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Inhalt archiviert am 2022-12-07

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Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit über Genforschung von entscheidender Bedeutung

Die Teilnehmer des breitangelegten Diskussionsforums "Genetik in Europa" haben die Bedeutung von genetischen Informationen für Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft erörtert und der dringenden Notwendigkeit eines besseren Dialogs zwischen Wissenschaftlern und Bürgern besonderen ...

Die Teilnehmer des breitangelegten Diskussionsforums "Genetik in Europa" haben die Bedeutung von genetischen Informationen für Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft erörtert und der dringenden Notwendigkeit eines besseren Dialogs zwischen Wissenschaftlern und Bürgern besonderen Stellenwert eingeräumt. Die Veranstaltung fand am 6. und 7. November statt. Es war die erste Veranstaltung, die von der hochrangigen Expertengruppe für Biowissenschaften der Europäischen Kommission organisiert wurde. Die Gruppe wurde im April dieses Jahres von Forschungskommissar Philippe Busquin eingerichtet. Bei dem Forum handelt es sich um die Auftaktveranstaltung einer Reihe von Diskussionsforen, deren Ziel es ist, führende Vertreter der Biowissenschaftsgemeinschaften zu mehr Engagement für Debatten mit verschiedenen interessierten Parteien zu ermutigen. Zu den Aufgaben dieser hochrangigen Biowissenschaftsgruppe gehört es, Kommissar Busquin mit Expertenrat über Biowissenschaften and -technologien zur Seite zu stehen, aber auch den aktuellen Wissensstand in den Biowissenschaften festzustellen und bei anstehenden bedeutenden Entwicklungen auf diesem Gebiet beratend tätig zu werden. Als Wissenschaftler aus aller Welt in diesem Sommer den bevorstehenden Abschluss des Humangenomprojekts ankündigten, war die hochrangige Biowissenschaftsgruppe gerade mit der Planung des kürzlich veranstalteten Forums beschäftigt, das den Zweck verfolgte, "aufgeschlossen und kulturelle Unterschiede respektierend eine Diskussion über den Einfluss eines noch nie zuvor möglichen Zugangs zu Genominformationen auf Wirtschaftswachstum, Lebensqualität und grundlegende menschliche Werte zu führen". Im Wesentlichen bestand das Ziel darin, die Wissenschaftler zu einer besseren Kommunikation mit der Gesellschaft, die auf der Konferenz durch Politiker und führenden Persönlichkeiten aus Industrie und Gesellschaft repräsentiert wurde, anzuregen. Wenn man aus dem Dialog zwischen Wissenschaftsgemeinschaft und Gesellschaft lernen könnte und dies in die anstehende Mitteilung der Kommission zu diesem Thema aufnehmen würde - einem zentralen Thema einer wichtigen Konferenz in Brüssel vor einigen Wochen - umso besser. "Dem wissenschaftlichen Fortschritt und der industriellen Nutzung der menschlichen Genominformationen stehen Öffentlichkeit und Entscheidungsträger mit großer Skepsis gegenüber. Um eine auf Sachkenntnis beruhende öffentliche Debatte zu führen, bedarf es eines Austauschs zwischen führenden Wissenschaftlern, führenden Vertretern der Industrie, Politikern, Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), Medienfachleuten und sonstigen Vertretern der Gesellschaft mit einem Interesse an nützlicher und verantwortungsbewusster Anwendung von menschlichen Genominformationen", erklärte die Kommission. An der Veranstaltung, die von Kommissar Busquin eröffnet wurde, nahmen Vertreter aus all diesen Bereichen teil. Themenschwerpunkte der Diskussionsforen waren Gesundheit, Nahrungsmittel, Umwelt und Ethik. Philip Campbell, Herausgeber der Zeitschrift "Nature", war Vorsitzender des Rundtischgesprächs der Veranstaltung. Der für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständige Kommissar David Byrne nahm