Die Darlegung der Unterschiede zwischen dem RP6 und dem RP5 ist nicht einfach, so ein Direktor der GD Forschung
"Vom Fünften Rahmenprogramm (RP5) kann man nicht einfach auf das Sechste Rahmenprogramm (RP6) schließen, da es sich dabei auf Grund der neuen Instrumente um ein völlig anderes Konzept handelt und wir das Problem der Überbelegung angehen wollen", sagte Peter Kind, Direktor der Direktion "Europäischer Forschungsraum: Strukturelle Aspekte" in der GDForschung in einem Gespräch mit CORDISNachrichten. Als Chef der Task-Force der Kommission für die neuen Instrumente für das RP6, das Ende des Jahres anlaufende neue Vierjahresprogramm der EU für Forschung und Entwicklung, ist Kind sich der Schwierigkeiten voll bewusst, welche die Entwicklung neuer Instrumente und die sich daraus ergebenden neuartigen Praktiken mit sich bringen. In einem Exklusivinterview mit CORDIS-Nachrichten äußerte sich Kind über die bisherigen Maßnahmen der Kommission, wie etwa die Organisation der Veröffentlichung eines Aufrufs zur Interessenbekundung und von Informationsveranstaltungen, und analysierte die Probleme und Ziele. Die Überbelegungsrate im RP5 sei "zu hoch" gewesen, sagte Kind. Die für das RP6 vorgeschlagenen neuen Instrumente seien eine Möglichkeit, um den zeitlichen und materiellen Aufwand zur Aufstellung eines Projekts zu senken. Im Durchschnitt könne ein RP6-Projekt bis zu 10-mal so groß wie ein RP5-Projekt sein, und die Kommission hoffe, dass die Zahl der eingehenden Projektvorschläge darum um bis zu 20-mal geringer als im RP5 sein wird. "Rechnet man dies auf die Anzahl Themen um, die in einem Aufruf angegeben werden müssen, kommt man auf eine sehr viel geringere Zahl, denn man will schließlich erreichen, dass nur noch fünf Prozent der Vorschläge eintreffen, die bisher eingingen", so Kind zu CORDIS-Nachrichten. Seines Erachtens ist es von größter Bedeutung, dass die Auftragnehmer die Sicherheit haben, dass es nicht zu einer zu großen Überbelegung kommt. Kind erwartet, dass die deutlich gesenkte Themenzahl in den Aufrufen für das RP6 dazu führt, dass auf den Aufruf zur Interessenbekundung vom März2002 eine Flut von "hypothetischen" Vorschlägen folgt. "Ich nehme an, dass, wenn die Zahl von dem erwarteten Durchschnitt abweicht, eher zu viele als zu wenige eingehen. Den Interessenten ist klar, dass ihr Thema möglicherweise nicht im Aufruf berücksichtigt wird, wenn sie keine Interessensbekundung einreichen", sagte er. Mit der Veröffentlichung eines Aufrufs zur Interessenbekundung verfolge die Kommission andere Ziele. Dies sei ein weiterer Schritt im Bemühen, den Bekanntheitsgrad der neuen Instrumente zu verbessern, und liefere der Kommission Angaben darüber, wie erfolgreich sie bei ihren bisherigen Bemühungen, der Forschergemeinde die Funktion der neuen Instrumente darzulegen, gewesen ist. "Ein Aufruf zur Interessenbekundung setzt voraus, dass die Interessenten das Dokument einsehen und wissen, was ein Exzellenznetz oder ein integriertes Projekt ist, bevor sie ihre Interessenbekundung formulieren. Dann bilden sie kleine Konsortien, die Ideen formulieren", sagte Kind. Kind bemerkte, obwohl die Kommission eine ständige Konsultation mit den Beteiligten über die Vorschläge für das RP6 geführt habe, sei es nicht einfach gewesen, diese Ideen weiterzugeben. Eines der Hauptprobleme beim Versuch, neue Konzepte darzulegen, sei die Sprachbarriere gewesen, meinte Kind. "Trotz der großen Vielfalt der englischen Sprache verfügt sie nicht über neue Wörter, die neue Konzepte beschreiben könnten. Das Problem ist, dass, sobald das Wort "Projekt" oder "Netz" auftaucht, jeder bereits feste Vorstellungen darüber hat, was ein Projekt oder ein Netz ist", so Kind weiter. "Wörter reichen nicht aus, um die Botschaft weiterzugeben. Neben