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Inhalt archiviert am 2023-04-03

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Erforschung der Auswirkungen von Nahrungsentzug bei Staren beleuchtet Depression neu

Wird der Zugang zu Nahrung in den ersten Lebensstadien nur zehn Tage lang begrenzt, wirkt sich dies bei Staren dauerhaft auf die Fütterungsmotivation und die Sensibilität für Belohnungen aus – die Verhaltenscharakteristika entsprechen denen von Depression beim Menschen.

Beim Menschen wird Not im frühen Kindesalter – wie körperliche und emotionale Vernachlässigung, Missbrauch und Traumatisierung – mit einer erhöhten Anfälligkeit für affektive Störungen im späteren Leben in Verbindung gebracht. Jüngste Erkenntnisse deuten offenbar darauf hin, dass sich die Art und der Zeitpunkt von Not im Kindesalter bedeutend auf die Entwicklung von affektiven Störungen auswirken könnten. Aber aufgrund der verschiedenen Arten von Widrigkeiten, denen Menschen ausgesetzt sein können, gestaltet sich das Ermitteln spezifischer Auswirkungen mit epidemiologischen Humandaten schwierig. In Tierversuchen können die Notursachen genau gesteuert und vermutete Kausalzusammenhänge somit schlüssig überprüft werden. Genau das haben die Forscher des Projekts COMSTAR mit Unterstützung der Europäischen Union getan – ihre Ergebnisse wurden kürzlich in einer wissenschaftlichen Arbeit beschrieben, die in der Fachzeitschrift „Scientific reports“ veröffentlicht wurde. Das Team erklärt, dass zur Analyse des Ausmaßes frühzeitiger Widrigkeiten viele Laborversuche an Nagetieren durchgeführt wurden, in denen für gewöhnlich die Jungtiere innerhalb der ersten vierzehn Tage nach der Geburt für unterschiedliche Zeiträume vorübergehend von ihren Müttern getrennt wurden. Doch da Studien am Menschen in diesem Fall kaum möglich sind, verzerren die meisten der Experimente typischerweise die verschiedenen Ursachen einer Not (z. B. Mangelernährung, Unterkühlung, mangelnde Pflege, Körperkontakt und Schutz). Nur bei einem Versuch wurde den Forschern zufolge die Auswirkung einer bestimmten Not – Nahrungsentzug – getestet, indem Jungtiere zu nicht laktierenden Weibchen gelegt wurden. Nahrung, so die Forscher, „(…) trägt wohl am meisten zur Entwicklung bei. Neben der tragenden Rolle bei normalen Wachstums- und Entwicklungsvorgängen ist Nahrung auch ein primärer Verstärker, der Verhaltensweisen durch Lernen formen kann.“ Fütterungspläne beeinflussen, wie die Subjekte Belohnungen, aber auch Bestrafungen durch Nahrungsentzug wahrnehmen. Also machte sich das Team daran, zu analysieren, bis zu welchem Ausmaß die Fütterung in den ersten Lebensstadien eine Rolle bei der Anpassung der Art spielen könnte, wie Individuen Belohnungen anstreben und auf diese sowie auf Bestrafung reagieren und sie bewerten. Da Depression ihren Erklärungen zufolge durch eine Unterempfindlichkeit für Belohnungen und eine Überempfindlichkeit für negative Reize charakterisiert wird, wollten sie feststellen, ob Fütterungspläne in den ersten Lebensstadien bei der Entwicklung depressionsartiger Phänotypen wichtig sein könnten. Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, stellten sie sorgfältig sicher, dass die Subjekte ihrer Experimente, Stare, mehr Nahrung mit einem höheren Energiegehalt erhielten, als sie für deren Beschaffung aufwenden mussten, um so die Auswirkungen von denen zu trennen, die aus einfachen Ernährungsbedürfnissen entstehen. Sie veränderten die Menge (Mengenbehandlung) und die Bettelleistung (Leistungsbehandlung), um verschiedene Kombinationen zu schaffen, und kamen zu dem Ergebnis, dass sich der Fütterungsplan, der auf die Tiere nur 10 Tage lang im frühen Alter angewandt wurde, dauerhaft auf die Motivation des erwachsenen Tieres beim Füttern und die Empfindlichkeit auf Verlust und Gewinn auswirken kann. Diese Ergebnisse betonen die Bedeutung von Fütterungsplänen in den ersten Lebensstadien bei der Entwicklung depressionsartiger Phänotypen. Angstzustände und Depression treten oft gleichzeitig auf. Bis jetzt wurde das stets so aufgefasst, dass beides denselben Ursprung hat. Die Ergebnisse von COMSTAR legen jedoch die Möglichkeit nahe, dass sie unterschiedliche Ursachen im Zusammenhang mit Erfahrungen von Bestrafung und Belohnung haben könnten. Die Forscher formulieren es folgendermaßen: „(…) unsere Ergebnisse unterstützen die jüngsten Argumente, nach denen die Rolle von Fütterungsplänen bei der Verhaltensbildung erwachsener Menschen unterschätzt wurden und ernsthaft in Betracht gezogen werden sollten.“ Im Projekt COMSTAR (The effects of early-life adversity on cognition: A comparative approach) werden die Konsequenzen von Widrigkeiten im Kindesalter für die Gesundheit und das Verhalten von Erwachsenen untersucht. Ungewöhnlicherweise führt das Team vergleichende Forschung auch zum selben Thema bei Menschen und Staren aus, um herauszufinden, ob Stress und Not in jungen Jahren den Alterungsprozess beschleunigen. Der Alterungsprozess wird hauptsächlich anhand von Veränderungen bei der Länge von Telomeren gemessen, den schützenden „Kappen“ von DNA an den Enden von Chromosomen. Mit ihrer Forschung versuchen sie zu verstehen, wie Menschen ihr Verhalten ihrer körperlichen Verfassung und ihres biologischen Alters entsprechend anpassen. Weitere Informationen: Projektwebsite

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Vereinigtes Königreich

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