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Virtual Embodiment and Robotic Re-Embodiment

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Wirkliches Leben trifft Sci-Fi: die Verkörperungsstation

Erinnern Sie sich an die Filme Avatar und Surrogates – Mein zweites Ich und ihre atemberaubende Sicht auf das, was eines Tages die Kluft zwischen "virtueller Realität" (VR) und "echter" Realität überbrücken könnte? Ein EU-finanziertes Projekt hat sich dieser Vision von der Zukunft angenähert, indem es eine "Verkörperungsstation" entwickelte, mit der Menschen in einen virtuellen oder einen Roboterkörper versetzt werden können.

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VERE (Virtual Embodiment and Robotic Re-Embodiment) wurde im Jahr 2010 gegründet, um auf der Gummihand-Illusion aufzubauen, genauer gesagt darauf, was sie Wissenschaftlern vor 15 Jahren darüber gelehrt hat, wie das Gehirn den Körper darstellt, und über die Plastizität dieser Darstellung. In diesem Experiment hatten Psychologen der Universität von Pennsylvania entdeckt, dass sie Menschen davon überzeugen konnten, dass eine Gummihand, die vor ihnen auf einem Tisch lag und auf die gleiche Weise wie ihre echte Hand gestreichelt wurde, ihre eigene war. Das VERE-Projekt hob dieses Ergebnis auf die nächste Stufe, indem es versuchte, es auf den ganzen Körper anzuwenden. Mithilfe neuartiger sensorischer Kanäle und durch die Einbeziehung sowohl von virtueller Realität und Robotik fand das Team heraus, dass es möglich ist, dem Menschen die Illusion zu vermitteln, dass ein Körper in der virtuellen Realität oder ein tatsächliche Roboterkörper sein eigener ist, wenn er sich in Übereinstimmung und synchron mit seinen eigenen Bewegungen verhält. "In einer immersiven virtuellen Realität kann ein virtueller Körper den realen Körper ersetzen. Man sieht den virtuellen Körper, wenn man in zu sich selbst und in einen virtuellen Spiegel schaut, er ist lebensgroß und bewegt sich, so wie man sich lebst bewegt. Man kann es so einrichten, dass man es am eigenen Körper spürt, wenn man sieht, wie etwas den virtuellen Körper berührt", erklärt Prof. Mel Slater, ICREA Research Professor an der Universität von Barcelona und Koordinator von VERE. Genau diese Ebene der Immersion konnten Prof. Slater und sein Team mit ihrer "Verkörperungsstation" erreichen und die Idee dazu gab ihnen der Film Surrogates – Mein zweites Ich. Die Station liest elektrische Gehirnsignale und andere physiologische Signale von den Teilnehmern aus, überträgt aber auch die visuellen, akustischen und taktilen Reize vom Ersatzkörper, während die Muskeln des realen Körpers entsprechend stimuliert werden. Die Verkörperungsstation verfügt über einen Sitz mit verschiedenen Modulen, die spezifische sensorische Signale übertragen und die motorischen Absichten der Versuchsperson auf der Ebene des Gehirns anhand von EEG-Gehirnsignalen dekodieren. Es konnte schon nachgewiesen werden, dass es selbst über große Entfernungen funktioniert: bei einen Teilnehmer in Israel, der erfolgreich in einen Roboter in Frankreich versetzt wurde, und für Patienten mit Rückenmarksverletzungen in Italien, die sich in einem Roboter in Japan wähnten. Fortschritte an allen Fronten Wie im Film Avatar konzentrierte sich das Projektteam teilweise auf Patienten mit Behinderungen, insbesondere auf Menschen mit einer Rückenmarksverletzung. Da diesen Patienten der multisensorielle Integrationsprozess fehlt, der aufgrund einer massiven sensomotorischen Deprivation unterhalb der Läsionsebene für die körperliche Darstellung von grundlegender Bedeutung ist, erwies sich diese Forschung als sehr nützlich für die Entschlüsselung von Mechanismen der Verkörperung im Gehirn. Obwohl diese Patienten tendenziell eine verminderte Fähigkeit haben, ein externes Objekt zu verkörpern, zeigten die Projektergebnisse deutlich, dass eine Verstärkung der restlichen