Spintronik mit Silizium erweitert das Spektrum der bisherigen Halbleitertechnologie
Moderne elektronische Bauelemente funktionieren, da negativ geladene Elektronen den elektrischen Strom fließen lassen. Während in gängigen Transistoren das Vorhandensein oder die Abwesenheit des fließenden Stroms dementsprechend durch 1 oder 0 verkörpert wird, werden bei den spintronischen Bauelementen 1 und 0 durch einen Aufwärts- (Spin up) oder Abwärts-Spin (Spin down) dargestellt. Zusätzlich zur elektrischen Ladung nutzt die Spintronik die spezifischen Spineigenschaft von Elektronen für höhere Datenübertragungsgeschwindigkeiten und eine gesteigerte Speicherkapazität aus. Isolatoren aus Silizium, Graphen und Germanium sowie topologische Isolatoren haben sich aufgrund ihres Vermögens zum Spintransport über lange Diffusionslängen bei Raumtemperatur-als vielversprechende Materialien für Spintronikanwendungen erwiesen. Diese Materialien können ihren Elektronenspinzustand (Orientierung) für mehrere Mikrometer beibehalten, was für die Speicherung von und das Rechnen mit Quanteninformationen wichtig ist. Das von der EU finanzierte Projekt SILICONSPIN (Spin transport in silicon nanodevices) vermittelte neue Einblicke in die grundlegenden physikalischen Prinzipien von Spingenerierung, -manipulation und -transport in diesen Materialien und über Tunnelbarrieren hinweg. Zur Erzeugung der Spinpolarisation in Silizium und Germanium bei Raumtemperatur setzten die Forscher verschiedene hochentwickelte Verfahren ein. Mit dem Einsatz von ferromagnetischen Elektroden zum Detektieren des Spins, der große Sprünge im Tunnelmagnetwiderstand einführte, wurden Spinlebensdauer und Spinnakkumulation vergrößert. Unter Verwendung eines 2D-isolierenden hexagonalen Bornitrids (h-BN) als Tunnelbarriere im magnetischen Tunnelkontakt injizierte das Team spinpolarisierten Strom von einer ferromagnetischen Elektrode in das Silizium. Diese erzeugten Ströme fließen sowohl in die gleiche Richtung als auch in entgegengesetzte Richtungen. Zusätzlich zum Gebrauch der ferromagnetischen Elektroden zur injizierenden Spinpolarisation in Silizium wandten die Forscher gleichermaßen die thermische Erwärmung von Silizium und dynamische Methoden an. Mit Hilfe dieser Verfahren konnten sie erstmals über Spinakkumulation und Spinpumpen in Silizium berichten. Weiterer Schwerpunkt von SILICONSPIN war die Erforschung des Spintransportes auf Graphen bei Raumtemperatur. Durch Abscheidung von Graphen auf Silizium- oder Siliziumdioxidsubstrate konnten dem Team zufolge hohe Diffusionslängen und Spinlebenszeiten in der Größenordnung von einigen Nanosekunden erzielt werden. Außerdem verwendeten die Forscher erneut h-BN als Tunnelbarriere im magnetischen Tunnelkontakt und berichteten über einen höheren Grad der Spinpolarisation. Der Einsatz von Elektronenspinströmen zur Informationsverarbeitung wird als der heilige Gral der Halbleiterspintronik angesehen, da er zu Bauelementen mit höherer Leistungsfähigkeit und geringerem Energieverbrauch hinführt und hier außerdem der Wärmerückstau umgangen wird. Über die Erzeugung und Modulation von Spinstrom in Halbleitern kann man nun maßgeschneiderten spintronischen Bauelementen mit neuen Funktionalitäten gelangen.
Schlüsselbegriffe
Silizium, Spintronik, Halbleiter, Graphen, Spintransport, SILICONSPIN