachtungsnetzen möglich wurden – belegen, dass eine genauere Eruptionsvorhersage möglich ist, wenn Gas und geophysikalische Signale kombiniert analysiert werden. BRIDGE Gefördert unter FP7-IDEAS-ERC. BRIDGE-Projektseite bei CORDIS Projektwebsite
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