ebenfalls an der Konferenz teil. Er hob vor allem die zunehmende Bedeutung der Entwicklungen in der Genforschung für politische Entscheidungen in allen Bereichen hervor. In einer Rede auf der Pressekonferenz im Rahmen der Veranstaltung unterstrich Kommissar Busquin die Rolle der Medien bei der Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten an den normalen Bürger. "Die Funktion der hochrangigen Biowissenschaftsgruppe beschränkt sich nicht nur auf den wissenschaftlichen Austausch. Die Gruppe hat auch die Aufgabe, eine breitere Diskussion mit der Öffentlichkeit zu lenken. Welche Form des Dialogs können wir mit den Bürgern eingehen und welchen Dialog erwarten sie überhaupt?", so Busquin. Die europäischen Bürger werden in zunehmendem Maße vor die Entscheidung gestellt, ob sie die vielen verschiedenen, mit Gentechnologien hergestellten Produkte akzeptierten, fügte Axel Kahn, Vorsitzender der hochrangigen Biowissenschaftsgruppe, hinzu. "Die Bürger müssen informiert sein...Sie müssen in der Lage sein, [an der Diskussion] teilzunehmen, und entscheidend in einer Demokratie ist, dass die Menschen über die Fragen Bescheid wissen, die ihnen gestellt werden und über die sie entscheiden sollen. Wir...möchten über dies hinausgehen und die Kritik, dass Europa nicht ausreichend mit der Öffentlichkeit kommuniziert, zurückweisen." Die Diskussionsteilnehmer teilten diese Ansichten während der Konferenz und waren sich einig, dass ein weiterer maßgeblicher Faktor, der zur Haltung der europäischen Öffentlichkeit gegenüber der Genforschung beitrage, die breite Vielfalt von Kulturen und religiösen Einstellungen sei. Es sei sicherlich nicht die Absicht der Kommission, den Versuch einer Harmonisierung der Einstellungen zur Gentechnik zu unternehmen, betonte Kommissar Busqiun und machte aber auch Folgendes geltend: "Wir reden über die Wissenschaft aus der Sicht der Welt. Güter werden weltweit ausgetauscht, ungeachtet der eigenen nationalen Sichtweise, und deshalb müssen wir unser Augenmerk auf europäische Fragen richten. Es bleibt uns nichts anderes übrig, in Dialog miteinander zu treten bzw. klare Rahmenbedingungen vorzugeben." "Es sind die Unterschiede zwischen uns, die es notwendig machen, dass wir uns untereinander austauschen", fügte Professor Kahn hinzu. "Wir sollten nicht versuchen, die vielfältigen Einstellungen anzupassen, sondern sie anerkennen." Des Weiteren kamen während der Konferenz Bedenken zu Tage, dass die Skepsis gegenüber der Herstellung von Nahrungsmitteln mittels Biotechnologie die Forschung auf dem Gebiet der menschlichen Gesundheit und der Umwelt behindern könnte. Es herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass Genetik für alle biologischen Systeme von Wichtigkeit sei und deshalb Bemühungen unternommen werden müssten, um sicherzustellen, dass das Thema der genetisch veränderten Nahrungsmittel nicht zu sehr im Mittelpunkt der Diskussionen stehe. Doch die Manipulation der DNA unserer Nahrungsmittel ist nicht der einzige Aspekt der Biotechnologie, der die Bürgern beunruhigt. Viele machen sich Sorgen über die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen dieses "Einmischens in die Natur" sowie über die Möglichkeiten der Eugenik. "Europas Wissenschaftler benötigten dringend die Unterstützung ihrer Bürger", klagte einer der Teilnehmer. "Lassen Sie uns dafür eintreten, dass die Wissenschaft auf echte Unterstützung und enthusiastischen Rückhalt von ihren Bürgern angewiesen ist." Das ist eine der größten Herausforderungen, die sich der hochrangigen Expertengruppe für Biowissenschaften stellt. So kommentiert Professor Kahn: "Die Mitglieder des Gremiums wurden ernannt, weil sie hervorragende Vermittler der Wissenschaft sind; wir müssen versuchen und vor allem sicherstellen, dass ein