den Formulierungen ist eine Vielzahl von zusätzlichen Angaben notwendig, um deutlich zu machen, dass sich die Dinge geändert haben", sagte Kind, wobei er auf einen der Gründe anspielte, warum die Kommission in jüngster Zeit Informationsveranstaltungen für "Informationsmultiplikatoren" über die neuen Instrumente im RP6 durchgeführt hat. Für Kind sind solche Seminare ein "Schritt hin zur Konsultation", den die Kommission gegangen sei, anstatt die Forschergemeinde vor vollendete Tatsachen zu stellen. Im Rahmen der Konsultation habe es wegen der neuen Ideen aber auch Kritik gegeben. Kind hat aber trotz dieser Schwierigkeiten keinen Zweifel daran, dass dies der richtige Weg ist. "Ich halte dies für einen viel besseren Weg, um neue Konzepte zu entwickeln. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass wir die einzigen sind, die gute Ideen haben", sagte er. Die Reaktionen aus den Veranstaltungen und aus dem allgemeinen Dialog durchlaufen die Task-Forces der Kommission, in denen alle GD vertreten sind, die für Forschungsmaßnahmen zuständig sind. Neben der Task-Force über Instrumente, deren Leitung Kind übernommen hat, arbeiteten solche Gruppen auch in Bereichen wie etwa dem Bewertungsprozess, Modellverträgen und dem EDV-System zur Einreichung von Vorschlägen. Die Task-Force zu Instrumenten beschäftige sich inzwischen weniger mit der Entwicklung von umfassenden Konzepten, die Kind zufolge "nun mehr oder weniger stehen", und mehr mit den komplexeren Details. Die Gruppe arbeite etwa an der Frage, wie gewährleistet werden kann, dass die Instrumente möglichst einfach und schnell umsetzbar sind und gleichzeitig ein Maximum an Flexibilität und Autonomie bieten. Ein neues Instrument, dem weniger Aufmerksamkeit als den Exzellenznetzen und integrierten Projekten geschenkt wurde, sei Artikel169, den Kind als das "potenziell leistungsfähigste Instrument überhaupt" betrachtet. Während die übrigen neuen Instrumente auf die Integration von Institutionen ausgerichtet seien, betreffe Artikel169 die Integration der nationalen Programme. Auf Grund eines "erschreckend komplizierten" Umsetzungsverfahrens, sei es, wie Kind sagte, "sehr unwahrscheinlich, dass er [Artikel169] ein allgemeines Instrument wird. Dies wird in absehbarer Zeit mit Sicherheit nicht der Fall sein". Die Kommission werde jedoch in diesem Jahr noch dem Forschungsrat erste Vorschläge vorlegen, die darauf abzielen, die Einsatzfähigkeit des Instruments zu verbessern. Die vorhandenen Instrumente würden zusammen mit den neuen in den Bereichen eingesetzt, in denen die Forscher noch nicht so weit sind, um die neuen Instrumente zu verwenden. Aus den Antworten auf die Aufforderungen zur Interessensbekundung werde die Kommission ableiten können, wo diese Bereiche liegen. Es sei zwar noch zu früh, um zu sagen, wie RP6-Aufrufe zur Vorschlagseinreichung aussehen, doch eine Möglichkeit wäre, dass sie Listen der Themen, für die Vorschläge für integrierte Projekte oder Exzellenznetze gesucht werden, und der Themen enthalten, für die spezifische, zielgerichtete Vorschläge für Forschungsprojekte angebracht sind. Diese würden dort eingesetzt, "wo Fortschritte gefordert sind, aber ein breit angelegtes Instrument nicht angebracht ist", so Kind. Auf die Frage, ob der Zeitplan eingehalten wird, antwortete Kind, dies "hänge davon ab, welche Fragen von entscheidender Bedeutung sind". Die Hauptsorge der Kommission sei, dass sich der legislative Prozess verzögern könnte. Die "Kommission versuche jedoch alles, um einen Konsens zwischen den drei wichtigsten beteiligten Institutionen zu erreichen, um so zu vermeiden, dass ein Vermittlungsverfahren notwendig wird... Für Pessimismus ist es noch zu früh, obwohl es sich um eine große Herausforderung handelt", fügte Kind hinzu.