Interessensvertreter erörtern gemeinsam mit der Kommission Strategie für nachhaltige Entwicklung
Interessensvertreter aus dem Umweltbereich (darunter Unternehmen, Gewerkschaften, Nicht-Regierungsorganisationen und Hochschulen) haben gemeinsam mit Vertretern der Europäischen Kommission und der Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit einer klaren Strategie für eine nachhaltige Entwicklung in Europa betont. Bei einem Treffen in Brüssel anlässlich einer gemeinsamen öffentlichen Anhörung zum Beratungspapier der Kommission über die Strategie der Europäischen Union für eine nachhaltige Entwicklung, das im März veröffentlicht wurde, konnte jede Gruppe der Kommission im Vorfeld zu ihrem Beitrag zur Gestaltung des endgültigen Vorschlags für die bevorstehenden Umweltgespräche auf dem Ratstreffen am 15. und 16. Juni in Göteborg ihren Standpunkt darlegen. Alle Interessensvertreter betonten die Wichtigkeit des gegenseitigen Verständnisses zwischen Wissenschaftlern und Bürgern, wie im Beratungspapier der Kommission erläutert: "Ein klares Verständnis für den Wissensstand und seine Grenzen ist für ein wiederhergestelltes Vertrauen in die Wissenschaft als Beitrag für die Politik und für ein verantwortungsvolles Management entstehender Risiken erforderlich", berichtet die Kommission. "Die Wissenschafts- und Technologiepolitik sollte ferner auch unabhängige wissenschaftliche Bewertungen der Vorzüge und potenziellen Gefahren durch neue Produkte und Verfahren unterstützen und eine Forschung fördern, die für den Privatsektor zu riskant oder zu teuer ist." Und, so heißt es weiter, eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung "hängt in entscheidendem Maße" vom Verhalten der Leute ab, und die Regierungen müssten mehr tun, um die Bürger auszubilden und zu informieren. "Aktionen von Unternehmen und Bürgern sind daher von zentraler Bedeutung", so die Kommission. Die Kommission warnt in ihrem Papier vor einer Selbstgefälligkeit unter den europäischen Bürgern. "Der Durchschnittseuropäer mag gesünder, reicher und besser ausgebildet sein und länger leben als jemals zuvor", heißt es, "doch diese positiven Entwicklungen sollten uns nicht den Blick auf eine Reihe möglicher Gefahren verstellen. Einige Menschen verfügen nicht über die erforderlichen Mittel, um an diesen neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten teilzuhaben, und riskieren es, den Anschluss zu verlieren. Außerdem gibt es ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass wir immer mehr Druck auf die Tragfähigkeit unseres Planeten ausüben", berichtet die Kommission in ihrem Beratungspapier. "Wenn die politischen Entscheidungsträger die richtigen Bedingungen schaffen und die Bürger und Unternehmen dazu ermutigen, in all ihre Aktivitäten auch umweltpolitische und soziale Überlegungen mit einzubeziehen, werden Strategien für eine nachhaltige Entwicklung viele Erfolgssituationen herbeiführen, die gut für die Wirtschaft, Beschäftigung und Umwelt sind." Das Beratungspapier betont die Notwendigkeit, den Schwerpunkt auf die größten Herausforderungen für die Nachhaltigkeit zu legen, sowohl in der EU als auch in den Beitrittsländern. Seine Einschätzung basiert auf den Kriterien des Schweregrades, der langfristigen Auswirkung und der europäischen Dimension, für die folgende Punkte aufgeführt werden: Klimaveränderung, mögliche Gefahren für die Volksgesundheit, zunehmender Druck auf lebensnotwendige natürliche Ressourcen, Armut und soziale Ausgrenzung, alternde Bevölkerung, Staus und Umweltverschmutzung. Die Kommission erkennt die Komplexität dieser Probleme und empfiehlt einen multidisziplinären Lösungsansatz zu Problemen, deren Wurzeln sich über verschiedene politische Bereiche