sensorischen Informationen eine Verkörperung auslösen kann. Letzteres ist nur eines von vielen Verkörperungsszenarien, die von den Projektpartnern untersucht wurden. Die meisten davon sollen zu konkreten Fortschritten in so unterschiedlichen Bereichen wie Rehabilitation von Straftätern, Roboterverkörperung für Menschen mit Behinderungen und geschlechtsspezifische häusliche Gewalt führen. "Es gibt mehrere Varianten von Anwendungen, die die Empathie verbessern, aber ein großer Teil davon ist zurzeit vertraulich", verrät Prof. Slater. Zu den bemerkenswertesten Beiträgen von VERE gehören Erkenntnisse darüber, wie multisensorielle Signale optimale Verkörperungsempfindungen für die Fernsteuerung von virtuellen oder Roboterkörpern hervorrufen können, was große Implikationen für die zukünftige Gestaltung von Gehirn-Computer-Schnittstellen haben wird. Das Team zeigte auch, dass vestibuläre Inputs die körperliche Selbstwahrnehmung verbessern können, was möglicherweise neue Möglichkeiten für die Bereiche virtuelle Realität und Neuroprothetik bietet. Die Ergebnisse des Projekts ebnen den Weg für Manipulationen der Körperdarstellung in virtueller Realität als eine Möglichkeit für die Schmerztherapie. Das Konsortium erzeugte einen "Atlas" von für Neuro-Feedback sensiblen Bereichen des Gehirns, machte die Bedeutung sowohl von Vermittlerform und Bewegungskinematik bei der Implementierung von virtuellen Szenen deutlich und demonstrierte, dass BOLD-fMRI effektiv für die Steuerung eines Roboters und Avatars in Echtzeit verwendet werden kann. Das Team zeigte, dass Amputierte einen Avatar navigieren können, selbst wenn sie die Darstellung des amputierten Arms verwenden. Sie zeigten auch, dass die virtuelle Verkörperung in einem Körper, der als "Außenseiter" angesehen wird, Rassendiskriminierung abbauen kann. Ethik und VR-Technologien Einen weiteren sehr wichtigen Beitrag des Projekts stellt der Artikel "Real Virtuality: A Code of Ethical Conduct" dar. Angesichts fast marktreifer neuer VR-Technologien wie die Hololens von Microsoft und Oculus von Facebook befasste sich das Projektteam mit einigen der Risiken, die mit der kommerziellen und wissenschaftlichen Verwendung von VR aufkommen könnten. "Wir führen eine ganz neue Technologie ein, also müssen wir auch ihre Auswirkungen verstehen", betont Dr. Slater. Das Dokument bietet eine erste Reihe von ethischen Empfehlungen, auf denen man aufbauen kann, und nennt die Bereiche, in denen weitere ethische Erwägungen notwendig sind. In Bezug auf die Risiken für die Menschen und die Gesellschaft befasst es sich ausführlich mit Fragen zu Privatsphäre, Grenzen, die VR nicht überschreiten darf, und die Vernachlässigung von realen Körpern und Umgebungen. Auch die Auswirkungen einer langfristigen Immersion werden in dem Artikel ausführlich behandelt. Die anderen beiden Teile widmen sich ethischen Forschungsaspekten und Fragen zu Plastizität im menschlichen Geist. Der Artikel kommt zu dem Schluss: "Das historisch Neue, das nicht nur neue psychologische Risiken sondern auch völlig neue ethische und rechtliche Dimensionen schafft, besteht darin, dass eine VR immer tiefer in eine andere VR eingebettet wird: Das Bewusstsein der Menschen, das sich unter ganz bestimmten Bedingungen und über Millionen von Jahren entwickelt hat, wird nun mit technischen Systemen zur Darstellung von möglichen Realitäten kausal gekoppelt und informationell verwebt." Bis diese völlig neue Welt entsteht, will das Konsortium weiter auf den Ergebnissen von VERE aufbauen. "Wir befassen uns zurzeit mit den Finanzierungsaspekten für die Gründung eines Spin-off-Unternehmens", sagt Dr. Slater. "Allerdings gibt es einige kommerzielle Aspekte zu beachten und wir können über die Produkte noch nicht sprechen."

Schlüsselbegriffe

Verkörperungsstation, immersive virtuelle Realität, echte Realität

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