Kommission wendet sich gegen Microsofts Server-Politik
Das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied Mario Monti hat gegen das amerikanische Unternehmen Microsoft Corp ein formelles Prüfverfahren eröffnet, weil es angeblich seine marktbeherrschende Stellung bei PC-Betriebssystemen ausnutzt, um diese Position auch auf den Markt für Server-Software auszuweiten. Dieser Schritt, der der ersten Verfahrensstufe in kartellrechtlichen Untersuchungen in Europa entspricht, lässt Microsoft zwei Monate Zeit für eine schriftliche Stellungnahme. Erst nach deren Eingang und möglicherweise einer mündlichen Anhörung kann die Europäische Kommission eine endgültige Entscheidung treffen und gegebenenfalls Geldbußen von bis zu zehn Prozent der Gesamteinnahmen des Unternehmens verhängen. "Die Kommission begrüßt alle Neuerungen und Fortschritte in der Informatik, egal, woher sie stammen, weil sie äußerst positive Auswirkungen für Verbraucher und Industrie haben. Ein wirksamer Schutz von Urheber- und Patentrechten ist entscheidend für den technischen Fortschritt", wie Mario Monti bei der Ankündigung seiner Entscheidung sagte. "Gleichwohl werden wir nicht dulden, dass eine beherrschende Stellung auf einem Markt durch wettbewerbsfeindliche Methoden und unter dem Vorwand des Schutzes von Urheberrechten auf angrenzende Märkte ausgeweitet wird. Alle Unternehmen, die in der Europäischen Union tätig sein wollen, müssen unsere Wettbewerbsvorschriften beachten, und ich bin entschlossen, für ihre strikte Durchsetzung zu sorgen." Der Anstoß für diesen Vorgang waren Beschwerden des Unternehmens Sun Microsystems, wonach die Interface-Informationen, die notwendig sind, damit ein Client-Programm, das unter einem Betriebssystem von Microsoft läuft, Server-Software eines anderen Anbieters als Microsoft verwenden kann, bestimmten Konkurrenten von Microsoft, darunter Sun, nicht offengelegt wurden. Würden diese Informationen nicht offengelegt, so Sun, müsste ein Client-Programm Microsoft-Serversoftware verwenden, sodass Microsoft seine bereits bestehende marktbeherrschende Stellung auf dem Betriebssystem-Markt (95 Prozent Marktanteil) auch auf den Servermarkt ausdehnen könne. Grundlage für die Beschwerde der Kommission ist, dass Microsoft seinen Verpflichtungen zur Offenlegung aller relevanten Interface-Informationen gegenüber seinen Mitbewerbern nicht nachgekommen ist. Microsoft hat statt dessen Informationen nur nach Gutdünken weitergegeben und sich geweigert, Konkurrenten wie Sun zu informieren. Was den Ausgang des Verfahrens angeht, war Microsoft gestern noch zuversichtlich. In einer Stellungnahme sagte das Unternehmen, dass die verlangten Informationen allgemein verfügbar seien. Das von der Kommission angestrengte Verfahren ist unabhängig von der im Februar dieses Jahres eingeleiteten Untersuchung über den angeblichen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Microsoft im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Betriebssystems Windows 2000. Es unterscheidet sich auch von dem durch das US-Justizministerium angestrengten Verfahren, das darauf basiert, dass Microsoft seine marktbeherrschende Stellung bei PC-Betriebssystemen angeblich durch die Schwächung der Position des Internet-Browsers Navigator von Netscape und des Java Systems von Sun behaupten will. Ein US-Gericht hat bereits entschieden, dass Microsoft durch sein Verhalten versucht hat, ein Monopol auf dem Markt für Internet-Browser zu erlangen.