Schwedische Ratspräsidentschaft und Forschung - schwedischer Forschungsminister im Interview mit CORDIS News
Nachdem Schweden Anfang Januar die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen hat, stellt sich die Frage, welche Schwerpunkte sie in den kommenden sechs Monaten setzen wird. Schweden machte zwar deutlich, dass seine Ziele in den Bereichen Umwelt, EU-Erweiterung und Beschäftigung liegen, ging aber weniger auf die Rolle der Forschung und deren Entwicklung ein. In folgendem Exklusivinterview des schwedischen Ministers für Bildung und Forschung Thomas Östros mit CORDIS News beantwortet der Minister diese Fragen. Gleichzeitig äußert er seine Vorstellungen zum nächsten EU-Rahmenprogramm und seine konkreten Erwartungen an die Ratspräsidentschaft. CORDIS NEWS Was bringt Schweden in die Ratspräsidentschaft ein? MINISTER ÖSTROS Der wichtigste Gedanke ist, dass die Politik bei der Entwicklung der Gesellschaft eine Rolle spielt. Vielleicht ist der Eindruck entstanden, dass die Politik in den Hintergrund tritt, aber eine Lehre der 90er Jahre ist, dass verstärkte politische Anstrengungen notwendig sind, und dies nicht zuletzt in Bildung und Wissenschaft. Das hat sich auf dem Gipfel von Lissabon deutlich gezeigt, und das verdeutlichen auch die europäischen Länder, deren politische Anstrengungen im Bereich Bildung und Wissenschaft erfolgreich waren. In dieser Hinsicht sind Wissenschaft und Bildung zu einem wichtigen Bestandteil der Wirtschaftspolitik im weiteren Sinne geworden. Dies gilt auch für die traditionellen Industriezweige. In den nordischen Ländern haben wir in den traditionellen Branchen [durch Hightech-Förderung] einen Wandel erlebt. Sie sind nun "wissensbasierter". Diese Entwicklung ist ein überzeugendes Argument für das europäische Modell. Hohe Steuern haben dann einen Sinn, wenn sie intelligent, d.h. zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, eingesetzt werden. Zahlreiche Länder Europas weisen eine gute wirtschaftliche Entwicklung auf. Beispiele für Länder, in denen Anstrengungen auf dem Gebiet der Bildung und Wissenschaft zu wirtschaftlichem Wachstum geführt haben, sind Spanien, Portugal und Irland. Auf dem europäischen Gipfeltreffen im März in Stockholm wollen wir uns der nächsten Entwicklungsphase widmen. Bereiche wie Biotechnologie und Biowissenschaften werden zu den Schlüsselbereichen der zukünftigen industriellen Entwicklung gehören. CORDIS NEWS Inwiefern kann die Forschung Schweden bei der Verwirklichung der drei Prioritäten seiner Ratspräsidentschaft - Beschäftigung, EU-Erweiterung und Umwelt - unterstützen? MINISTER ÖSTROS Es ist die wissensbasierte Wirtschaft, die für mehr Beschäftigung sorgt. Forschungs- und Bildungseinrichtungen tragen heutzutage am meisten zur Wachstumsförderung bei. Der Arbeitsmarkt profitiert von der Bildung, da er flexibler wird und der Unternehmergeist gefördert wird. Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung ist die Verbindung verschiedener Gesellschaften eine der wichtigsten Aufgaben. Die Forschung stellt eine wichtige grenzüberschreitende Verbindung zwischen den neuen Mitgliedstaaten dar. Wir haben dies in Schweden schon erlebt. Nach unserem Beitritt wendeten sich unsere Forscher verstärkt europäischen Partnern zu. Was die Umwelt anbelangt, ist eine Strategie in diesem Bereich ohne Einschluss der Forschungspolitik undenkbar. Um Lösungen zu finden, müssen wir uns zuerst einmal fragen, welche Auswirkungen z.B. die globale Erwärmung haben wird. CORDIS NEWS Welchen Stellenwert haben konkrete Fortschritte auf Gebieten wie der Mobilität der Forscher für die schwedische Ratspräsidentschaft? MINISTER ÖSTROS In ungefähr einem Monat wird die Kommission ihren Vorschlag für das Sechste Rahmenprogramm vorlegen. Ich würde es befürworten, wenn den Mobilitätsprogrammen und der Verbindung der Forschungsprogramme der Mitgliedstaaten mehr Platz eingeräumt wird. Außerdem gibt es einen Fachausschuss, der sich mit den Hindernissen für eine größere Mobilität der Forscher, darunter gesellschaftliche und steuerrechtliche Fragen, beschäftigt. Seine Schlussfolgerungen werden jedoch erst nach Ablauf der schwedischen Ratspräsidentschaft erwartet. Wir können dazu beitragen, indem wir die Arbeit des hochrangigen Fachausschusses so effektiv wie möglich gestalten und Antriebe für eine höhere Mobilität schaffen. CORDIS NEWS Stellt die Tatsache, dass sich das nächste Rahmenprogramm in hohem Maße auf umfangreichere Themen und größere Projekte konzentriert, eine Gefahr für die kleineren Länder dar? Was bewegt Sie als Vertreter eines dieser kleineren Länder? MINISTER ÖSTROS Wir glauben, dass wir [Schweden] gute Erfahrungen mit den Forschungsprojekten im RP4 und RP5 sammeln konnten. Ich halte es für eine interessante Idee, sich stärker auf Gebiete wie Biotechnologie und Nanotechnologie zu konzentrieren. Auch ist es wichtig, dass wir größere Projekte angehen. Es versteht sich von selbst, dass wir kein Rahmenprogramm haben können, das ausschließlich für die größeren Länder gedacht ist. Die Kommission kennt die Sorgen der kleineren Länder, und ich bin mir des Konflikts bewusst. Das Rahmenprogramm muss die Qualität und die Grundlagenforschung verbessern und allen nutzen. Wir werden diese Themen sowohl im März in Uppsala als auch im Juni beim Treffen des Rats diskutieren. CORDIS NEWS Wie weit reichte die Zusammenarbeit mit der vorangegangenen französischen Präsidentschaft? MINISTER ÖSTROS Wir wollen den Anschluss an die vorangegangene Präsidentschaft. Wir wollen im März in Stockholm besonders auf die Weiterverfolgung des Gipfels von Lissabon hinweisen und Bildung und Wissenschaft in Stockholm auf die Tagesordnung bringen. Wir möchten ein Verfahren, das die Kommission mit einer Mission zur Arbeit an einer Direktstrategie zur Entwicklung der Biotechnologie und der Biowissenschaften beauftragt. Außerdem begannen während der französischen Präsidentschaft die Kommission und die Präsidentschaft mit der "Debatte über Wissenschaft und Gesellschaft", bei der es darum ging, wie man junge Leute für die Wissenschaft interessieren kann und wie das Verhältnis von Wissenschaftlern und Staatsbürgern beschaffen ist. Dieses Thema wird in Uppsala behandelt. Wir möchten es voranbringen. Wir möchten auf die ethischen Fragen der Wissenschaft hinweisen und werden im Juni in Umea eine Konferenz zu diesem Thema abhalten. Ich hoffe, dass diese Gespräche auch in anderen Mitgliedstaaten zur Diskussion anregen.
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