Krebstherapie mit ,,Zauberkugeln"
Derzeit wird erstmals im Rahmen klinischer Versuche eine Leukämiebehandlung getestet, bei der Tumoren-Aufspürer Radionuklid-,,Gewehre" zu ihren Krebszellen-Zielen transportieren. Hintergrund Alpha-Immuntherapie, eine neue Form von Strahlentherapie, wird auch als Behandlung mit der ,,Zauberkugel" bezeichnet. Jede ,,Kugel" ist ein Alphateilchen, das von einem radioaktiven Isotop abgegeben wird. Alpha-Bestrahlung ist extrem tödlich, hat aber eine sehr kurze Reichweite, so daß der Alpha-Emitter von einem Protein zu seinem Ziel befördert wird. Bei diesem Protein handelt es sich meist um einen monoklonalen Antikörper, der speziell an bestimmte Moleküle auf der Oberfläche der Tumorzelle andockt. Innerhalb von zehn Minuten erreichen die Zellenkiller-Radioisotope die angepeilten Krebszellen und bleiben an ihnen haften, und zwar während der gesamten Halbwertszeit des Isotops (ungefähr 45 Minuten), das in eine nicht-radioaktive Substanz zerfällt. Es ist möglich, eine Krebszelle mit lediglich ein oder zwei Atomen gut gezielter ,,Kugeln" zu töten, obwohl diese das umgebende gesunde Gewebe kaum schädigen, da ihre Alphastrahlung nicht weiter reicht als ein paar Zellendiameter. Die Strategie scheint sich besonders gut für die Behandlung von Blutkrebs zu eignen und wird nun zum ersten Mal als Behandlung für akute myeloische Leukämie an Menschen getestet. Organisation der Partnerschaft Diese Versuche der Phase 1 sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Transurane (ITU) der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Union und dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York. Als einer der Hauptakteure in dieser Forschung nimmt das ITU an mehreren anderen EU-geförderten Projekten teil, die sich auf die Behandlung des multiplen Myeloms (INSERM, Frankreich), des Non-Hodgkin-Lymphoms (Universität Heidelberg, Deutschland), von Dickdarmkrebs (Universität Göttingen, Deutschland), Magenkrebs (Universitätskliniken München, Deutschland) und geringgradigen Glioma (Kantonsspital Basel, Schweiz) konzentrieren. Beschreibung, Wirkung und Ergebnisse In Zusammenarbeit mit dem MSKCC schlug das ITU zunächst einen geeigneten Alpha-Emitter (Wismut-213) vor und entwickelte anschließend einen sicheren, tragbaren Kit, der eine Wismut-213-Quelle sowie Verfahren zum Extrahieren des Isotops in Krankenhäusern enthält. In präklinischen Tests wurden Mäuse von menschlichem Krebs geheilt. In den derzeit laufenden klinischen Versuchen der Phase 1 haben sich 17 Patienten dieser Behandlung unterzogen - obwohl keine vollständigen Remissionen erreicht wurden, sind die Ergebnisse ermutigend, da die Wirkung gegen Leukämie signifikant ist und keine akuten Nebenwirkungen festzustellen waren. Zusätzlich zu der direkten Behandlung von Patienten wird ein zweiter Ansatz ins Auge gefaßt, der mit Knochenmarktransplantationen und der Rettung von Stammzellen zusammenhängt: Dabei würden einem Patienten, der eine hochdosierte Chemotherapie oder eine vollständige Körperbestrahlung erhalten soll, kurz vorher Stammzellen entnommen, die von einem Wismut-213-gekoppelten Antikörper von sämtlichen Krebszellen gereinigt und dann erneut dem Patienten injiziert würden. Das ITU hat sich bereits ein derartiges Reinigungsverfahren patentieren lassen. Es ist auch an klinischen Anwendungen von Actinium-225 interessiert, dem ,,Mutternuklid", aus dem Wismut-213 gebildet wird, das eine längere Lebensdauer hat und besser für die Behandlung größerer oder schwer zugänglicher Tumore geeignet ist. Alpha-Immuntherapie ist eine vielversprechende neue Strategie für das selektive Abtöten von Krebszellen, und mit ihrer breiten Palette möglicher Anwendungen könnten die Zauberkugeln Krebspatienten in aller Welt helfen.