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Inhalt archiviert am 2023-04-12

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Folgen von traumatischen Belastungen können genetisch weitervererbt werden

Untersuchungen an Tier und Mensch haben gezeigt, dass sich traumatische Erlebnisse von Müttern auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken, doch mit neuer Forschungsarbeit wurde nun entdeckt, dass dies sogar in der DNA der folgenden Generationen nachweisbar ist.

Gewalttaten, wie sie etwa im Krieg oder mit Terrorakten geschehen, können für die geistige Gesundheit offenkundig schwerwiegende Folgen haben, sowohl für die überlebenden Opfer als auch die Täter. Die Betroffenen geraten häufig in einen Teufelskreis von zerstörerischen Gedanken und Verhaltensweisen. Dieser Mechanismus, durch den belastende Erfahrungen auf Erinnerungen einwirken, wird im EU-finanzierten Projekt MEMOTV (Epigenetic, neural and cognitive memories of traumatic stress and violence) umfassend erforscht, um wirksamere humanitäre Maßnahmen zu ermöglichen. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse des Projekts zeigen, dass Personen, die mit den Folgen traumatischer Stresssituationen zu kämpfen haben, dies über ihre DNA tatsächlich an nachfolgende Generationen weiterreichen können. Die Rolle der DNA-Methylierung bei der Weitergabe von Belastungen Das Team von MEMOTV untersucht den Weitergabemechanismus beim Menschen auf epigenetischer, neuronaler und kognitiver Ebene und erforscht, wie verstörende Erinnerungen in anderen kulturellen Kontexten zu psychischer Belastung beitragen. In ihren Ergebnissen, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlicht wurden, beschreiben die Forscher, wie sie die in epigenetischen Mustern auftretenden genetischen Veränderungen untersuchten, indem sie Stresssituationen studierten, die von Müttern während der Schwangerschaft in den Favelas von Rio de Janeiro (Brasilien) erlebt wurden. Anschließend sammelten die Forscher Speichelproben von insgesamt 386 Personen – von Großmüttern sowie von deren Töchtern und Enkelkindern. Außerdem trugen sie auch Daten von den Großmüttern und Töchtern über Gewalttaten zusammen, die sie vor, während und nach der Schwangerschaft in Partnerschaft und Gemeinschaft erlebt hatten. Durch Kombination beider Datensätze konnten die Forscher in fünf Regionen der Gene zur Kreislaufregulation Vorhersagen zur DNA der Enkelkinder treffen, deren Großeltern in der Schwangerschaft Gewalt erfahren hatten. Sie konnten den Schluss ziehen, dass sich während der Schwangerschaft erlebte Gewalt bei den Kindern auf einen Prozess auswirkt, der als DNA-Methylierung bekannt ist. Bei diesem Vorgang reagiert das Genom auf die gegebenen Lebensumstände, indem es Gene aktiviert bzw. deaktiviert. Die Methylierung fand unabhängig davon statt, ob die Quelle der Gewalt im Lebenspartner bestand oder aus der weiteren Gesellschaft stammte. Methylierung wird als epigenetischer Mechanismus eingestuft, da sie nicht die Gensequenz selbst verändert, sondern vielmehr die Lesbarkeit oder Aktivität der kodierten Information. Methylierungsmuster sind ein evolutionäres Instrument, das es einem Organismus erleichtert, sich an seine Umgebung anzupassen. In diesem Fall vermuten die Forscher, dass die Methylierungsmuster entweder zu ängstlicheren oder aber zu aggressiveren Kindern führen könnten, was eine Anpassung des Verhaltens darstellen würde. Sie schlagen vor, dass pränatale DNA-Methylierungsmuster in Zukunft als Biomarker für die geistige Gesundheit und das Risiko für psychische Störungen herangezogen werden könnten. Die „maladaptive Plastizität“ in neue Bahnen lenken Ausgangspunkt des MEMOTV-Projekts war das Verständnis, dass der gesamte menschliche Organismus, einschließlich der für die Informationsverarbeitung verantwortlichen Teile (im Wesentlichen das Gehirn, das Immunsystem und das endokrine System) nicht nur von Erfahrungen selbst geprägt werden, sondern auch entscheidend von den genetischen Manifestationen dieser Erfahrungen. Mithilfe des Ansatzes der epigenomweiten Assoziationsstudien (EWAS) zur Erkennung von DNA-Methylierungsmustern konnte das Team Belege dafür erarbeiten, dass sich Gewalterlebnisse während der Schwangerschaft auf die genetische Aktivität auswirken, die bis in die Generation der Enkelkinder weitervererbt wird. Diese dauerhaften Veränderungen bei Aufbau und Funktion des Gehirns können selbsterhaltend sein, wobei durch Ereignisse eine sogenannte Verteidigungskaskade ausgelöst werden kann, die – oft subtil – zu negativem Verhalten führt. Mit offensichtlichen Folgen für die Rehabilitierung von Gewalttätern wie -opfern erhoffen sich die MEMOTV-Forscher, dass ein tieferes Wissen über den Mechanismus, aus dem sich diese maladaptive Plastizität ergibt, zur Prävention und sogar zur Behebung der Konsequenzen führen wird. Vor diesem Hintergrund stellt das Team auch Untersuchungen in einer deutschen Traumaklinik, südafrikanischen Gemeinden und einem Friedenskorps von Burundi an. Die in diesen Umgebungen gesammelten Informationen werden als repräsentativ für das menschliche Verhalten als Ganzes angesehen, und dank der hohen Datenvariabilität wird geschätzt, dass die Erkenntnisse auch für den Rest der Bevölkerung zweckdienlich angewandt werden können. Weitere Informationen: CORDIS-Projektwebseite

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