Behinderte werden mobiler
Ein Projekt unter norwegischer Leitung im Rahmen des Esprit-Programms hat zu einer Verbesserung der Lebensqualität von Behinderten geführt. Ein neues Steuerungssystem an elektrischen Rollstühlen bietet Schwerbehinderten die Möglichkeit, sich effizienter fortzubewegen und äußeres elektrisches Zubehör zu bedienen; es verbessert auch ihre Kommunikationsfähigkeit. Hintergrund Das Projektteam Rolltalk hat eine neue Technologie auf andere Weise genutzt, indem es innovative Entwicklungen in die Hand von Patienten legte - in manchen Fällen buchstäblich. Seine Arbeit hat zu einem neuen System geführt, das die Lebensqualität von Schwerbehinderten erheblich verbessern könnte. Die im Zuge des Projektes entwickelte Ausrüstung wird es Personen mit Behinderung ermöglichen, ihr Umfeld wieder zu beherrschen (Licht ein- und ausschalten, Fernsehkanäle wählen, elektrische Türen öffnen, usw.), einen elektrischen Rollstuhl zu manövrieren und einzustellen, und über Stimmsysteme oder Bildschirmbotschaften eine Kommunikation herzustellen. Mit dem Rolltalk-System können die Benutzer einen auf einen elektrischen Rollstuhl montierten Computer bedienen und so verschiedene maßgeschneiderte Funktionen ihres Alltagslebens steuern. Wenn eine Person mit Behinderung ihre Hände benutzen kann, kann sie mit einem Joystick einen Cursor auf dem Bildschirm bewegen und die gewünschte Funktion steuern. In schwereren Fällen kann die Person vielleicht nur ein Auge bewegen, doch wenn der Benutzer auch nur einen Muskel kontrollieren kann, läßt sich mit Hilfe eines Sensorsystems das System Rolltalk benutzen. Beschreibung, Wirkung und Ergebnisse Die Ausrüstung elektrischer Rollstühle mit diesen Steuermöglichkeiten ist an sich keine neue Idee - die eigentliche Innovation besteht in den speziellen Anpassungen. Eines der Ziele des Rolltalk-Teams war es, die Standardisierung voranzutreiben, damit der Benutzer die gewünschten Funktionen seines Rollstuhls bestimmen und individuelle Komponenten kaufen kann - wie etwa einen einstellbaren Sitz oder das Lenksystem -, und zwar von verschiedenen geeigneten Herstellern. In der Vergangenheit bestand das Problem darin, die Steuerung dieser verschiedenen Komponenten zu integrieren. Solche maßgeschneiderten Lösungen machten komplizierte Verkabelungen erforderlich, so daß Rollstühle sehr teuer wurden - und oft die Mittel der Gesundheitsämter überstiegen, die hierzu gewöhnlich in Anspruch genommen werden. Das Team wollte das Konzept eines 'gebrauchsfertigen' Systems voranbringen, wobei nahtlos Bauteile verschiedener Hersteller zu nutzen sind. Ein Teammitglied drückte es so aus: Ihr Computer kann von Compaq sein, doch Ihr Computer von Hewlett Packard. Sie erwarten - zu Recht -, daß beide Geräte problemlos miteinander funktionieren. Warum sollte dies nicht möglich sein mit motorbetriebenen Rollstühlen? Eines der Hauptelemente zur Förderung dieser Zielsetzung ist die Verwendung einer Computer-Bus-Baugruppe, ein kompaktes Verbindungssystem, das die gleichzeitige schnelle Übermittlung von Signalen verschiedener Komponenten des Computers ermöglicht. Und hierbei hatte das Team einen Vorsprung. Ein früheres EU-Projekt hatte zur Entwicklung des Bussystems `M3S' (Multiple Master Multiple Slave) geführt, doch dieses war nicht weit verbreitet. Durch die Anpassung der Software und der Schnittstellen der Steuereinheit des Rolltalk-Computers an die Standards von M3S schuf das Team ein integriertes Steuersystem, das in ganz Europa und darüber hinaus angenommen werden könnte. Im Laufe des Projektes war das Team sich dessen bewußt, daß frühere Rolltalk-Computersysteme ziemlich schwerfällig waren und sich auch schwer über Schnittstellen mit Bauteilen verschiedener Rollstuhlhersteller verbinden ließ. Durch die Anpassung standardisierter elektronischer Bauteile - die aber auf dem neuesten Stand sind - und die Übernahme der M3S-Busstandards konnten diese Probleme gelöst werden. Organisation der Partnerschaft Prototypen von Rollstühlen wurden anhand angenommener Standards erfolgreich getestet, und die Verhandlungen des Projektleiters, des norwegischen KMU IGEL Kompaniet, mit Risikokapitalgebern zur Sicherung der Finanzierung eines Verkaufsansatzes in ganz Europa mit nachfolgender Schaffung von Arbeitsplätzen sind weit fortgeschritten. Jeder Versuch zur Entwicklung einer Standardlösung für ein technisches Problem muß per Definition führende Kräfte im betreffenden Bereich einbeziehen. So hat IGEL enge Beziehungen mit Rollstuhlherstellern, Entwicklern von elektronisch gesteuerten mechanischen Bauteilen sowie Hardware- und Softwareherstellern aufgebaut, unterstützt und aufrechterhalten. Darüber hinaus hat das Unternehmen eng mit Herstellern von Schutzgehäusen und Spezialbeschichtungen zusammengearbeitet, um zu gewährleisten, daß die Geräte vor Interferenzen geschützt sind.