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Inhalt archiviert am 2022-12-07

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Kommission möchte die Wissenschaft wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft rücken

Anfang Oktober veröffentlichte die Europäische Kommission ihre zweite Stellungnahme zu dem Europäischen Forschungsraum und den Prioritäten für ihr nächstes FTE-Rahmenprogramm. Das Papier legt besonderes Gewicht auf "die Notwendigkeit, die Wissenschaft wieder in den Mittelpunkt...

Anfang Oktober veröffentlichte die Europäische Kommission ihre zweite Stellungnahme zu dem Europäischen Forschungsraum und den Prioritäten für ihr nächstes FTE-Rahmenprogramm. Das Papier legt besonderes Gewicht auf "die Notwendigkeit, die Wissenschaft wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken". Früher wäre eine solche Aussage absurd erschienen. Die Wissenschaft schien über jeden Zweifel erhaben, und das Klischee vom "Mann im weißen Kittel" stand für Wissen, Intelligenz und Weisheit. Man konnte allem vertrauen, was er sagte, tat und herstellte: bis die Atombombe kam. Pestizide, Agent Orange, die globale Erwärmung und BSE folgten. Das Ergebnis: Misstrauen gegenüber der Wissenschaft und neuen Technologien. Heute aber, wo der größte Teil der Welt im Technologiezeitalter bzw. in der von vielen so genannten "Risikogesellschaft" lebt, sehen sich Öffentlichkeit und Politiker zunehmend genötigt, bei der Wissenschaft Antworten und Rat zu suchen. Dies führt regelmäßig zu Schwierigkeiten, nicht zuletzt, weil die Meinungsbildung in der Wissenschaft selten mit der Entwicklung politischer Krisen Schritt halten kann und jedes neue Problem eine Reihe neuer Fragen aufwirft. In Anbetracht dieses Dilemmas hat das Institut für technologische Zukunftsforschung (IPTS), das zur Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission gehört, vor kurzem in Brüssel eine Konferenz zum Thema "Wissenschaft und Regierungsführung" veranstaltet. Auf dieser Veranstaltung trafen sich über 450 Beteiligte, darunter Wissenschaftler, Politiker, Journalisten, Akademiker und Lehrer aus der EU und der übrigen Welt, sogar aus solch entlegenen Ländern wie China. Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Veranstaltung betonte das für die Forschung zuständige Kommissionsmitglied Philippe Busquin seine Unterstützung für die laufenden Diskussionen. Er ist sich deutlich bewusst, dass Ereignisse wie die Katastrophe von Tschernobyl und der Dioxinskandal in Belgien die Auseinandersetzung über Wissenschaft und Gesellschaft in den letzten 25 bis 30 Jahren stark verändert und die Akzeptanz neuer Technologien verringert haben. "Das Thema Wissenschaft und Regierungsführung ist aktuell", sagte er. "Wir müssen die Dynamik zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit in der Demokratie neu organisieren. Wir müssen uns entscheiden, ob wir Regulierungsstellen auf gewissen Ebenen für strittige Themen wie die Freisetzung genetisch veränderter Organismen und den Klimawandel benötigen." Busquin ist der Ansicht, die Kommission fungiere auf dieser Ebene als Regulierungsbehörde. "Wir müssen die philosophische Diskussion beenden und zu Maßnahmen schreiten, die im Alltag eingesetzt werden können. Das schlimmste Szenario wäre, abzuwarten und nichts zu tun. Ich wünsche, dass die Kommission allmählich zum Referenzzentrum wird." Er hat bereits drei vorrangige Bereiche festgelegt: - Einbindung des Themas Wissenschaft und Regierungsführung in den allgemeinen Kontext der Probleme der Regierungsführung; - Untersuchung der Auswirkungen der Forschung auf die Politik und - Nutzung von Überlegungen und Initiativen in diesem Bereich zur Aufstellung eines neuen Vertrages zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Rolle der Medien sei ebenfalls wichtig, fuhr er fort und führte die BSE-Krise als Beispiel an. In diesem Falle waren widersprüchliche Informationen nachteilig für die Öffentlichkeit. "Das Problem liegt darin, dass ein Großteil der Öffentlichkeit die Forschung nur dann wahrnimmt, wenn sie praktisch angewandt wird." Da es keine deutlichen Warnzeichen gebe, müsse die Forschung nach dem Vorsorgeprinzip entwickelt werden. Die kulturelle Vielfalt Europas sorge für zusätzliche Komplikationen, fügte er hinzu, und jede künftige Gesetzgebung müsse dies in Betracht ziehen. Daher fordert er eine Diskussion darüber, wie ein wissenschaftlich-technisches Referenzsystem auf globaler Basis geschaffen werden könne. "Wir müssen uns an den bestmöglichen Verfahren in jedem Land orientieren", fügte er hinzu. Das IPTS versuchte mit seiner Konferenz in Brüssel, solche Diskussionen auf EU-Ebene in Gang zu bringen. Nach der Eröffnungsdiskussion zum Thema "Ein neues Bündnis zwischen Wissenschaft, Bürgern und Gesellschaft" besuchten die Teilnehmer