natürlicher Kommunikationsfluss zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit besteht." Auf die Frage, warum dann die Kommission diese Aufgabe nicht einer Gruppe von Medienexperten übergeben habe, antwortete Kuhn: "Es ist nicht dasselbe, wenn Wissenschaftler an die Öffentlichkeit treten. Sie würden auch nicht Politiker fragen, sich über Medienberater an die Öffentlichkeit zu wenden." Seiner Ansicht nach ist es entscheidend, den Mythos des Wissenschaftlers, der für seine eigenen Zwecke abgeschottet und weltfremd lebt, zu widerlegen. "Wir müssen mit der Öffentlichkeit kommunizieren und klarstellen, dass wir auch nur Menschen sind und die gleichen Probleme wie die Öffentlichkeit haben", so Kuhn. Die Gruppe ist äußerst erfreut darüber, ein Treffen mit Kommunikationsexperten aus allem Mitgliedstaaten organisieren zu können. Während der zweitägigen Veranstaltung wurden viele Theorien über die Gründe, warum in der Öffentlichkeit ein so großen Misstrauen gegenüber der Gentechnologie herrscht, erörtert. Die Diskussionen fanden selbstverständlich unter Berücksichtigung der Unterschiede in den kulturellen Einstellungen zur Wissenschaft statt sowie der Lücken im europäischen Bildungssystem, das viele Wissenschaftler daran hindert, über ihr Gebiet in der Alltagssprache zu sprechen. Ebenfalls in Betracht gezogen wurde die Frage, inwiefern Forschungskultur und Methodologie, die der Forschung den Status einer "Wissenschaft" verleihen, mit den häufig sensationellen und immer anspruchsvolleren Werten der Nachrichtenerstattung der Medien übereinstimmen. Die Teilnehmer haben natürlich auch die Entstehungsweise von Stereotypen für Wissenschaftler diskutiert, und dabei die Entwicklung vom zuvorkommenden Gelehrten des Zeitalters der Aufklärung bis hin zur gefühlskalten, sterilen Gestalt im weißen Kittel, wie sie oft in den heutigen Horrorfilmen dargestellt wird, verfolgt. Dabei blieb natürlich die Frage nicht aus, wie dieses Bild neu definiert werden kann. Zweifellos kann diese Frage - sofern es überhaupt eine Antwort gibt - nicht im Rahmen einer zweitägigen Veranstaltung geklärt werden. "Diese Konferenz bringt eine Diskussion in Gang, die die Probleme aufdeckt, die eine solche Diskussion erschweren. Wir möchten Engpässe und heikle Themen aufspüren", führt Axel Kahn weiter aus. Nur dann wird die hochrangige Expertengruppe für Biowissenschaften in der Position sein, geeignete Vorschläge zu Aktionen vorzubringen. "Wir müssen einen dynamischen Prozess ins Rollen bringen. Wichtig dabei ist, die Wissenschaft wieder in ein positives Licht zu rücken." In seiner Schlussrede schloss sich der Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz David Byrne dem Aufruf zum Dialog zwischen allen Mitgliedern der Gesellschaft an. "Um die Rolle der Biowissenschaften zu diskutieren... müssen wir Abstand zu dem emotional geprägten Schlachtfeld gewinnen. Wissenschaftler müssen an die Öffentlichkeit treten und Offenheit demonstrieren sowie für die Transparenz ihrer Arbeit sorgen. Sie müssen darauf vorbereitet sein, Fragen aus der Öffentlichkeit zu beantworten, auch wenn sie der Meinung sind, die Fragen seien uninteressant oder unwichtig", so Kommissar Byrne. Er begrüßte ferner die zunehmende Aufnahme von wissenschaftlichen Kommunikationskursen an vielen Universitäten und fügte in diesem Zusammenhang hinzu: "Mir ist klar, dass Wissenschaftler in der Vergangenheit nicht den Ruf hatten, Kommunikationstalente zu sein, doch ich bin mir sicher, dass dies der Vergangenheit angehört." "Das ist lediglich die erste Stufe", meinte Busquin außerdem, als er die Bedeutung des Dialogs auf europäischer Ebene betonte. "Natürlich möchten wir [die Kommission] die Diskussion nicht beherrschen, sondern wir möchten den Stein dafür ins Rollen bringen."