Verarbeitung visueller Objektinformationen
Das Projekt IVOR (Neuronal substrates of invariant visual object recognition in rats) kombinierte Psychophysik, neuronale Aufnahmen mit Multisystemen, Expressionskarten von Immediate-early-Genen (IEG) und maschinelles Lernen, um die Verarbeitung visueller Objektinformationen im Rattenhirn zu erforschen. Abgeschlossen wurde eine Verhaltensstudie zur Formwahrnehmung im Rattenhirn, deren Ergebnisse im Fachblatt Journal of Neuroscience erschienen. Offenbar unterscheidet oder erkennt das Rattengehirn visuelle Objekte anhand von Kombinationen mehrerer invarianter Funktionen. Die IEG-basierte neuroanatomische Untersuchung des visuellen und Assoziationskortex der Ratte befasste sich insbesondere mit c-fos, einem häufig bei neuronalen Aktivitäten exprimierten Transkriptionsfaktor. Die Forscher kartierten die Expression des IEG c-fos im Rattenhirn, während die Ratte verschiedene visuelle, taktile oder kombinierte Aufgaben lösen musste. Die Ermittlung der Zelldichte mittels Einfärbung ergab, dass für die visuelle Objekterkennung nacheinander mehrere kortikale Areale aktiviert werden. Die Signale entstehen im primären visuellen Kortex (V1), breiten sich seitlich in die sekundären visuellen Bereiche aus (V2L) und enden über den zeitlichen Assoziationskortex (TeA) im perirhinalen Kortex. Erste Ergebnisse der neuroanatomischen Studie wurden in neurophysiologischen Experimenten am Gyrus occipitotemporalis lateralis von Ratten getestet. Dazu erfolgten neuronale Aufnahmen mit mehreren Elektroden an V1-, V2L- und TeA-Arealen bei betäubten Ratten. Den Ratten wurden zehn Objekte präsentiert, die in verschiedener Hinsicht verändert wurden (u.a. Position, Größe, Sichtachse). Die Ergebnisse deuten auf eine verbesserte Objektselektivität und Transformationstoleranz der neuronalen Antwort im V1 bis hin zu TeA-Arealen hin. Da die Stirnlappen für komplexere visuelle Merkmale als die medialen Areale zuständig sind, liegt nahe, dass das Rattenhirn einen Mechanismus für die Wahrnehmung von Objekten besitzt, der dem von Primaten ähnelt. IVOR zeigte, dass sich die einfacheren und kostengünstigeren Rattenmodelle für Untersuchungen komplexer Sehfunktionen eignen, da sie nicht nur schnellere Ergebnisse als Primatenmodelle, sondern auch neue Einblicke in die neuronalen Mechanismen der Wahrnehmung visueller Objekte bei Säugern liefern können.
Schlüsselbegriffe
Visuelle Objekterkennung, Rattenmodell, IEG, occipitotemporalis, kortikal, zeitlich, neuronal