erstrecken. Und sie fordert, dass nachhaltige Entwicklung ins Zentrum aller politischen Entscheidungen gerückt wird. "Eine bessere Integration der Politik, die sich auf eine systematische und transparente Überprüfung der Kosten und Auswirkungen verschiedener Optionen stützt, ist von entscheidender Bedeutung, damit sich verschiedene Strategien gegenseitig verstärken und Kompromisse durch wohlüberlegte Entscheidungen entstehen, und die umweltpolitischen und sozialen Ziele zumindest zu volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden." Die Kommission ist davon überzeugt, dass Schritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung ein Handeln auf europäischer Ebene erfordern, was im Zuge der EU-Erweiterung immer wichtiger wird. Und obwohl klar ist, dass eine nachhaltige Entwicklung ein globales Konzept ist, vertritt die Kommission die Ansicht, dass sie ihr eigenes Haus in Ordnung bringen und auf dem Göteborger Gipfel die internationale Führungsrolle übernehmen muss. "Wir müssen auf europäischer Ebene handeln, wenn wir auf globaler Ebene handeln wollen", schlussfolgerte der Generalsekretär der Europäischen Kommission, David O'Sullivan, auf dem Beratungstreffen in Brüssel. Die Kommission hat eine Fülle von Reaktionen auf ihr Papier erhalten, darunter von Umwelt- und Verbraucherorganisationen, bürgerlichen Gesellschaftsgruppen, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen, dem Finanzsektor, sozialen Organisationen, dem Energiesektor, Verkehrs- und Umweltorganisationen, dem Landwirtschaftssektor und kommunalen Behörden. Sie alle haben die Kommission aufgefordert, sich voll und ganz für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen, und einige Organisationen forderten die Kommission auf, noch weiter zu gehen als sie es bereits in ihrem Beratungspapier getan hat. Die europäischen Beiräte für Umweltschutz beispielsweise sagten, dass mangelnde Kohärenz bei den bestehenden Strategien der EU eine große Hürde für die Erreichung eines neuen Konzeptes für eine nachhaltige Entwicklung darstelle. Als bemerkenswerte Beispiele wurden unangebrachte Subventionen genannt, die "im Rahmen der Landwirtschaftspolitik der Gemeinschaft gewährt wurden, sowie Strukturfonds", hieß es. "Eine fundamentale Umwandlung der Strategien ist daher erforderlich." Dieselbe Gruppe betonte auch die Wichtigkeit einer starken Forschungsbasis für eine Strategie der nachhaltigen Entwicklung, die nach ihrer Annahme "ständig überwacht und ... in regelmäßigen Abständen überprüft werden muss". Die "Freunde der Erde" fügten hinzu, dass das derzeitige Positionspapier ihrer Meinung nach "eine starke Vision" vermissen lasse und forderte für den Göteborger Ratsgipfel die Festlegung von Zielen, Zeitplänen und konkreten Maßnahmen, um einen Prozess in Gang zu bringen, der sich nach dem Gipfel fortsetzt. "Die Strategie einer nachhaltigen Entwicklung muss so wichtig wie der Binnenmarkt des Euro werden", so die Freunde der Erde. Die Staatssekretärin des schwedischen Umweltministeriums, Brigitta Boström, fasste die Beratungsgespräche wie folgt zusammen: "Ein langfristiger Ansatz für eine nachhaltige Entwicklung muss in die langfristige Entwicklung des Landes eingebunden sein... Wachstum darf nicht zu Lasten der Umwelt gehen. Die Umweltpolitik ist eine wichtige, treibende Wachstumsstrategie. Dies war in der Vergangenheit anders, als sie als begrenzende Strategie angesehen wurde." "Europa muss jetzt handeln. Es hat keinen Sinn, auf andere zu warten", fügte sie in Anspielung auf den vor kurzem erfolgten Rückzug der US-Regierung aus dem Vertrag von Kyoto hinzu. "Göteborg ist nicht das Ende, Göteborg wird die Nachhaltigkeit auf die langfristige Tagesordnung der Staatschefs der EU setzen."