Neuronale Aktivität und sensorische Kodierung
Eine Depolarisation und Hyperpolarisation des Ruhemembranpotenzials bzw. Spike-Aktivität findet statt, wenn ein Depolarisationsschwellenwert überschritten wird. Diese Messwerte geben Aufschluss über die neuronale Aktivität. Die elektrische Aktivität lässt sich sowohl in Einzelneuronen wie auch in Populationen (Feldspannungsmittelwert) messen. Bei einzelnen kortikalen Neuronen wurde ein spontaner Wechsel zwischen leicht depolarisiertem ("up state") und hyperpolarisiertem ("down state") Zustand demonstriert. Diese Schwankungen sind bei synchronisierten langsamen Oszillationen in Zellpopulationen ausgeprägter, und man vermutete nun einen Zusammenhang zwischen beiden Zuständen. Stochastische Analysen an kortikalen Netzen waren daher Schwerpunkt des EU-finanzierten Projekts NETDYNCORTEX (Network dynamics of auditory cortex and the impact of correlations on the encoding of sensory information). Mit Urethan narkotisierte Tiermodelle zeigten kortikale Aktivitätsmuster, die denen nicht narkotisierter Tiere ähneln. Die Forscher untersuchten die Up- und Down-Perioden im auditorischen Cortex narkotisierter Ratten in inaktivem (tiefschlafähnlichen) Zustand. Da die Perioden unregelmäßiger waren als bislang vermutet, liegt nahe, dass beide Phänomene nicht assoziiert sind. Mit computergestützten Netzwerkmodellen konnten mögliche Ursachen dieser Aktivitäten und Funktionen aufgezeigt werden. Anschließend wurden paarweise Rauschkorrelationen untersucht, ein Phänomen, bei dem zwei benachbarte Zellen zu teilweise ähnlicher statistischer Variabilität der Spiking-Muster tendieren. Interessanterweise entstehen die Korrelationen offenbar primär durch Perioden, in denen keine neuronale Spikeaktivität stattfindet, was frühere Studien widerlegt, denen zufolge die Korrelation durch gemeinsamen anatomischen Input entsteht. Am Modell konnte diese Möglichkeit bestätigt werden. Ein mittels Computermodell gekoppelter standardisierter sensorischer und Entscheidungsschaltkreis ließ Vorhersagen zur Rolle neuronaler Schwankungen bei der perzeptuellen Entscheidungsfindung zu. Das Modell erklärt damit eine bedeutsame Diskrepanz in der wissenschaftlichen Literatur, und die Vorhersagen wurden durch Messungen an Affen bestätigt. Weitere Studien an Ratten untersuchten, wie sich vorherige Erfahrungen mit ähnlichen Reizen auf das Lösen auditorischer Unterscheidungsaufgaben auswirken. NETDYNCORTEX demonstrierte den komplexen Zusammenhang zwischen stochastischer nichtlinearer Dynamik in kortikalen Schaltkreisen, zugrunde liegenden Mechanismen und Wahrnehmung. Die Daten enthüllen potenzielle kortikale Mechanismen der Informationsverarbeitung und liefern Methoden für weitere Untersuchungen.
Schlüsselbegriffe
Neuronale Aktivität, sensorische Kodierung, kortikale Netze, auditorischer Cortex, sensorische Informationen