drei parallele Sitzungen zu den Themen Wissenschaft, Bürger und der Entscheidungsprozess, Risikokontrolle und vorsorgende Forschung sowie ein europäisches wissenschaftlich-technisches Referenzsystem. Am zweiten Tag widmete man sich vorwiegend der Forschungspolitik und der europäischen Regierungsführung. Bereits recht früh im Verlauf des Tages waren sich die Teilnehmer einig, dass konkrete Schritte auf diesem Gebiet unternommen werden müssen. Insbesondere bestehe nach deren Aussage die Notwendigkeit, bestmögliche Verfahren zu ermitteln, Engagement "von oben nach unten" zu zeigen, gemeinsame Leitgrundsätze auf europäischer Ebene aufzustellen, Schnittstellen und Netzwerke in prioritären Bereichen einzurichten und die entsprechenden bestehenden Strukturen und Erfahrungen (einschließlich der GFS) zu nutzen. "Dabei sollten die Einbeziehung der Gesellschaft in die Forschung, die Rolle der Wirtschaftswissenschaften (auf gesellschaftlichem und menschlichem Gebiet), die Rolle der Frau in der Forschung, das Problem des Fachwissens, der notwendigen Forschung und der Öffnung für das Vorsorgeprinzip sowie die Einrichtung eines europäischen Referenzsystems Berücksichtigung finden." Weiterhin wurde die Notwendigkeit erkannt, zwischen ethischen Grundsätzen zu vermitteln und zu einem neuen Dialog "zwischen Wissenschaftlern und Bürgern und wissenschaftlichem Fachwissen für die Bürger" zu finden. Allgemein war man sich einig, dass die breite Öffentlichkeit an wissenschaftlichen Diskussionen, die ihr Leben betreffen, beteiligt werden sollte. Tatsächlich kamen die Delegierten in ihrer Zusammenfassung der Diskussionen beim ersten Workshop zu dem Schluss, dass "im Prinzip unbestritten ist, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Wissenschaft eine gute Sache ist. Man war allgemein der Auffassung, dass die Wissenschaft mehr auf gesellschaftliche Bedürfnisse eingehen sollte und dies ohne Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Qualität möglich ist." Dies entspricht früheren Forschungsergebnissen des IPTS: "Bürger und Beteiligte wünschen zunehmend einen starken Bezug zu den Entscheidungen, die sie betreffen, und fordern, dass die Prioritäten der Politik ihre wichtigsten Anliegen widerspiegeln." Daher hat die Kommission die Förderung neuer Formen der Regierungsführung, welche die Beteiligung und Dezentralisierung erleichtern, in den Mittelpunkt ihrer derzeitigen Aktivitäten gerückt. "Die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Regierungsführung sind daher ein vorrangiges Thema, mit dem sich Europa beschäftigen muss, wenn es die ungeheuren Möglichkeiten, die das Entstehen der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft mit sich gebracht hat, in vollem Umfang nutzen, den Sinn für Eigentum und gemeinsame Ziele bei seinen Bürgern wiederbeleben und das Potenzial für Streitigkeiten und Konflikte auf interner und internationaler Ebene verringern möchte." (Aus einem zusammenfassenden Bericht über Fallstudien "On science and precaution in the management of technological risk, volume 1" (Über Wissenschaft und Vorsorge beim Umgang mit technischen Risiken, Band 1) - erhältlich bei der GFS). Als ersten Schritt möchte die Kommission einen Referenzrahmen für eine Diskussion auf europäischer Ebene aufstellen. Darin, so erklärt sie, sollten Maßnahmen vorgeschlagen werden, die auf europäischer Ebene auf Grundlage bestehender Erfahrungen und der von der Kommission in diesem Bereich eingeleiteten Initiativen umgesetzt werden können. Zu diesen Initiativen gehören beispielsweise: - Die hochrangige Expertengruppe für Biowissenschaften zur Frage der Kommunikation mit der Öffentlichkeit; - Die Erstellung eines Vorschlags für eine europäische Lebensmittelbehörde; - Die Maßnahme zu "Frauen in der Wissenschaft"; - Eine Initiative zur Förderung der Kenntnis von Wissenschaft und Forschung in der Öffentlichkeit und zur Weckung des Interesses für die Wissenschaft bei Jugendlichen. Das nächste Rahmenprogramm wird zweifellos Bestimmungen zur Förderung von Arbeiten in diesem Bereich enthalten. Busquin ist da zuversichtlich: "Das Thema Wissenschaft und Regierungsführung ist ein so weites Feld, dass heute keine endgültigen Schlüsse gezogen werden konnten. Auf diesem Gebiet ist noch viel mehr zu tun, aber wir müssen unverzüglich Maßnahmen zu dringlichen Problemen einleiten, und in diesem Zusammenhang glaube und hoffe ich, dass die Konferenz einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel darstellt", schloss er. Der Dialog über Wissenschaft und Regierungsführung wird am 6. und 7. November in Brüssel mit einer Konferenz zu "Genetics and the future of Europe" (Genetik und die Zukunft Europas) fortgesetzt. Busquin wird dieses Thema im weiteren Verlauf des Jahres auch auf dem Gipfeltreffen in Nizza zur Sprache bringen.